Der Lehrer ist kein Handwerker
Eine Tatsachenerzählung von Almut Widdershoven
Für Papa
Dr. Daniel Widdershoven
1930-2014
Dies ist eine Erzählung, die auf Tatsachen fußt. Die Wahrheit ist allerdings ein subjektives Ding, zumal für Rheinländer. Alle geschilderten Ordnungswidrigkeiten sind selbstverständlich Phantasiegespinste.
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1: Gesucht – gefunden
Kapitel 2: Günstiges Parkett und ehrliche Makler
Kapitel 3: Unsere neue Küche
Info: Vorwand- und Oberputzinstallation
Kapitel 4: Nebenbei mitlaufen
Info: Gesetzliche Vorgaben und aktueller Stand der Technik
Kapitel 5: Das Schätzchen offenbart weitere Geheimnisse
Kapitel 6: Wir hätten so gern ein eigenes Ortsschild
Kapitel 7: Eine Woche voller Erlebnisse
Kapitel 8: Unser schöner Bauerngarten
Kapitel 9: Eine Frage der Statik
Kapitel 10: Moderne Heizkörper für Behaglichkeit
Kapitel 11: Pullover sind doch auch schön
Kapitel 12: Dienstbeflissene Telefondienstanbieter
Kapitel 13: Noch mehr gemeinsame Infrastruktur
Kapitel 14: Reinigung mit Hochdruck
Kapitel 15: Heterogene Gruppe von filamentösen Pilzen
Info: Der Taupunkt und atmende Wände
Kapitel 16: Windige Angelegenheit
Kapitel 17: Rasenfreude
Kapitel 18: Bleibende Erinnerungen
Kapitel 19: Unterirdisches Fernsehen
Kapitel 20: Nützlinge auf dem Dachboden
Info: Marder
Kapitel 21: Noch mehr standorttreue Nützlinge
Kapitel 22: Schwimmbad im Keller
Kapitel 23: Es lebe der Naturschutz
Kapitel 24: Sauerstoffreiche Luft
Kapitel 25: Auf den Hund gekommen
Info: Ozonisator
Kapitel 26: Mal eben kurz neu streichen
Kapitel 27: Ich bau mir ein Haus aus Styropor
Info: Kältebrücken und U-Wert
Kapitel 28: Ein Kinderspiel
Info: Dachbodenausbau
Kapitel 29: Sie haben bestimmt noch was anderes zu tun?
Info: das böse A – Asbest
Kapitel 30: Saunen leicht gemacht
Kapitel 31: Das bricht man übers Knie
Kapitel 32: Endlich fertig
Kapitel 1: Gesucht – gefunden
Es war Liebe auf den ersten Blick. Und damit meine ich nicht meinen Mann. Bis mit dem alles in trockenen Tüchern war, hatte es trotz Grundinteresses Jahre gebraucht. Nein, wovon ich rede, ist unser Haus.
Ein Hauskauf ist eine zutiefst emotionale Angelegenheit. Schließlich steht das eigene Heim sinnbildlich für den sicheren Hafen, für jenen Ort, an dem abends das Feierabendbier auf einen wartet. Und wenn man vor der Entscheidung eines Hauskaufes steht, dann geht es bei vielen Betroffenen erstaunlich wenig um so nüchterne Dinge wie die infrastrukturelle Lage oder den Grundriss. Es geht vielmehr darum, ob man sich vorstellen kann, in diesem Haus seine Kinder aufwachsen zu sehen, dort den Rest seines Lebens zu verbringen.
Zu dem Zeitpunkt, als wir uns mit dem Gedanken befassten, ein Haus zu kaufen, wohnten wir, wie es wohl fast allen angehenden Hauskäufern geht, zur Miete. In der Bonner Südstadt. Ihr wisst schon, toprenovierte Gründerzeithäuser. Ästhetisches Umfeld, Anbindung an Verkehrsmittel und an den Puls der Stadt (wenn man Bonn so nennen möchte). Die Mietkosten entsprechend hoch. Der Leitzinssatz war aber gerade niedrig. Ein Kind war schon da, ein weiteres in gedanklicher Planung. Die Aufteilung unserer Mietwohnung war nicht übermäßig günstig, den Großteil nahm ein zwölf Meter langer Flur in Anspruch. Da helfen dann auch vier Meter hohe Decken wenig. Mein Arbeitszimmer war nach Geburt des Kindes leider in ein Kinderzimmer umgewandelt worden. Es handelte sich aber sowieso nur um ein Durchgangszimmer.
Halten wir fest: Es gab keinen äußeren Zwang, diese Idylle aufzugeben, aber es war ein günstiger Moment. Außerdem: Sohn zeugen, Apfelbaum pflanzen, Haus kaufen – man kommt sowieso nicht drumrum. Also begannen wir, nach Immobilienangeboten Ausschau zu halten. Dabei kam uns zu Hilfe, dass unsere Vorstellungen nicht himmelweit auseinanderlagen.
Ich kenne ein Pärchen, die wohnen seit mehreren Jahren nur deshalb noch zur Miete in Köln-Mülheim, weil er unbedingt in seinen Heimatort zurückziehen möchte (Hürth-Fischenich, ganz klar eines der Weltzentren), während sie keine zehn Pferde dorthin bringen würden. Übrigens nicht die schlechteste Entscheidung, dann einfach in Köln zu bleiben.
Michael und ich hingegen waren uns einig über Orte, die geeignet wären, und solche, wo dies nicht der Fall war. Wir stimmten darin überein, dass der sachliche Vorschlag meines Vaters, eines der verkehrsgünstig gelegenen Satellitenstädtchen vor Köln zu nehmen, damit Michael es künftig kürzer zur Arbeit hätte, aus ästhetischen Gründen Humbug war. Mein Vater war sowieso der unverrückbaren Ansicht, überall würden Menschen wohnen, denen es gefiele, dort zu sein, wo sie wären. Also sei es überall schön.
So ein Unsinn. Ich hatte selbst zwei Jahre meines Lebens im oben bereits erwähnten Hürth-Fischenich verbracht und der einzige Trost in dieser Zeit war der Blick aus dem Fenster. Mit viel Glück konnte man hinter der Silhouette der Industrieanlagen von Wesseling nämlich das Siebengebirge erahnen. Wenn das Wetter gut genug war. Und auch nur vom Schlafzimmer aus und dann auch nur, wenn man vorher aufs Bett geklettert war. Sonst blieb einem nur der Blick aus dem anderen Fenster. Dort stand seinerzeit der blaue »Big Brother«-Container. Und da war es vermutlich selbst im Container schöner, als darauf zu blicken.
Auch verspürte ich große Erleichterung darüber, dass mein Mann, so wie ich selbst, keinerlei Drang für die Errichtung eines Neubaus verspürte. Solche Bauvorhaben kannten wir zur Genüge aus dem Bekanntenkreis. Das Ergebnis war dann meist ein zweckdienlich-hässliches Vorstadthäuschen in emotionsloser Kastenform. Wir wollten beide ein Haus, das mit dem Begriff »verbaut« umschrieben werden konnte. Wir wollten kein zweckmäßiges Betonrechteck, keinen Bungalow und kein Reihenhaus. Ich wollte einen Garten, der diesen Namen verdiente und nicht schon durch das Aufstellen eines Kaninchenstalles optisch überfrachtet wäre. Wir wollten keine Neubausiedlung.
Wir hätten nichts dagegen gehabt, ein bezahlbares Gründerzeithaus mit hohen Decken und Garten innerhalb Bonns zu finden. Entsprechende Versuche schlugen jedoch fehl. Ein schnuckeliges, nur zweigeschossiges Gründerzeithaus mit Handtuchgarten hätte in der Bonner Südstadt inklusive Renovierungsaufwand läppische eine Million Euro gekostet. Das konnten wir knicken. Anruf bei einer Maklerin: »Guten Tag, ich habe Ihre Anzeige für das Haus in der Luisenstraße gesehen. Es stand aber kein Preis dabei. Was soll es denn kosten?« Antwort der Maklerin: »Das können Sie sich sowieso nicht leisten.« Darauf ich amüsiert: »Und woher wollen Sie das so sicher wissen?« Daraufhin die Maklerin: »Wenn Sie genügend Geld hätten, würde Ihre Sekretärin für Sie anrufen und nicht Sie selbst. Auf Wiederhören.«
Das Haus in der Luisenstraße schied also aus, obgleich wir noch keine genaue Vorstellung davon hatten, was wir uns tatsächlich leisten konnten. Die beiden von uns besichtigten Gründerzeithäuser, die preislich in Frage gekommen wären, waren schlicht marode zu nennen, das war selbst uns als Laien klar. Das erste lag unmittelbar an der Stadtautobahn in Bonn-Poppelsdorf. Sein kleiner Garten hätte wohl zum Weinbau getaugt, so steil war er. Auf den Dachbalken prangte praktischerweise noch die weiße Brandschutzfarbe vom Zweiten Weltkrieg. Man weiß ja nie, wozu so etwas noch gut ist. Wir leben schließlich in unsicheren Zeiten. Dann wies die Immobilienmaklerin uns aber darauf hin, dass genau dieses Zimmer sich als Bad anbieten würde, man aber aus statischen Gründen keine Badewanne hineinstellen sollte. Meinen Gesichtsausdruck in dem Moment könnt ihr euch sicherlich vorstellen. Und bei dem anderen Haus (dessen vollbeschatteter Garten direkt an einen Schulhof grenzte) war der gesamte in den dreißiger Jahren getätigte Anbau so marode und verschimmelt, dass nur noch ein Abriss hätte helfen können. Da brachte es auch nichts, dass der Makler beherzt die Fensterrahmen aus Eiche pries, die auch noch in hundert Jahren super in Schuss sein würden. Außerdem: Es reicht, mit einem Lehrer verheiratet zu sein. Niemand braucht einen Garten, der an einen Schulhof grenzt. Selbst Lehrer brauchen in ihrer Freizeit weiß Gott keinen Schulhof.
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