»Den Rest kriegt ihr auch ohne mich hin«, verkündete der Tischler und schwirrte wieder ab. Nachdem jedoch die Entfernung der Klebereste auf dem Parkettboden (denn hier war der Teppich direkt auf das Parkett geklebt worden) von Hand unter Zuhilfenahme von Holzmeißeln sich als äußert schwierig erwies, beschlossen wir, unseren ersten Einkauf im Baumarkt zu tätigen. Wir erwarben einen Elektroschaber von Bosch und mehrere Liter Abbeizer. Nach drei Stunden und etwa einem halben Quadratmeter war klar, dass wir so nicht weiterkamen. Der Abbeizer verwandelte zwar den festen Kleber in flüssigen, dieser jedoch verklebte den Elektroschaber, so dass man ständig innehalten und von Hand den gelösten Leim vom Schaber herunterpulen musste.
Es dauerte nicht lang und alles klebte voll von diesem gelösten Leim. Man selbst, die Handschuhe, die Kleidung, der Boden, der Schaber, einfach alles. Wandte man den Schaber mit zu wenig Kraft oder im zu flachen Winkel an, lösten sich die Kleberreste nicht ganz ab. Drückte man jedoch zu fest, fraß er sich ins zuvor unbeschadete Holz des Bodens. Zudem löste der Abbeizer nach einiger Zeit auch das Gehäuse des Elektroschabers auf. Das Gehäuse wurde weich und schließlich ebenso flüssig wie der abzulösende Leim. Frustriert riefen wir unseren geflüchteten Tischler an. Er kam nochmals vorbei, drückte uns zwei Spitzmeißel in die Hand und erklärte uns, zunächst müssten beim Dielenboden alle Nagelköpfe im Holz versenkt werden. Anschließend sollten wir uns eine Schleifmaschine im Baumarkt ausleihen. Und weg war er wieder.
Während wir also schon einige Tage mit zunehmend schwerem Werkzeug in der einen Haushälfte zugange waren, zogen dann auch die Mieter aus der anderen Haushälfte endlich aus. Wir konnten feststellen, dass auch in dieser Hälfte unter den hässlichen Teppichböden schöne Dielen lagen. Auch diese mit Kleberesten versehen. Also stellten wir unser ersteigertes und selbstausgebautes Parkett bei Ebay ein. Festverkaufspreis 400 Euro. Nach drei Tagen schlug ein Tischler zu. Er freute sich sehr über den ausgesprochen günstigen Preis, wollte das Parkett in seiner Werkstatt verlegen. 350 Euro Gewinn. Das war doch mal was. Vielleicht hätte ich professionell in den Handel mit gebrauchtem Parkett einsteigen sollen. Die Differenzsumme wanderte in diesem Fall dann aber sehr schnell und ungeschmälert in den Maschinenverleih des Baumarktes. Merke: Wer ein Haus hat, weiß immer, wofür er Geld ausgeben kann.
So eine Schleifmaschine ist nichts für schwache Gemüter. Sie macht höllischen Lärm, viel Staub und ist nur unter Aufbietung aller Kräfte über eine enge Wendeltreppe zu transportieren, da sie über ein Eigengewicht von etwa 100 kg verfügt und zudem alles Mögliche ist, aber nicht handlich. Was nun die Kleberreste auf dem Dielenboden anbelangte, stieß auch die Maschine an ihre Grenzen. Bis Michael feststellte, dass sie, wie der Elektroschaber auch, etwas mutiger abschleift, wenn man sie schräg hält. Was man vermutlich niemals tun sollte. Zumal wegen ihres Gewichtes. Und weil dann auf dem Boden unweigerlich Schleifspuren zu sehen sind, die auch durch weitere, gerade Schleifgänge nicht gänzlich zu entfernen sind.
Inzwischen ist das »in« und nennt sich »Vintage-Look«. Aber damals kündete das schlicht von mangelnden handwerklichen Fähigkeiten. Nun könnte man sich fragen, ob abnehmende Fähigkeiten von Handwerkern vielleicht überhaupt die wahre Ursache für das »Aus-der-Taufe-Heben« des »Vintage-Look« sind? Und aus der Unfähigkeit von heutigen Musikern rührt dann wohl die moderne Klassik. Das würde so manches erklären. Natürlich bietet es enorme Vorteile, schlampig zu arbeiten: Es geht viel schneller. Da habe ich doch letzthin einen Dielenboden gesehen, der vom Hausherrn selbst absolut makellos abgeschliffen worden war. Im Gegensatz zu unserem. Aber: Der hat da Monate dran gesessen. M-o-n-a-t-e. Also echt, dann lieber unbedingt an einem Wochenende fertig werden wollen.
An die Wände waren wir nicht gänzlich mit der Maschine herangekommen. Auch gab es verbliebene Schleifspuren vom schrägen Einsatz. Insbesondere im Schlafzimmer, wo Massen an Leim verarbeitet worden waren. Ebenfalls an der Stelle in Michaels Arbeitszimmer, wo ich den Elektroschaber so tief ins Holz gehauen hatte, dass ein sicherlich ein Zentimeter tiefes und fünf Zentimeter langes Loch im Boden verblieb. Trotzdem waren wir mit dem Ergebnis nach zwei Wochen angestrengtester Arbeit außerordentlich zufrieden. Ansonsten standen nur ein Wanddurchbruch durch eine Rigipswand inklusive Einbau einer Tür, die Entfernung einer Wandverschaltung in einer der ehemaligen Küchen, der Umzug der Küche in die bisherige Diele und das Wändestreichen an.
Kapitel 3: Unsere neue Küche
Obgleich unser Haus uns bereits wochenlange Arbeit beschert hatte, handelte es sich immer noch formal um ein Zweifamilienhaus. Wann immer wir von einer Haushälfte in die andere wollten, mussten wir das Gebäude verlassen und außen herum durch den Garten zur anderen Eingangstür gehen. Heute wissen wir, wie wahnsinnig laut, rücksichtslos und schlecht erzogen die eigenen Kinder sein können, und würden es vermutlich bei einem Zweifamilienhaus belassen. Damals hingen wir aber noch der Überzeugung an, dass eine Familie zusammen in einem Haus und ohne Trennwand leben sollte.
Um aus unserem Zweifamilienhaus also ein Einfamilienhaus werden zu lassen, benötigten wir eine Tür. Wie man mit Hilfe einer Tür aus einem Zweifamilienhaus ein Einfamilienhaus machen kann? Im gleichen Maße, wie man mit Hilfe einer Mauer aus einem Land zwei machen kann, lässt sich dieser Zustand revidieren, indem man in dieser Mauer anschließend mindestens eine Tür einbaut. In unserem Fall zwischen dem ehemaligen Esszimmer der einen Haushälfte und dem ehemaligen Wohnzimmer der anderen Haushälfte. Hierzu hatten wir eine gebrauchte Tür für einen Euro bei Ebay ersteigert und ich hatte sie bereits aus der Pfalz mit unserem Polo abgeholt. Die private Verkäuferin machte sich sichtbar Sorgen, nachdem sie das Einladen mit verfolgt hatte. Die Tür ragte hinten jedoch nicht raus, ich hatte es geschafft, sie vollständig in den Wagen zu bekommen. Allerdings saß ich auf dem Fahrersitz unter der Tür und konnte nur geduckt fahren und auf dem Beifahrersitz hatte ich ja auch noch unseren kleinen Sohn (sechs Monate alt) in seiner Babyschale liegen. Hatte aber alles gut geklappt, man ist ja IKEA-Einkäufe gewohnt, da transportiert man den Kram ja auch nicht anders nach Hause.
Verlegen der Küche. Dies ist die alte.
Den Einbau der Tür übernahm mein Vater und absolvierte ihn souverän an einem Nachmittag. Die Blitzgeschwindigkeit rief meine Bewunderung hervor. Mein Vater erklärte mir hierzu, er würde sich bei allem, was er im Haus handwerklich erledigen müsse, zu allererst fragen: »Wie bekomme ich das möglichst schnell erledigt?« und nicht etwa: »Wie wird es möglichst perfekt?« – und auch nicht: »Welches wird wohl das auf dem gesamten Markt verfügbare allerbeste Spezialwerkzeug für diesen Einsatz sein?«, sondern: »Was halte ich gerade zufällig in der Hand« beziehungsweise: »Ich hab da noch was im Keller, das könnte gehen« und »Zweikomponentenkleber geht immer.«
Da ich dank des Babys mit freier Zeiteinteilung gesegnet war und nicht zu einer Arbeit fahren musste, oblag ein Großteil der Renovierungsarbeiten mir. Zumindest dachte ich damals noch, dass die freie Zeit der Grund wäre. Die Wände gestrichen hatte ich bereits, sogar die Decken. Und auch die alte Wandverkleidung in der ehemaligen Küche entfernt. Und eine neue Rigipswand darübergesetzt und tapeziert. Ich war sehr stolz auf mich.
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