Martin Luther - Martin Luther

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"Ich vermag nichts ohne Gott, und Gott will nichts ohne mich!" Martin Luther
Martin Luther (1483 bis 1546), der Reformator und Bibelverdeutscher, ein Gründervater der deutschen Sprache auch ein christlicher Mystiker? Wie immer man diese Frage beantworten will, fest steht, dass die von ihm ausgegangene religiöse Erneuerung ohne wirkkräftige Impulse aus der deutschen Mystik und eigenes Erleben nicht zu denken ist. Ihm verdanken wir die Entdeckung der von ihm hoch eingeschätzten Theologia Deutsch. Die durch ihn proklamierte Freiheit des Christenmenschen ist aus inneren Erfahrungen erwachsen, die zugleich am Anfang des Protestantismus stehen. Es fehlen aber auch nicht kritische Töne, da Luther das innere Wort nie unter Preisgabe des an das Wort der Schrift gebundene äußere Wort gelten ließ.
Aus dem umfangreichen Werk des Wittenberger Reformators hat Gerhard Wehr eine repräsentative Auswahl von Texten zusammengestellt und mit Erläuterungen erschlossen.
Dazu gehören meditativ gehaltene Beiträge sowie Schriften zur christlichen Brautmystik, Texte aus Luthers Magnificat-Auslegung, aus seiner Freiheitsschrift und verwandten Abhandlungen.

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Dr. theol. h.c. Gerhard Wehr, geb. 1931 in Schweinfurt/Main. Nach langjähriger Tätigkeit in verschiedenen Bereichen der Diakonie und der Erwachsenenbildung, zuletzt als Lehrbeauftragter an der Fachakademie für Sozialpädagogik in Rummelsberg/Nürnberg, arbeitet er als freier Schriftsteller in Schwarzenbruck bei Nürnberg. Ein Großteil seiner Werke zur neueren Religions- und Geistesgeschichte ist in mehreren europäischen und asiatischen Sprachen verbreitet.

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Aus dem umfangreichen Werk des Wittenberger Reformators hat Gerhard Wehr eine repräsentantive Auswahl von Texten zusammengestellt und mit Erläuterungen erschlossen.

Dazu gehören meditativ gehaltene Beiträge sowie Schriften zur christlichen Brautmystik, Texte aus Luthers Magnificat-Auslegung, aus seiner Freiheitsschrift und verwandten Abhandlungen.

Martin Luther (1483 – 1546), der Reformator und Bibelverdeutscher, ein Gründervater der deutschen Sprache auch ein christlicher Mystiker? - Wie immer man diese Frage beantworten will, fest steht, dass die von ihm ausgegangene religiöse Erneuerung ohne wirkkräftige Impulse aus der deutschen Mystik und ohne eigenes Erleben nicht zu denken ist. Ihm verdanken wir die Entdeckung der von ihm hoch eingeschätzten Theologia Deutsch. Die durch ihn proklamierte „Freiheit des Christenmenschen“ ist aus inneren Erfahrungen erwachsen, die zugleich am Anfang des Protestantismus stehen. Es fehlen aber auch nicht kritische Töne, da Luther das innere Wort nie unter Preisgabe des an das Wort der Schrift gebundene äußere Wort gelten ließ.

Martin Luther

Mystik und Freiheit des Christenmenschen

Martin Luther

Mystik und Freiheit des

Christenmenschen

Textauswahl und Kommentar

von Gerhard Wehr

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche - фото 1

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.deabrufbar.

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Alle Rechte vorbehalten

Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2013

Der Text basiert auf der Ausgabe marixverlag, Wiesbaden 2011

Lektorat: Dr. Bruno Kern, Mainz

Covergestaltung: Nicole Ehlers, marixverlag GmbH

Bildnachweis: akg-images GmbH, Berlin

eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main

ISBN: 978-3-8438-0203-1

www.marixverlag.de

INHALT

I. Einleitung

1. Mystik im Protestantismus

2. Luthers Zugang zur Mystik

3. Luthers Einschätzung der Glaubensmystik

II. Die Texte

1. Die „Theologia deutsch“

2. Das Vaterunser geistlich beten

3. Zu den 95 Thesen

4. Meditation des Leidens Christi zur Selbsterkenntnis

5. „Magnificat“ – Der Lobgesang der Maria

6. „Von der Freiheit eines Christenmenschen“

7. Luther gegen die „Spiritualisten“

8. Elemente der Brautmystik

9. Zeugnisse spiritueller Erfahrung und mystischer Theologie

10. Luthers meditatives Leben

III. Stimmen und Zeugnisse zu Martin Luther

IV. Zeittafel

Literatur

Benutzte Werkausgaben

Sekundärliteratur

I. EINLEITUNG

1. MYSTIK IM PROTESTANTISMUS

War Martin Luther ein Mystiker? Wie passt sein von spektakulären Ereignissen begleiteter reformatorischer Durchbruch zu einer nach innen gekehrten Spiritualität und Frömmigkeit? Warum hat sich der Allgemeinheit die Tatsache nicht oder nur wenig vermittelt, dass das epochale Werk des Wittenberger Reformators aus mystischer Ergriffenheit hervorgewachsen ist? Denn längst weiß die Luther-Forschung von der Bedeutung, die die mittelalterliche Mystik für den Erfurter und Wittenberger Augustinermönch erlangt hatte. Mystische Schriften waren es, die auf den jungen Luther so großen Eindruck gemacht haben, dass er seine Freunde und reformatorisch gesinnten Anhänger darauf aufmerksam gemacht hat. Und seine Empfehlung hat gewirkt!

Wer sich nun nach Eigenart und Bedeutung der Mystik im Protestantismus erkundigt, stößt alsbald auf einen Widerspruch, der durch ein momentanes, seit einigen Jahrzehnten zu beobachtendes Mystikinteresse innerhalb wie außerhalb der Kirche kaum wettgemacht wird. Der Widerspruch besteht darin, dass mystische Erfahrung von vielen bald mit unklarer Schwärmerei, bald mit einer dem Wesen der Reformation widerstreitenden Geisteshaltung gleichgesetzt wird. Weit verbreitete Skepsis, Desinteresse oder generelle Ablehnung resultieren daraus, zumal hierbei auf prominente Theologen und Kirchenhistoriker verwiesen werden kann. Demzufolge ist zunächst mit einem ernüchternden Befund zu rechnen. Abgesehen davon differieren die Vorstellungen davon, was unter mystischer Frömmigkeit zu verstehen ist, erheblich. Mit bloßen Definitionen ist kaum gedient. Weiter führen biografische Porträts Kundiger sowie deren auf Erfahrung gestützte Lebenszeugnisse. Doch zuvor eine kritische Bemerkung:

Die evangelische Theologie und Kirche ist offenbar mit einer nicht unerheblichen Hypothek belastet, die nicht leicht zu tilgen sein dürfte. Lässt man die im Laufe der kirchengeschichtlichen Epochen zu Tage getretenen spirituell-mystischen Rinnsale außer Acht 1, die es auch im Protestantismus immer gegeben hat, so handelt es sich um ein spirituelles Defizit, wenn nicht gar um ein ebensolches Vakuum. Es besteht seit Jahrhunderten und dürfte, durch aufklärerisches Denken verstärkt, mit der Eigenart der reformatorischen Frömmigkeitspraxis zusammenhängen.

Hierfür einige Beispiele: Da ist etwa Adolf von Harnack (1851 – 1930), der als prominenter liberaler Theologe und Kirchenhistoriker an der Universität Berlin zu Beginn des 20. Jahrhunderts „Das Wesen des Christentums“ in seinen Umrissen gezeichnet hat. Im Lehrbuch zur Dogmengeschichte dieses weithin gerühmten Protestanten liest man: „Die Mystik ist die katholische Frömmigkeit überhaupt, soweit diese nicht bloß kirchlicher Gehorsam, d.h. fides implicita, ist.“ 2Ein Mystiker, der nicht Katholik wird, sei demzufolge bestenfalls „ein Dilettant“. Und Harnack fügt hinzu: „Die Mystik wird man niemals protestantisch machen können, ohne der Geschichte und dem Katholizismus ins Gesicht zu schlagen.“ 3Harnack meinte im Übrigen, dass ein veräußerlichtes und vereinseitigtes Verständnis der lutherischen Rechtfertigungslehre die sogenannte „katholische Mystik“ gefördert und „das evangelische Lebensideal verdunkelt“ habe. Dass Harnack mit seiner negativen Bewertung der mystischen Erfahrung auf den Schultern anderer steht, etwa auf denen von Albrecht Ritschl im 19. Jahrhundert, und dass spätere Theologen, unter ihnen der Reformierte Karl Barth (1886 – 1968) sowie solche aus dem Luthertum, gefolgt sind, können wir hier beiseite lassen. Man fürchtete gar, es handle sich um einen „Abfall von Gott“, und dass man auf diese Weise eine egozentrierte, auf „Selbsterlösung“ ausgerichtete Menschengerechtigkeit zu etablieren versuche. Man meinte in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, die reformatorisch verstandene Rechtfertigung des Gottlosen als alleinige Tat Gottes gegenüber einer angeblich von Menschen gemachten Mystik verteidigen zu müssen. 4Der Erlanger Lutheraner Paul Althaus warnte bereits vor dem Gebrauch des Wortes „Mystik“ und schrieb (1924): „Die Mystik als selbständige religiöse Lebensform ist der Todfeind biblisch-reformatorischen Christentums und durch keine Synthese mit ihm auszugleichen.“ 5In seiner Dogmatik charakterisiert er Mystik als „Aufhebung des personhaften Gegenübers von Gott und Mensch“. Vom Evangelium her gesehen stelle sie einen „Fluchtversuch vor der personhaften Wirklichkeit Gottes (dar) und aus der wahren Lage des Menschen vor ihm“ 6. Die mystische, somit die nach innen gewandte, Grundhaltung werde „durch Christus gerichtet und abgetan“. Es gelte nur das reformatorische Prinzip mit dem „sola gratia, sola fide“ (allein aus Gnaden, allein durch den Glauben). Alles andere sei widersinnige Zutat. In der Tat entspricht diese Position dem Ansatz Martin Luthers. Auf ihn meint man sich zu berufen, wenn man sich aus protestantischer Sicht skeptisch über die mystische Spiritualität äußert. Die Zahl ähnlicher Aburteilungen ließe sich vermehren.

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