Hans Landthaler
Der Laden
Eine außergewöhnliche Liebesgeschichte
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Inhaltsverzeichnis
Titel Hans Landthaler Der Laden Eine außergewöhnliche Liebesgeschichte Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Impressum neobooks
Bestimmte Töne von Musik hält Julia auf keinen Fall aus. Zum Beispiel wenn James Carter auf dem Tenorsaxes in einer bestimmten Höhenlage spielt. Sie zuckt zusammen, flüchtet auf meinen Schoß, damit ich ihr die Ohren zu halte; dabei bekommt das Mädchen einen Schmetterlingskuss in den Nacken. Wird die Musik wieder erträglich für sie, drückt sie ihren Hintern in langsamen, kreisenden Bewegungen gegen mich, presst ihren Rücken an meine Brust und lispelt: „S,s,Smusezeit“.
Es ist gut kühl in meinem Laden, öfter verbringe ich die Sommernächte hier, wenn in meiner Stadtwohnung die Hitze eingezogen ist. Außerdem ist es nicht so laut in der Vorstadt und ich kann gut arbeiten in dem ehemaligen Metzgerladen.
Der frühere Kundenraum ist meine Arbeitsfläche, fast ausgefüllt von dem großen, schweren Bauerntisch, den ich zum Zeichnen benutze, eine Hälfte davon, die andere ist besetzt von Farben, Stiften, Linealen, Tuschen und Tinten. Und inmitten dem Gewirre, im schwarzen Lackrahmen, eine Zeichnung im japanischen Stil – Julia, die ein säuselndes Lächeln darbietet.
Die original Fleisch- und Wursttheke steht noch vor dem Hackstock, die Waage so wie der große elektrische Fleischwolf, durch den ich alles drehe, was ich klein haben will. Dieser längliche Raum hinter der Theke ist die Küche, mit der imposanten Nirostaspüle, dem Gasherd und der Thekenplatte, eine riesige Arbeitsfläche. In der gekühlten Glasvitrine – vor der die Kunden standen – liegen meine Weißweine und alles, was sonst noch kalt bleiben soll.
Mit allem Inventar habe ich diese drei Räume erstanden, zählt man den Kühlraum dazu. Das ehemalige Büro, der einzige Raum, der nicht gefliest ist, wurde mein Schlafzimmer, in dem das aus- und einladende Ehebett steht. Das Einzige, was mir aus meiner geschiedenen Ehe blieb. Von dort aus führt eine Türe hinaus ins Freie, auf einen Grünstreifen zwischen den Häusern – mein Garten mit Sonnenschirm, Bistrotisch und Stühlchen, Liegen. Natürlich habe ich hier und dort etwas angepflanzt. Julia Rosen, die für mich unverständlich prächtigen, obwohl sie nichts für sie tut. Sie beschneidet sie nicht einmal. Sie sagt in blümeranter Naivität: „In der Natur wird auch nichts beschnitten!“.
Der von oben bis unten geflieste Verkaufsraum – mein Studio – hat eine knallharte Akustik, somit geradezu geeignet für Sax’musik. Dazu passt ausgezeichnet dieser trockene Riesling Stich den Buben aus Umweg in Baden, der Dauergast in meiner Kühltheke.
Mir macht es so einen Spaß, wenn Julia Metzgereifachverkäuferin spielt.
Das zu sehen, ist wahrlich köstlich: Wie sie die Hände reibt vor scheinbarer Kälte, gelangweilten Blickes mich ignorierend stehen lässt, bevor sie herablassend nach meinen Wünschen fragt. „Was darf es s,sein der Herr, s,schöne Brüstchen hätten wir heute“ – lüpft ihre Bluse und zwei rosa Äuglein blicken treuherzig hervor. „Oder wie wär’s mit einem s,Schinken, s,saftig, frisch?“ und lässt mich ihr Popöchen sehen. Und diese Szene ist so absurd, denn Julia ist mager wie Karl Valentin es war. Doch dann wird es ernst und sie muss fragen: „Oder soll es gar von dem großen Presssack s,sein?“ und zwitschert die S in den Presssack und ich kann lachen, weil es so lieb klingt und Julia ist dann spielbeleidigt, muss sie in den Arm nehmen, damit sie mir nun ihre eiskalten Hände unters Hemd schieben kann, jubelt, wenn ich erschreckend tue. „Mein Baby!“
***
Zu s,seinen s,Studios s,sagt er „Laden“. Er geht in den „Laden“. „Ich bin im Laden, wenn jemand fragt, komm in den Laden“! Ich bin aber lieber in s,seiner Wohnung, gerne auch alleine und höre mir Saxes an oder Trompet von Jet Baker, der singt auch so sanft. „The Touch of your lips“. „Baby Musik“ s,sagt Louis dann, „Baby Musik“, obwohl er es s,so mag, tanzt er doch danach. In Louis Wohnung tue ich, was ich will und wenn er nicht da ist, s,sowieso und Louis würde mir nie etwas untersagen, s,selbst wenn ich in den Flur kack…. Hey, diese CD von Baker heißt „Baby Breeze“. Louis s,sagt auch manchmal „Baby“ zu mir. Zu allem s,sagt er „Baby“, was klein ist. Allerdings mess' ich einen Meter neunzig, s,schlage Louis gemütlich um zwanzig Zentimeter. Er ziert s,sich, wenn ich neben ihm auf der s,Straße gehe und ist original beleidigt, lege ich ihm die Hand auf s,seinen Kopf. Ich tue es aus diesem Grund, um die feinen kleinen Haare zu s,spüren, die er noch auf dem Kopf hat, und es fliest was aus s,seinem Kopf in mich über.
Er zwingt mich nicht, keine hohen s,Schuhe zu tragen, aber er s,sagt, ein Paar müsse auch äußerlich zusammenpassen!
Louis ist gut und liebenswürdig, und wenn es das Wort menschlich nicht gäbe, würde es louisig heißen… Ah, das würde ihm gefallen und er würde s,sagen: „Das hast du s,sehr s,schön gesagt, Baby.“
Gerade, weil Louis nicht aussieht wie jeder Mann, habe ich ihn für mich gesehen. Er aber s,scheint damit unzufrieden. Er ist eitel wie ein Ziegenbock. Er s,sagt, er macht s,sich nichts aus Äußerlichkeiten, versteckt aber s,sein Bierbäuchlein, wo es nur geht, trinkt aber kein Tröpfchen weniger.
Louis mag meine Hand auf s,seinem Kopf, wenn wir im Bett liegen. Er träumt dann nix.
s,Seit dem Tag, als ich Louis kennen lernte, wohne ich bei ihm in s,seiner Wohnung, obwohl er mir an diesem Tag s,stundenlang erzählt hat, dass er s,seit s,seiner Trennung von s,seiner Frau mit niemand mehr länger als zwei Tage in der Wohnung s,sein kann. Ich weiß aber, dass er es liebend gerne hat, dass ich bei ihm bin.
Einmal habe ich mich in den Wandschrank gesetzt und war s,so für ihn nicht da. Als er nach Hause kam, lief er die Räume ab, dann rief er nach mir, dann fluchte er, wo das Luder bloß s,steckt, und s,solche s,Sachen, und endlich s,stand er vor der Flurgarderobe, vor dem s,Schrank – mir blieb das Herz s,stehen, als er s,seine Jacke hinein hing – und s,sagte laut und deutlich: „Glaube kaum, dass ich noch allein sein könnte“.
Lange habe ich mich nicht aus dem s,Schrank getraut, musste dann doch und dabei erwischt werden und Louis war s,sauer, aber nur ganz kurz… Und s,seitdem s,schimpft er, dass ich ihm diese Marotte angezüchtet habe, dass er jedes Mal in den s,Schrank s,sehen muss, wenn er glaubt, dass ich nicht da bin.
Gleich wusste ich, dass ich bei ihm bleiben werde, bei ihm und s,seiner Fertigkeit. Die Wohnung, der Laden, das Auto, seine äußere Erwachsenheit. Nicht das gemachte Nest s,suchte ich, ich s,suchte jemand, wo das Elementare vorhanden ist. Das weiß ich jetzt. Damals fühlte ich mich nur s,sofort bei ihm aufgehoben, s,sicher wie noch bei keinem anderen Menschen zuvor. Louis hat mich vom ersten Augenblick s,so s,selbstverständlich ernst genommen und gesagt: „Mach, was du willst, aber dann sei bloß zufrieden.“
Meine Eltern waren außer Rand und Band. Meine Mutter verfiel in hysterische Krämpfe, erzählte mir mein Vater, als ich an diesem Tag abends anrief um mitzuteilen, dass ich ab heute bei und mit Louis leben werde. Louis lachte, als er meinen Entschluss hörte, s,sagte dann sehr bestimmt: „Du nimmst das ernst, oder?“ s,Seitdem war dies kein Thema mehr bei uns zwei.
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