Es ist ganz schön lange ziemlich still und dann murmelt’s los von einer Seite zur anderen und eingeschenkt wird und der Vergleich zu Joni Mitchell wird diskutiert und Volker sagt zu mir: „Was hast du gemacht, dass sie all dies tut?!“ – „Ich lasse sie einfach in Ruhe“, sage ich und stürzte in die Küche und sehe sie nicht und sehe mich zweimal um…. Und es kichert hinter dem Kühlschrank hervor, und als ich auf sie zugehe, stürzt sie mit aufgeknöpftem Oberteil auf mich, schließt mich darin ein, indem sie mich fest an sich drückt und schluchzt: „Oh Gott, dass ich bei dir sein kann.“
Nun kann ich mich auch nicht mehr halten, bekomme einen regelrechten Weinkrampf, mein Gesicht liegt auf ihrem Brustschild und ich spüre ihre Tränen, die ihren Hals herabkullern, auf meiner Stirn.
„Ich liebe dich, mein Herz“, muss ich sagen und „Du bist eine Attraktion“. Und Julia sagt: „Und du bist mein Ich!“ und nun geht das Geflenne von vorne los.
Endlich können wir nun ins Wohnzimmer zurück, verheult wie die Maulwürfe und die Leute tun nicht so, als würden sie unsere Rührung nicht bemerken und belieben uns sehr rührend. Julia beteuert eins ums andere Mal, dass sie das im Auto geschrieben hat, im Auto…
Der Abend mit der Nacht war so zugeglückt, dass die Leute nun freiwillig gehen und Julia wünscht sich: „Hey, s,schlaf’ ma im Laden!“
Louis s,schläft noch!
Es ist eine s,Seltenheit, ihn s,schlafend zu s,sehen, ist er doch alleweil lange vor mir wach. Er ist bestimmt ganz s,sehr zufrieden über meinen Erfolg, ich meine, dass die Menschen gesehen haben, dass ich auch was kann. Die Quarkspeise war mehr als in Ordnung und das Lied war echt gut, weil ich es spürte. Louis ist s,so s,stolz auf mich. Während ich s,sang, habe ich ihn genau beobachtet, wie er die Leute angesehen hat, wie s,sie reagieren, und er hat mit den Tränen gekämpft. Und Papa – Papa ist aus allen Wolken gefallen; he, he, s,so hat er mich nie erlebt, wie er das der Mama erzählt!
Ich habe ruhige, s,sanfte Gitarrenmusik aufgelegt, Ottman Liebert – „Luna negra“. Louis s,schmachtet wie ein s,Schmetterlingskind (das s,schreibe ich ihm auf, das ist gut) und s,sehe ihn an in s,seiner kleinen Molligkeit, die dünnen Beine ineinander verschränkt, die hübschen Zehen, hi, hi!
Louis s,sagt, wenn ich noch lange s,seine Tagebücher lese, werde ich s,so reden wie er s,schreibt. Das s,stimmt. Mir gefällt s,seine Wortwahl und mir gefällt, dass bei ihm nichts zusammen passt. s,Seine große, bestimmende Nase passt nicht zu s,seinen s,sinnlichen Lippen, aber die harmonieren s,so gut mit s,seinen dunklen, guten Augen. Louis hat den Hals einer Frau, Louis hat die s,sensible Haut einer Frau, Louis hat die Beine einer Frau und Louis hat einen s,schönen s,Schnuffi. Louis ist weich, hat aber s,starke Hände mit großen Handrücken, die in s,schmale, s,schlanke Arme übergehen.
Ich erzähle wie Louis, echt! Louis ist unschlagbar menschlich (das s,schreibe ich ihm auf, das gefällt…). Louis hat einen kleinen, aber größeren wie ich, weichen Busen, von s,seiner ewigen Biertrinkerei.
Das war wirklich mein s,schönster Abend gestern. Ich hätte nicht gedacht, dass es s,so s,sein kann. Ich meine, dass mir die Leute gar nichts ausmachen. Bisschen beschwipst war ich s,schon, als ich s,sang. Gotti, ich hatte s,solchen Mut. Der Louis hat, glaube ich, gar nichts getrunken, fällt mir gerade ein, auf alle Fälle kein Bier, nein! Vielleicht hat er ein Glas Wein getrunken? s,Stimmt, ich habe ihn nichts trinken s,sehen, muss ihn danach fragen. Aber Papa hat getrunken und er ist auch diesmal nicht s,schlau geworden aus Louis, aber er ist einmal etwas aus s,sich herausgegangen. Louis hat Lisbeth auf ihn gehetzt. Das war das Beste.
Ich glaube ganz wirklich, dass die Leute mal gesehen haben, wie gut wir zusammen passen. Natürlich denken s,sie s,sich, weiß Gotti, was und lange wird das nicht dauern, aber es wird dauern. Es wird s,solange dauern, bis... Das denke ich nicht!
Ha, Louis hat s,so gestaunt, dass ich den Quark gemacht habe. Ich kannte das Rezept vom Kindergartenkochen. Da hat er wirklich gestaunt.
Ob Louis mir s,so ein kleines elektrisches Klavier kaufen kann?
Wieso s,schläft er s,solange, wenn er nichts getrunken hat? Verliert bisschen s,Spucke auf’s Kissen, s’ Baby.
Ich weiß, heute machen wir uns einen total faulen Tag. Wir frühstücken bestimmt beim „Juan Carlos“, dann gehen wir auf den Markt und Louis fragt dreimillionenmal: „Was magst du?“ und dann kauft er doch ein s,Suppenhuhn, und wir machen den Ausflug in die Berge und ich fahre das Auto.
***
Julia freut sich sehr auf unsere kleine Reise, denn bisher waren wir nur an Wochenenden unterwegs. Sie hat sich für diese Zeit mit Mädchenkrankheit in der Schule entschuldigt. Um sechs Uhr früh war sie heute, glaube ich, schon auf, denn als ich kurz nach sieben in die Küche kam, war Julia schon beim Bäcker und Metzger gewesen, obwohl sie nicht gerne in die Mörderbude geht. Sie hat eingekauft, als gälte es einen Schulbus voller Kinder zu versorgen.
Baguette, Brötchen, Brezel, Salzstangen und Bauernbrot. Bestimmt ein Pfund Wurstaufschnitt und ebensoviel Käse.
Rote Backen hat sie vor Hektik.
Sie schneidet Brot und Brötchen auf, bestreicht sie mit Butter, belegt sie mit Wurst oder Käs. Nebenbei kocht sie noch ein Dutzend Eier. Die Kaffeemaschine sprudelt und in der großen Kanne zieht ihr grüner Tee.
„Julia“, sage ich, „wir sind nur ein paar Stunden unterwegs, können jederzeit irgendwo einkehren!“
„Nichts da“, antwortet sie wild, „s,so gehört s,sich das zu einer Reise. Das hast du mir s,selbst erzählt!“
„Vor vierzig Jahren haben wir das so gemacht, wenn ich mit meiner Mutter im Postbus zu ihren Eltern gefahren bin“, erkläre ich ihr.
Julia sieht mich nur ungeduldig an, verpackt jedes belegte Brötchen einzeln in Alufolie. Schade um die Knusprigkeit, so werden sie nach ein paar Minuten lätschig. Aber ich werde mich hüten, etwas zu sagen. Nicht zu glauben, wie sie sich engagiert. Julia wirft alles in den großen Korb, obenauf die Tomaten, Äpfel, Bananen, Joghurtbecher und die Flasche Rotwein für mich.
Nein, ich sage nichts, auch jetzt nicht, da sie die Zwischenräume mit Besteck auffüllt, Gläser in Servietten knüllt und in die Seiten stopft.
„Bist du fertig, bist du fertig?“ ruft Julia tausendmal - und endlich sitzen wir in einem riesigen Durcheinander im Auto. „Wir hätten das in den Kofferraum tun können, Julia“. „Nein, wenn wir was brauchen, haben wir es hier!“
Als ich sie um einen Morgenkuss bitte, zischt sie: „Mann, Männer!“ und fällt mir um den Hals.
Wir sind noch nicht aus der Stadt, da verlangt sie schon einen Becher Tee und ein Käsebrötchen. Eine Sisyphusarbeit, aus den gleich aussehenden Aluknäuel ein Käsebrötchen zu finden.
Also frühstücken wir während der Fahrt. An den Ampelstopps werden wir belächelt. „Ich habe den Foto vergessen, Louis!“
„Nein, ich habe ihn in meiner Tasche.“
„…..und die Filme?“
„Die Filme auch“
„Du hast wahrscheinlich wieder alles für mich mitgenommen!“
„Alles, mein Baby“
„Gut gemacht, Alter“
Ehrlich gesagt, ich hätte nicht gedacht, dass in dieser alten Kiste noch soviel Kraft steckt. Julia fährt so gut, sie ist gelassen, doch konzentriert, nicht aggressiv, aber spritzig und sie fährt übersichtlich (vorausschauend?), frech und vor allem mit Spaß.
Julia genießt es, zu fahren. Sie trägt die rotrandige, große, alte Skisonnenbrille von mir an diesem strahlenden Sonnen-Herbst-Tag, spielt zum x-ten Mal „My funny Valentine“ von Chet Baker auf dem Autorekorder und nebenbei erfülle ich ihre Wünsche…. „Leg’ die Hand auf meinen s,Schenkel“, „leg’ noch mal ‚Bei mir bist du scheen’ von den Andrews Sisters auf“, „leg’ den Arm um mich, Louis“, „leg’ deinen Kopf in meinen s,Schoß“… Und als ich zu ihr sage: „Leg’ doch ein Ei, Baby“, lacht sie los.
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