Für Kleinigkeiten, wie die deutlichen Wasserflecken an einer Seite des Schlafzimmers, hatte der Makler eine gute Begründung: »Ja, die sind mir auch aufgefallen. Aber es ist ja nur eine Ecke und jetzt ist es ja trocken.« Was augenscheinlich zutraf. Also kein Grund zu klagen – der Mann wusste Bescheid.
Ich möchte nicht behaupten, dass Eichendielen, verschnörkelte Gitter, unsinnige und mehrfach veränderte Raumaufteilung, festeingebaute Sitzecken in Erkern und Sechziger-Jahre-Tapete für die Mehrheit der Bevölkerung erstrebenswert sind. Für uns aber. Es war perfekt. Und dafür brauchte es auch keine großen Worte. Als wir nach diesem ersten Besichtigungstermin zurück zu unserem Wagen gingen, fragte Michael: »Und, was meinst du?« Es reichte ein von mir Gemurmeltes: »Jetzt wird es kompliziert.«
Da die Entscheidung bereits getroffen war, wurde die Besichtigung der zweiten Hälfte des Hauses nur der Form halber vorgenommen. Von außen gesehen, handelte es sich bei unserem Juwel um ein Hinterhaus (Durchfahrtsrecht wird eingetragen), welches L-förmig inmitten seines Grundstückes von 800 qm lag.
Eine der vier Grundstücksseiten nahm die Zufahrt und die freistehende Doppelgarage ein, der Rest war Garten. Ursprünglich hatte es sich um ein Fertigbauhaus von 1958 gehandelt (wohl eines der ersten, die jemals in Deutschland gebaut worden waren), das jedoch 1961 um eine Erweiterung in Massivbauweise vergrößert worden war. Irgendwann später wurde dieses Ferienhaus dem Möbelindustriellen aus Düsseldorf zu klein und er baute auf der davorliegenden großen Gartenfläche ein weiteres Ferienhaus. Dieses dann allerdings eine Nummer größer und mit Schwimmbecken im Wohnzimmer.
Anschließend wurde durch das bisherige Esszimmer des Hinterhauses eine Trennwand gezogen und aus dem Ferienhäuschen ein Zweifamilienhaus, das der Eigentümer vermietete. Er selbst verbrachte seinen Urlaub dann im Vorderhaus. Irgendwann verstarb der Erbauer und nun wurde durch seinen Sohn beides verkauft, das Grundstück zwischen Vorder- und Hinterhaus hierzu geteilt.
Auch die zweite Haushälfte gefiel uns. Ihr Zugang erfolgte über eine überdachte Terrasse. Es gab eine Diele, eine winzige Küche, ein großes Wohnzimmer mit Solnhofener Natursteinböden, eine Halbunterkellerung mit Heizungsraum, eine repräsentative Holztreppe ins Obergeschoss und oben ein WC (mit den gleichen kleinen Fliesen auf dem Boden wie beim Haus meines Großvaters, Gott hab ihn selig, allerdings in Blau), einem Bad (in einem markanten Bordeauxrot), zwei Schlafzimmern, das eine ebenfalls mit Natursteinboden und mit Austritt auf einen Balkon. Auch hier waren alte Durchgänge verschlossen worden, hierdurch neue Zimmer mit interessanter Eckführung entstanden.
Auch hier war nichts zu sehen, was unseren Entschluss zum Wanken gebracht hätte. Ganz im Gegenteil: Der Heizkessel war erst vor drei Jahren erneuert worden. Es stellte sich zwar heraus, dass natürlich die armen Mieter, sollten wir uns zum Kauf entscheiden, von uns abgefunden werden müssten, schließlich waren sie dort schon seit fast zwanzig Jahren ansässig und dummerweise auch noch die Eltern einer ehemaligen Klassenkameradin meines Mannes – aber sie waren recht zuversichtlich, etwas anderes zu finden und dem Verkauf des Hauses nicht im Weg zu stehen.
Um vor bösen Überraschungen gefeit zu sein, vereinbarten wir noch einen dritten Besichtigungstermin. Zusammen mit meinem ältesten Bruder, denn der hatte vor kurzem erst selbst ein Haus gekauft und war handwerklich versiert, und mit einem mit ihm befreundeten Architekten. Beide nahmen das Haus genau unter die Lupe. Sie lobten die fast durchgängig vorhandene Doppelverglasung, die hochwertige Eichenholz- und Naturbodenausstattung, die stabilen und unverzogenen Holzfensterrahmen aus Eiche, den Naturschiefer an den Dachgauben, den trockenen Keller, lediglich die Verklinkerung an der Hausfront wollte ihnen aus ästhetischen Gesichtspunkten nicht so recht gefallen und sie machten sich über die oberirdische Telefonleitung lustig. Wir hatten inzwischen den Bodenrichtwert in Erfahrung gebracht und das Haus selbst war, hielt man den Bodenrichtwert neben den Gesamtpreis, fast geschenkt. Wir kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass dies ein Haus sei, in das man sofort einziehen könnte ohne große vorherige Renovierungsaufwendungen und dann peu à peu jeweils Kleinigkeiten in Schuss setzen, wenn einem denn danach war. Ihr seht, wir waren entschlossen, alles richtig zu machen. Schief ging es dann dennoch.
So eine Tapete - unbezahlbar. Kriegt man heutzutage nirgendwo mehr.
Das Gespräch mit unserer Hausbank, das Michael nach dem ersten Besichtigungstermin vereinbart hatte, war jedoch eher lala verlaufen. Als Michael zurückkam, versuchte er seine Frustration zu verbergen. Das Ganze sei gestorben, leider.
Doch nicht etwa, wie ich dann aus ihm herauskitzeln musste, weil die Hausbank uns den benötigten Kredit nicht einräumen wollte, sondern vielmehr, weil er mit der Kalkulation unserer Lebenshaltungskosten durch unsere Hausbank nicht einverstanden war. Er wollte weiterhin dreimal im Jahr für insgesamt fünf Wochen in Urlaub fahren können. Und das war mit den Belastungen, die unsere Hausbank für den Kredit berechnet hatte, einfach nicht mehr drin. Die Beraterin sei hingegen sehr nett und attraktiv gewesen und ebenfalls eine alte Klassenkameradin von ihm.
Daraufhin befasste ich mich notgedrungen mit der Thematik. Ich kam zu der Feststellung, dass die Hypothekenangebote unserer Hausbank im Vergleich zu anderen Banken wahrlich nicht der Weisheit letzter Schluss waren. Zudem hatte Michael unsere jährliche und – aufgrund von Pendlerpauschale und Absetzbarkeit der häuslichen Arbeitszimmer – sehr hohe Steuerrückzahlung und auch die damals noch existierende Eigenheimzulage nicht mit einkalkuliert. Und auch nicht in Erfahrung gebracht, wie viel Geld unsere Eltern möglicherweise bereit waren, mit beizubringen, um die benötigte Kreditsumme zu drücken.
Alles in allem kam ich zu dem Ergebnis, dass uns der Kauf sehr wohl möglich sei. Zudem verlangte die von uns auserwählte Onlinebank kein umfassendes Gutachten über das Haus und war uns schon allein deshalb sofort sympathisch. Das verringerte unseren Arbeitsaufwand beträchtlich. Und sie wies uns von sich aus auf die Möglichkeit eines KfW-Darlehens mit noch niedrigeren Zinsen hin. Was unsere Hausbank offensichtlich versäumt hatte.
Das waren die Zeiten vor dem Bankencrash infolge von faulen Immobilienkrediten. Global betrachtet kann es also durchaus Sinn machen, wenn sich eine kreditgebende Bank vor ihrer Investition das Haus, um das es geht, genau anschaut.
Kapitel 2: Günstiges Parkett und ehrliche Makler
Nachdem mit den noch vorhandenen Mietern, der Bank, dem derzeitigen Besitzer und dem Immobilienmakler alles geklärt war und der Notartermin feststand, machten wir uns Gedanken um die Renovierungen, die anstünden. Neben ein paar Eimern frischer Farbe planten wir lediglich, den abgetretenen Teppichboden in Michaels zukünftigem Arbeitszimmer und in unserem künftigen Schlafzimmer gegen Parkettboden auszutauschen.
Einzugschaos
Mittelfristig wollten wir auch den Klinker an der Stirnseite des Hauses durch Natursteine ersetzen, die Dämmung zum Dachboden hin verbessern, das Haus von außen dämmen und uns eine hochwertige Küche anschaffen. Diese Liste war jahrelang ein Quell der Heiterkeit, denn auch nach acht Jahren war davon nichts umgesetzt.
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