Christiane Brendel / Adelheid Wenzelmann
Martin Luther und Ignatius von Loyola
Entdeckung einer spirituellen Verwandtschaft
Ignatianische Impulse
Herausgegeben von Stefan Kiechle SJ, Willi Lambert SJ und Martin Müller SJ
Band 74
Ignatianische Impulsegründen in der Spiritualität des Ignatius von Loyola. Diese wird heute von vielen Menschen neu entdeckt.
Ignatianische Impulsegreifen aktuelle und existentielle Fragen wie auch umstrittene Themen auf. Weltoffen und konkret, lebensnah und nach vorne gerichtet, gut lesbar und persönlich anregend sprechen sie suchende Menschen an und helfen ihnen, das alltägliche Leben spirituell zu deuten und zu gestalten.
Ignatianische Impulsewerden begleitet durch den Jesuitenorden, der von Ignatius gegründet wurde. Ihre Themen orientieren sich an dem, was Jesuiten heute als ihre Leitlinien gewählt haben: Christlicher Glaube – soziale Gerechtigkeit – interreligiöser Dialog – moderne Kultur.
Christiane Brendel
Adelheid Wenzelmann
Martin Luther und Ignatius von Loyola
Entdeckung einer spirituellen Verwandtschaft
echter
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© 2017 Echter Verlag GmbH, Würzburg
www.echter.deUmschlag: Peter Hellmund ISBN 978-3-429-04330-8 (Print) 978-3-429-04897-6 (PDF) 978-3-429-06317-7 (ePub)
eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
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Inhalt
Annäherungen
Sr. Adelheid Wenzelmann
Christiane Brendel
Vorwort
Zwei Biografien
Beten und Meditieren
Zwei Männer des Gebets
Beten lernen
Geistliche Begleitung
Meditation der Heiligen Schrift
Das Vaterunser
Die Psalmen
Fundament und Ziel
Schöpfer und Geschöpf
Frei werden
Danken und loben
Umkehr und Versöhnung
Gewissen
Sünde und Selbsterkenntnis
Gespräch mit dem Gekreuzigten
Beichte
Jesus Christus und Nachfolge
Gott wird Mensch
Nachfolgen
Eins-Sein mit Gott und Christus
Wille Gottes und Gehorsam
Trost und Heiliger Geist
Trostlosigkeit und Anfechtung
Selbstlosigkeit und Demut
Kreuz und Auferstehung
Kreuz Christi und Leiden der Christen
Sterben und Tod
Auferstehung und ewiges Leben
Leben in der Kirche
Kirche
Gemeinschaft der Heiligen
Eucharistie – Abendmahl
Maria
Glauben im Alltag
Arbeit und Segen
Muße und Gelassenheit
Glaube und gute Werke
Krankheit und Gesundheit
Nächstenliebe und Barmherzigkeit
Schöpfung und Lebensfreude
Singen und Musik
Nachwort
Dank
Textnachweise
Literatur in Auswahl
Anmerkungen
Annäherungen
Auf den Spuren des Ignatius in Rom
Januar 2010. Freisemester in Rom. Ich besuche die Jesuitenkirche Il Gesu. Es ist halb sechs Uhr abends. Über einen Lautsprecher ertönt Chormusik. Scheinwerfer beleuchten den großen Altar über dem Grab des Ignatius. Die schöne barocke Kirche erstrahlt in hellem Licht. Texte von Ignatius werden in italienischer Sprache gelesen. Zum Schluss zieht man eine Leinwand mit dem Bild des Ignatius nach unten und seine Gestalt wird als silberne Statue sichtbar. Übersät mit einer Fülle von Edelsteinen, hoch aufgerichtet, den Blick zum Himmel.
Ich trete näher heran und schaue mir die marmornen Gestalten im unteren Teil des Altares an. Zwei allegorische Frauengestalten mit einer Fackel und einem Kreuz in der Hand stürzen elende Gestalten mit verzerrtem Gesicht zu Boden. Kleine Engel helfen dabei. Neben den zu Boden geworfenen Gestalten liegen Bücher. Ein Engel reißt eifrig Seiten aus einem Buch, auf dessen Rücken ich bei der hellen Ausleuchtung den Namen Martin Luther entziffern kann. Auf dem Buchrücken zweier anderer Bücher kann ich Johannes Calvin und Huldreich Zwingli erkennen. Die Bücher der Reformatoren sollen vernichtet werden: Ignatius, der triumphale Kämpfer für den rechten Glauben. Auf der Postkarte zu dem Altar steht: »Der Glaube schlägt die Ketzerei nieder«.
Ich spüre an diesem Grabmal die Wucht des Kampfes zwischen Reformation und Gegenreformation. Was hat man auf beiden Seiten einander angetan, hat sich bekämpft, verteufelt und im Namen Gottes sogar getötet. Heute würde niemand mehr solche Werke in Auftrag geben. Welche Entwicklungen haben wir inzwischen durchgemacht! Mich erfüllt eine große Dankbarkeit für die andere ökumenische Situation, in der wir heute leben.
Als ich meinem geistlichen Begleiter, einem Jesuiten, betroffen von der Entdeckung des Grabmals erzähle, schreibt er mir: »Die Zerstörung der Lutherbücher am Ignatius-Altar … ist für mich immer ein Grund für Nachdenklichkeit, Scham und das Knüpfen aufrechter Beziehungen, die helfen, die Spaltung zu überwinden. Wegmeißeln wird man das am Marmor wohl nicht, aber es gibt ja Gott sei Dank andere Weisen der Revision, z.B. die Art, wie der Orden … sich heute um Ökumene bemüht.«
Eine eindrückliche Weise der Revision erleben wir als Communität in der Zusammenarbeit mit Jesuiten im Kloster Wülfinghausen, südlich von Hannover. Ausgebildet in katholischen Kursen für Exerzitienbegleitung und geistliche Begleitung, 1war die Wiederbelebung dieses alten Augustinerinnenklosters der Klosterkammer Hannover von Anfang an von ökumenischer Weite geprägt.
Inzwischen werden in unserer evangelischen Kirche Exerzitien im Alltag in vielen Gemeinden angeboten – oft ökumenisch verantwortet. Einzelexerzitien gehören zum Kursprogramm etlicher Einkehrhäuser unserer Kirche, besonders im Umfeld der evangelischen Communitäten. In einigen Landeskirchen werden seit einigen Jahren Ausbildungskurse für geistliche Begleitung angeboten.
Noch in meiner Jugend wurden Jesuiten und »Gegenreformation« in einem Atemzug genannt; die Jesuiten – der antiprotestantische Orden im Dienst des Papstes.
Durch die Wiederentdeckung der geistlichen Begleitung aus der ignatianischen Spiritualität hat ein fruchtbarer ökumenischer Austausch begonnen. Es ist ein Netz geistlicher Freundschaft zwischen evangelischen und katholischen Christen entstanden. Neue Räume geschwisterlicher Zusammenarbeit haben sich eröffnet, die für die Kirchen fruchtbar werden.
Sr. Adelheid Wenzelmann
Eine lutherische Pfarrerin begegnet den ignatianischen Exerzitien in einer evangelischen Communität
Im Sommer 2007 begann ich die berufsbegleitende Fortbildung »Geistliche Begleitung« im Kloster Wülfinghausen. Sie lockte mich, weil ich meine seelsorgerliche Arbeit in der Gemeinde ausbauen und vertiefen wollte.
Von Anfang an war in diesem Kurs und an diesem Ort nahezu alles ökumenisch: katholische und evangelische Referentinnen und Supervisoren, die Stundengebete der Communität, die sich liturgisch aus beiden Traditionen speisen, sowie eine theologisch gebildete und menschliche Weite, die mich von Anfang an faszinierte.
In Vorträgen, Diskussionen und Übungen haben wir im Laufe von zwei Jahren Traditionen geistlicher Begleitung bei unseren Müttern und Vätern im Glauben aufgespürt und von ihnen wertvolle Anregungen für unsere eigene pastorale und seelsorgerliche Arbeit bekommen.
Das Herzstück der Fortbildung: die neuntägigen Exerzitien in der Mitte der Kurszeit. Kompetent angeleitet und liebevoll begleitet von den Schwestern und Kursleitern, machten wir uns auf die Reise in die Stille. Hörendes Verweilen vor Gott, betendes Betrachten biblischer Texte und gemeinsame abendliche Feiern des Abendmahls. Dabei habe ich noch einmal neu das Staunen gelernt.
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