Als sie nach Hause kommen, in der Abenddämmerung, finden sie Rosmarie im Glühschein des gemauerten Grills. Fleisch, Gemüse, Brot und Wein stehen bereit auf dem Tisch. Schüchterne Begrüßung seitens Rosmarie mit dem Satz: „Ich dachte, dass ihr hungrig seid.“
Rätseliger Blickaustausch zwischen Susy und Wiktor und beide denken, dass hoffentlich der andere nicht verrät, dass sie schon gegessen haben.
Rosmarie lässt sich ihre Unsicherheit nicht anmerken, belegt den Grillrost. In ihrem Rücken zucken Wiktor mit Susy die Schultern, gestikulieren augenbraunisch.
Gerade als Rosmarie sich überwunden, den vergangenen Abend zur Sprache zu bringen, ruft Susy aufgeregt: „Hey, da is‘ ´ne Katze am Teich“. Sie locken das Tier, füttern und beschmusen es, sind erleichtert, dass sie abgelenkt von einem möglichen, peinlichen Gespräch.
Es wäre ein gemütlicher, harmonischer Abend, wäre Walé nicht in den Köpfen.
Susy hält es nicht lange aus, nimmt den nächsten Schultag als Vorwand sich zu verdrücken. Auch Wiktor drängt, quengelt um Nachtruhe, mit der wahren Begründung, dass die vergangene Nacht eine zu kurze gewesen sei. Rosmarie hat begriffen, dass eine Aussprache nicht sonderlich erwünscht ist. Sie räumen nur die übrigen Lebensmittel ab, begeben sich ins Bad, besteigen fast gleichzeitig das Ehebett.
Im Dunkeln sucht Rosmarie Wiktors Hand, probiert nochmals einen Erklärungsversuch, doch Wiktor meint, sie solle sich ruhig Zeit lassen. „Lass dir ruhig Zeit, bis du soweit bist!“ Drückt freundlich ihre Hand und nach einem Seufzer „Ach ja“ dreht er ihr den Rücken zu, atmet sich tief und gleichmäßig in den Schlaf, so denkt Rosmarie. Doch Wiktor bleibt noch lange im Wachen, weiß, dass Rosmarie in grübelnden Gram liegt, er ihr nicht helfen kann.
Eine unruhige Nacht verbringt das Paar in nervöser Träumerei.
Meist erwacht er vor ihrem piepsenden Wecker, so auch heute. Doch er bleibt liegen, bereitet ihr nicht Frühstück, stellt sich schlafend. Sie quält sich aus den Federn, grummelt ins Bad. Wiktor spürt, dass sie vor ihm steht, ihn betrachtet und er würde sie gerne in die Armen nehmen, ihr gestehen, dass er alles weiß, weil er die ganze Nacht mit Walé gesprochen. Doch es ist allein ihre Geschichte, die auch von ihr erzählt werden soll, und so wälzt er sich aus ihrem Blick.
Kaum ist seine Frau aus dem Haus, verlässt er das Bett, sieht nach, ob Susy das Aufstehen geschafft hat und in der Schule ist. Ihr Bett ist leer.
In Schlafshirt und Shorts haushaltet Wiktor durch die Zimmer, bevor er die Terrasse aufräumt, so leise wie es geht, denn die Katze schläft im Gartenstuhl.
Eine Schale Milchkaffee, Honigtoast, steht auf dem Tablett, das er hinausträgt, sowie ein Schüsselchen warme Milch für die Katze, die ihr rosa Schnäuzchen rümpft, als er es vor sie stellt.
Wiktor setzt sich an den Gartenteich, schlürft selbstvergessen den Morgentrunk, sein Blick im spiegeligem Wasser, denkt an Walé, spürt die Katze neben sich, entdeckt die Bierflasche, halb versunken im Modergrund. Er ist im Begriff hineinzuwaten, da ruft das Telefon ihn ins Haus. Zweimal muss er sich zu erkennen geben, bevor Walé sich meldet.
„Hast du dich getraut?“ freut sich Wiktor.
„Wenn Rosmarie dran gewesen wäre, hätte ich aufgelegt“.
„Hey, wie hast du alles überstanden?“
„Auf eine vertrunkene Nacht, folgt bei mir eine Hühnersuppendiät.“
„Der Magen?“
„Der Magen, die Leber, Sodbrennen, hoher Blutdruck!“
„Oh, da muss ich dich mal diagnostizieren.“
„Du?“
„Hast du vergessen, dass ich Apotheker war?“
Walé kann sich nicht erinnern, deshalb lenkt er ab, fragt nach, ob Wiktor keine Beschwerden hatte.
Oh doch, aber Susy und ich waren am See, haben unsere Köpfe unter Wasser gekühlt und Pizza Diabolo für‘n Magen gespeist. Wir haben sehr an dich gedacht, aber ich beschloss, dich ausruhen zu lassen“
„Und Rosmarie?“
„Sie und wir, haben vermieden uns bisher zu bereden, aber es wird sich nicht vermeiden lassen und…“ Es schellt die Türglocke bei Walé.
„Entschuldige, es schellt die Türglocke“.
Er rätselt auf dem Wege, wer es wohl sein könnte und siedend heiß überkommt es ihn, dass es Rosmarie ist. Er fleht gen Himmel und als er die Türe vorsichtig öffnet, steht das lange, schmale Susykind vor ihm. Er ist perplex und doch erleichtert, dass es nicht ihre Mutter ist, stottert eine Begrüßung.
„D,d,d,du?“
„Ja!“
„Komm rein!“
„Danke, dass du zuhause bist, Wal!“
„Wieso hast du nicht angerufen, dass du kommst?“
„Ich hab’s mir überlegt, aber es wollte mir nix einfallen, was ich sagen soll“.
„Und jetzt?“
„Jetzt seh‘ ich dich“.
Walé nimmt ihr den Rucksack ab, betrachtet sie wohlwollend, liebstrahlenden Auges, als sie unbekümmert, neugierig die Wohnung erkundet und endlich sagt: „Du wohnst genauso wie ich‘s wusste.“
Walé ist sehr überrascht, dass er so freudig ist, obwohl er sie erst so kurz kennt.
„Als ich heute Morgen beschloss, zu dir zu gehen statt zur Schule, ließ ich mir ziemlich Zeit, nahm einen Kaffee, sonst wäre ich schon vor Acht hier gewesen. „Gott bewahre“ stöhnt Walé, doch er ist so angetan über ihren spontanen Besuch, dass er sie am liebsten abknutschen würde, lässt dies aber fein säuberlich sein, obwohl sie so süß wie lang ist.
Susy war in einem Bistro, bevor sie zu Walé kam. Milchkaffee und lieh sich eine Zigarette vom Kellner, stellte sich Walés Wohnung vor und dies berichtet sie nun.
„Erst dachte ich, du wohnst in so einer Atelierwohnung, mit n‘m großen Fenster im Dach. Dann wollte ich lieber denken, du lebst gemütlich, männerschlampig mit Antiquitäten, dann aber kam ich zu dem Bild, dass du eine Wohnung hast, die so ist wie du redest. Eine klare, witzige Wohnung mit Esprit.“
Walé ist hingerissen von dem Mädchenkind und möchte ihr die Ziegelwand zeigen. Da erinnert er sich, an Wiktor am Telefon, klärt Susy auf, dass ihr Vater am Apparat und ob sie ihn sprechen möchte, doch sie verneint energisch.
„Susy ist hier, Wiktor!“
„Waaaaaaaas?“
„Sie ist hier!“
„Gib sie mir mal!“
„Sie will nicht mit dir sprechen!“
„Egal, gib sie mir!“
Walé deutet Susy, dass er nicht weiß, was zu tun, reicht ihr den Hörer. „Papachen“
Eigentlich hat Wiktor im Sinn, Susy eine Standpauke zu halten, von wegen Schule schwänzen, doch stattdessen, fragt er sie, warum sie ihn nicht mitgenommen habe zu Walé. Beleidigt, enttäuscht klingt seine Stimme und sie empfindet nun auch, dass es nicht fair war, aber sie wusste es doch noch nicht, dass sie zu Walé geht, als sie auf dem Weg zur Schule war.
„Ich dachte, du hättest voll Schiss, Wik?“
„Aber nicht mit dir zusammen.“
Ungeduldig pendelt sie ihr Köpfchen hin und her, so dass Walé beschloss, dass Wiktor doch auch herkommen soll.
„Wal sagt, dass du kommen sollst!“
„Und wenn du mit ihm allein sein willst?“
„Dann komm ‘ich ein anderes Mal wieder!“ zickt sie.
Walé übernimmt das Telefon und bittet Wiktor doch zu kommen.
„Soll ich was mitbringen?“
„Nein, nur dich“.
„Kann ich die Katze mitbringen? Sie weicht mir den ganzen Morgen schon nicht aus dem Schatten.“
Walé fragend zu Susy, ob Wiktor die Katze mitbringen wolle. Sie verdreht die Augen ins Weiße und Walé findet er soll die Mieze ruhig mitbringen. Wiktor meint, dass es dauern könne bis zu seiner Ankunft, denn er fahre mit dem Rad, in dessen Lenkradkorb er die Katze bestens transportieren kann.
„Hat er es immer so, mit seiner Katze?“
„Ist überhaupt nicht seine. Die ist uns gestern zu gelaufen und irgendwie fühlt sie sich zu Wik hingezogen.“
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