Die acht neu hinzugekommenen Pferde kamen in den Pferdestall, der eigentlich zu Dienstags Haus gehörte und die andern neun mit den fünf Fohlen blieben im alten Stall. Zunächst machte ich dienstags Stall zurecht: Stroh einstreuen, Heu in die obere Futterleiter und Wasser in vier Eimern, die ich leer habe auftreiben können vollgefüllt an die Wand gestellt. Dieselbe Arbeit machte ich auch in unserm Stall, nur dass hier auch noch ein bisschen Hafer in die Futterkrippe kam. Dann sammelte ich die Toten zusammen, nahm ihnen die Waffen ab und durchwühlte ihre Taschen, ob sich da etwas finden lässt, was eventuell auf ihre Herkunft hindeuten könnte. Bei zwei der Toten fand ich etwas, was vielleicht als Schmuck, ganz eigener Art gelten könnte, den ich aber bei gotischen Frauen und Mädchen noch nicht gesehen habe. Vielleicht ist das Beutegut von slawischen Mädchen oder Frauen? Vielleicht kann mir Dienstag dazu mehr sagen?
Meine Pfeile, die ihr Ziel getroffen haben, habe ich alle wieder im Schnee gesäubert und in der scheinenden Sonne getrocknet. Dann habe ich sie alle, die Toten, sie alle, die schon steifgefrorenen und missratenen Goten, mit dem Schubkarren an den Waldrand gefahren und tief im Schnee begraben und meinem obersten Chef oben im blauen Himmelszelt seiner Gnade und Gerechtigkeit empfohlen, die ja unendlich sein soll.
Zu Mittag hat Didilind Rühreier mit frischem Räucherspeck gemacht, den sie heute auf dem Wochenmarkt erworben hat mit einer guten Brotscheibe. Dazu hat sie einen erstklassigen Früchtetee gekocht, dessen Geschmack sie mit Sauerampfer und Süßholz noch verfeinert hat. Heute Mittag, dass war ja wieder das reinste Festtagsessen. Dann erzählte Didilind, dass sie auf der Rückfahrt vom Markt mit Janine hinten im Fond gesessen habe und da wurde über das heutige Mittagessen und die Kocherei allgemein gefachsimpelt, wie man doch mit wenigen Kleinigkeiten das Gekochte im Geschmack noch verfeinern kann. Dienstag hat heute nach dem Essen schon wieder bei Luzia den Abtrockner gespielt. Ich weiß nicht, was seit seiner Verletzung in ihn gefahren ist. In höchstem Grade, höchst apathisch wirkt der Mann, gerade so, als interessiere ihn rein gar nichts mehr. Ich glaube, er braucht eine Frau, die ehrlich und lieb wie Luzia in ihrem Getue ist. Aber wo finden wir so eine ehrliche Haut in den unruhigen Zeiten, in der jeder sein eigenes „Ich“ in den Vordergrund stellt, denn er ist bestimmt mindestens zwanzig Jahre älter als unsere kleine Luzia. Doch dann, ich meinte, er will in seine Behausung gehen. Ich nahm ihn unter den Arm und führte ihn zu nächst in den Werkraum. Hier nahm ich zwei Bohrer und eine Zange, denn ich musste ja auch hier zuerst den Knebel aus dem Schlüsselloch herausziehen, ohne das Schloss zu beschädigen. Dienstag beobachtete ganz genau mein Handeln und fragte auch bald warum ich das alles ge-macht habe? Ich versuchte ihm klar zu machen, dass Golombka und Kotschka dabei waren seinen Goldschatz ihm wegzunehmen und zu verschwinden und ich zwang sie ihn wieder herauszurücken und das Haus ohne dein Gold zu verlassen. Dass Janine als Dritte im Bunde dabei war, konnte ich ihm jetzt unmöglich erzählen! Auch dass sie, Golombka, mit den Wurfmessern voller Wut nach mir geworfen hat, sicher um auch mich zu töten, oder sich dafür zu rächen, dass Schiwka und Ronschka, wie auch immer in meine Hände gekommen sind. Eines hat mich leicht hier am Hals verletzt, die andern gingen daneben. „Die kleine Narbe kannst du auch hier bei mir am Hals sehen“, sagte ich ihm. Die Wurfmesser, die sie nach mir geworfen hat, habe ich alle zum Andenken aufgehoben. Dienstag ging im Haus ganz alleine recht langsam und in Gedanken versunken, durch alle Räume und nickte einige Male. Als er wieder herauskam, haben wir sein Häuschen abgeschlossen und gingen zu uns rüber. Hier brachte Didilind in einem Topf das Gold, dass ich damals den drei diebischen Elstern wieder abgenommen habe. Dienstag war ganz erstaunt, dass das sein ganzes Gold sein soll und fragte: „Wo Rest sein?“ Ich hob und senkte meine Schultern, als wollte ich ihm sagen, dass ich das nicht wisse. Er wollte daraufhin noch einmal in sein Häuschen gehen. Ich blieb draußen stehen, während er drinnen nach dem restlichen Gold suchte, dass er irgendwie hier an verschiedenen Stellen, die sicher nur er kannte, versteckt hat. Als er aus dem Hause trat, nickte er mich dabei anschauend, als wollte er sagen, dass alles in Ordnung ist. Als wir wieder in unserm Häuschen waren, habe ich ihm den Topf mit seinem Gold geben wollen, dass er es sich wieder sicher aufheben solle. Doch er zeigte auf Didilind, dass sie es machen solle, was sie auch heute, brav wie immer, machte. Jetzt hatte sie schon drei Töpfe, gefüllt mit Gold in ihrem Gewahrsam, von Luzia, Frieda und Frieder, die Geschwisterwaisen und jetzt von Dienstag. Doch, kaum dass wir beide fertig waren, kam Gerid ins Haus und fragte, ob er einen guten halben Sack Weizen mahlen kann? Ich konnte natürlich nichts dagegen haben, begleitete ihn aber in das Mahlhaus, denn es war mit einem Schlüssel abgeschlossen, den nur ich hatte. Hier schütteten wir den Weizen in den Mahltrichter. Dann ging er hinaus, um das Wasser des Baches in den kleinen Wassergraben umzuleiten und das kleine Wasserrad begann sich langsam zu drehen, das sich immer schneller drehte. Als er in den Mahlraum kam, wunderte er sich, dass die Mahlsteine sich noch nicht drehten. Hier zeigte ich ihm, dass die Transmission, die den Mahlstock antreibt auch noch gespannt werden muss, was er auch beim zweiten Anlauf packte. Als sich die Mahlsteine geschwind drehten, hat Gerid den Schieber ein ganz kleines bisschen geöffnet, dass nur bisschen vom Weizen aus dem Trichter zwischen die Steine fiel. Ich sagte ihm noch: „Je feiner du das Mehl haben willst, um so länger muss der Wahlgang dauern. Das heißt, je weniger Körner durchlaufen, umso feiner ist das Mehl dann!“ Und dann sagte Gerid, dass Janine heute Abend eine gute Fleischsuppe, wie sie Didilind mit Eiereinlauf öfters gekocht hat, auch kochen will. „Dass ich mich schon darauf freue, kannst du sicher verstehen; nur dass, was wir hier gerade machen, würde noch fehlen! Die Eier dazu hat sie auch heute am Markt besorgt.“ Dann zeigte ich ihm den vermeintlichen Schmuck, den einer der Toten von heute in seiner Tasche hatte und fragte ihn, ob er so etwas schon mal irgendwo, in welchem Zusammenhang auch immer, gesehen hat? Er schaute sich den Schmuck sehr genau an, wendete ihn nach allen Seiten und sagte: „Ich meine, dass die mittlere von Dienstags Frauen so etwas mal hier getragen hat! Die Räuber, die du heute getötet hast, werden doch nicht etwa die beiden Frauen auch ins Jenseits befördert haben. Ich kann mich auch täuschen; ganz sicher bin ich mir nicht!“ Für mich war das schon mal eine Warnung, den Schmuck irgend wo zu verbergen, denn letzten Endes verdächtigt Dienstag auch mich noch, dass ich die beiden umgebracht habe, aus welchen Gründen auch immer, als er verletzt darniederlag, denn ihr Schmuck ist bei mir in meiner Hosentasche. Da kam mir so der Gedanke, wie ich von allen unbemerkt in das Häuschen von Dienstag gelangen kann und da irgendwie die heute gefundenen Schmuckstücke zwischen dem Besteck verstecken kann, so dass er sie bei Gelegenheit wie ein kleines, an ihn gerichtetes Abschiedsgeschenk finden kann. Einen Universalschlüssel hab ich noch, nur müsste ich wissen, dass Dienstag, der ja jetzt wieder die ersten Gehversuche erfolgreich getan hat, so beschäftigt ist, dass er nicht nach draußen geht. Da fiel mir der Pferdestall ein! In seinem Pferdestall habe ich die 12 Pferde untergebracht, die ja zurzeit noch draußen im Schnee sind. Vielleicht gelingt es mir dann heute Abend beim Pferdeeinsperren ins Haus zu gelangen und die Schmuckstücke in der Besteckkiste zwischen dem Besteck unterzubringen, so dass es für ihn tatsächlich wie ein Abschiedsgeschenk an Dienstag aussehen mag; wie eine kleine Entschädigung für alles, was sie ihm angetan haben.
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