Ein Amtsschimmel ist kein Rennpferd
Geschichten aus dem Amt
Antonius Mésange
Ein Amtsschimmel ist kein Rennpferd
Geschichten aus dem Amt
Impressum
Texte: © Copyright 2019 by Antonius Mésange
Umschlag: © Copyright 2019 by Antonius Mésange
Umschlagfoto: M. Großmann / pixelio.de
Verlag: Antonius Mésange
c/o Behnke & Brandhorst Hörspiele GbR
Wörthstr. 16
33607 Bielefeld
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neopubli GmbH, Berlin
„Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand. Nur werden die Ämter leider nicht von Gott vergeben.“
Gerhard Uhlenbruck
(deutscher Immunbiologe und Aphoristiker, *17.6.1929)
Über dieses Buch
Die nachfolgende Kurzgeschichte sowie auch alle noch folgenden Geschichten, basieren auf wahren Begebenheiten. Um keine Persönlichkeitsrechte zu verletzen, wurden jedoch alle Namen geändert. Auch wird das hier im Fokus stehende Amt namentlich nicht genannt. Ein gewitzter Leser mit Vorkenntnissen könnte vielleicht einige Rückschlüsse ziehen. Als Autor werde ich aber jede mir zugetragene Mutmaßung grundsätzlich leugnen – selbst dann, wenn sie wahr wäre.
Auch möchte ich er nicht unerwähnt lassen, dass ich während meine „Amtszeit“ vielen Beamten und öffentlich Angestellten begegnet bin, die die gängigen Klischees überhaupt nicht entsprachen. Sie haben mein Behördengastspiel überhaupt erst erträglich gemacht – vielen Dank dafür!
Ein Wort noch zu mir selbst. Hauptberuflich verdiene ich mein Geld mit EDV Dienstleistungen. Immer dann, wenn Kunden Unterstützung in Sachen Projektleitung, Qualitätssicherung oder IT Beratung benötigen, werden meine Dienste in Anspruch genommen. Mit anderen Worten, mein Job hat seine Daseinsberechtigung darin, dass die EDV Welt meiner Kunden nicht ideal ist. Wäre sie es, bräuchten sie mich nicht. Daher erwarte ich auch nicht, je ein perfektes Arbeitsumfeld anzutreffen. Doch trifft man erstmalig auf die Behördenwelt, erkennt man sehr bald, dass Erwartungen manchmal auch übertroffen werden können.
In diesem Sinne, viel Spaß beim Lesen!
Antonius Mésange
Das Frühstücksbrettchen
Diese kleine Geschichte wurde im Amt gern und viel erzählt, wenngleich ich sie nicht selbst miterlebt habe. Nichtsdestotrotz hat sie sich so oder so ähnlich zugetragen.
Gerhard Stommel war ein Mann der Praxis. Gern sah er die Ergebnisse seine Arbeit. Das Problem war nur, dass seine Arbeit am PC viel zu abstrakt war, als dass man nach getanem Tageswerk handfeste Ergebnisse hätte sehen können. Also suchte sich der Beamte andere Möglichkeiten, den Mangel an greifbaren Resultaten zu kompensieren. Die Hobbythek, moderiert von dem ebenso sympathischen wie quirligen Jean Pütz, war dafür genau das Richtige. Immer wieder gab es pfiffige Tipps und Anleitungen, um nützliche Dinge zu basteln, bauen oder herzustellen. Heute war es wieder soweit. Allerdings war Kollege Stommel etwas enttäuscht über das angekündigte Thema. Es ging im Kern um gesunde Ernährung. Daher war es eher unwahrscheinlich, dass diesmal handwerkliche Dinge eine Rolle spielen sollten. Er vermutete, dass es sich vorwiegend um Kochrezepte drehen würde. Das war dann doch eher die Domäne seiner Frau. Wie gravierend sich die heutige Themenwahl für ihn noch ganz persönlich auswirken sollte, ahnte er freilich nicht.
Die Sendung fing an und es ging, wie er es erwartet hatte, ums Essen. Gesunde Alternativen zum täglichen Ernährungseinerlei wurden aufgeführt und Kochrezepte vorgestellt. Stommel sah nur mit mäßigen Interesse zu, während seine rechte Hand, dem Sendungsmotto zum Trotz, immer wieder in die Schale mit Kartoffelchips griff.
Dann jedoch wurde er hellhörig. Warnte man doch plötzlich eindringlich vor Salmonellen. Ein Thema, das aufgrund einiger tragischer Todesfälle bereits seit Wochen in den Nachrichten war. So riet man beispielsweise davon ab, hölzerne Teller, wie man sie gern in italienischen Restaurants benutzte, zu verwenden. Denn in den Holzfasern konnte sich Ungesundes, eben jene Salmonellen, besonders gut einnisten. Doch gab man auch einen Rat wie man, wenn man dieses Geschirr nicht entsorgen wollte, die Teller quasi geschmacksneutral desinfizieren konnte. 30 Sekunden in die Mikrowelle und von Keimen wäre keine Spur mehr übrig. Das war, so fand er, doch mal ein nützlicher Tipp. Schließlich nutzte er im Amt ein Frühstücksbrettchen aus Holz. Gerhard Stommel wusste, was er morgen noch vor der ersten Amtshandlung tun würde. Was ein Glück, dass er vor zwei Jahren die alte Mikrowelle mit ins Büro genommen hatte.
Ohne der Sendung weiter große Aufmerksamkeit zu schenken, blieb er trotzdem bis zu ihrem Ende wach und ging schließlich zu Bett.
Pünktlich, wie an jedem Morgen, betrat er sein Büro um genau 7 Uhr 50. Er legte seinen Mantel ab, stellte seine Arbeitstasche auf den Schreibtisch, packte sein in weißes Cellophanpapier verpackte Frühstück aus, sowie die Tupperdose mit dem Mittagessen. Als Nächstes griff er nach dem bereitliegenden Frühstücksbrettchen und ging hinter seinem Stuhl zur Fensterbank. Dort stand die Mikrowelle, die er normalerweise nur für seine Mittagsmahlzeit nutzte. Diesmal jedoch legte er das Brettchen hinein und schloss die Türe des Geräts. Dann hielt er kurz inne und überlegte. Was hatten sie in der Hobbythek noch gesagt? Ach ja, 30 Sekunden bei 600 Watt. Das Problem war nur, dass der Timer des Geräts nicht mehr funktionierte. Deswegen war die Mikrowelle auch zu Hause aussortiert worden. Er musste also auf den Sekundenzeiger der Armbanduhr schauen und dann manuell ausschalten. Kein Problem. Er schaltete das Gerät ein und blieb, mit Blick auf die Uhr, davor stehen. Als erst 10 Sekunden verstrichen waren, klingelte plötzlich das Telefon. Verärgert warf Stommel einen Blick über die Schulter in Richtung Telefondisplay. Es war noch keine acht Uhr! Wer rief denn jetzt schon an? Verflixt, sein direkter Vorgesetzter. Sie waren sich eben auf dem Flur begegnet. Daher wusste sein Chef auch, dass er bereits zugegen war. In dem Fall hatte Stommel keine Wahl, und er musste an den Anruf beantworten. Vermutlich war es eh nichts Wichtiges. Stommel beschloss, die Mikrowelle einfach kurz weiterlaufen zu lassen, und ging rüber an den Apparat.
Entgegen seiner Erwartung zog sich das Gespräch jedoch und Stommel hatte trotz des brummenden Geräuschs in seinem Rücken, die Mikrowelle binnen Sekunden vergessen. Das Gerät dagegen, erinnerte sich seines Auftrags sehr gut und verrichtete unablässig weiter seinen Dienst.
Holz wird für vielerlei Eigenschaften, dass diesem Material innewohnt, geschätzt. Für den Berufsstand der Schreiner ist es essentiell und auch der Holzschnitzer weiß die leichte Verarbeitbarkeit des Naturprodukts zu schätzen. Viele Menschen schätzen Holz allein des Geruchs wegen, der sie an die natürliche Herkunft des Rohstoffs erinnert. Und nicht wenige benutzen Holz auch, um ihren Kamin damit zu befeuern.
An eben jene Brennbarkeit des Materials verschwendete Gerhard Stommel, während er bereits seit Minuten mit seinem Vorgesetzten sprach, keinerlei Gedanken. So merkte er auch nicht, was sich da hinter ihm zusammenbraute.
Zunächst wurde das Brettchen immer heißer. Schließlich hatte das Holz über die Jahre Feuchtigkeit aufgesogen. Bald darauf fing es an zu kokeln. Zunächst noch recht wenig, sodass sich der Qualm lediglich im Innern der Mikrowelle verteilte. Doch bald darauf suchte sich der zunehmende Rauch einen Weg nach draußen, welchen er auch ohne Mühe fand. Da erhitzter Qualm leichter ist als die Umgebungsluft, stieg dieser sofort nach oben und erreichte weiterhin unbemerkt die Decke des Büros.
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