»Freut mich dich kennen zu lernen. Ich bin Cara!«, sagte ich.
»Cara, hübscher Name und bestimmt sehr selten. Ich hab den Namen vorher noch nie gehört!«, erklärte sie mir.
Ich schmunzelte: »Danke! Woher kommst du?«
Lana blickte mich etwas überrascht an: »Von ziemlich weit her!« Dann grinste sie: »Nun ja, vielleicht nicht ganz so weit. Meine Familie, beziehungsweise meine Oma und meine Mutter, lebt in Hamburg. Ich bin dort zur Schule gegangen und wollte eigentlich auch dort zum Studium gehen, aber irgendwie bin ich jetzt hier gelandet. Witzig nicht?«
Was sollte ich darauf antworten. Ich wollte zu einem Satz ansetzen, aber da redete sie schon weiter: »Ich rede wie ein Wasserfall, sagen meine Freunde immer. Also unterbrich mich bitte, wenn es zu viel wird.«
»Kein Problem! Ich rede manchmal auch ohne Punkt und Komma!«, fügte ich an. Lana lächelte mich an. Noch bevor wir weiter erzählen konnten, öffnete sich die Tür und der Raum leerte sich.
»Also, wollen wir reingehen?«, fragte sie.
»Ja, lass uns reingehen!«, antwortete ich. Wir begaben uns zusammen in den Raum, suchten uns einen Platz weiter vorn und warteten. Ich hatte überhaupt nicht bemerkt, dass es mittlerweile schon zehn nach war, denn kaum das wir saßen, trat der Professor in den Raum und begann mit seinen Vorbereitungen.
»Wie hieß er noch gleich?«, fragte mich Lana. Ich zuckte mit den Schultern. Darauf hatte ich bei der Vorbereitung gar nicht geachtet. Ein Mädchen, das direkt hinter uns saß, flüsterte uns zu: »Dr. Schmidt!«
Lana drehte sich kurz zu ihr um: »Danke!«
Dann notierte sie auf ihrem Block: Vorlesung, Einführung in die klassische Archäologie – Dr. Schmidt.
»So, jetzt kann es losgehen!«, sagte sie, während sie sich wieder zu mir drehte. Ich schmunzelte sie nur an, weil mir keine Zeit mehr blieb. Der Professor schloss gerade die Tür und es wurde still im Raum. Die Vorlesung war sehr interessant. Dr. Schmidt gab uns zunächst einen Einblick in die Archäologie und ihre Aufgabenfelder, erklärte uns dann den weiteren Ablauf der folgenden Vorlesungen und was er sich für den Abschluss so vorstellte. Die Vorlesung sollten alle am Ende des Semesters mit einer zweistündigen Klausur abschließen. Nachdem er sich ausführlich zu den Prüfungsmodularitäten geäußert hatte, gab er uns eine Liste mit wichtiger Literatur, die man nebenbei lesen sollte, und eine mit Handbüchern, die jeder zu Hause haben sollte. Außerdem legte er fest, dass sich unverzüglich alle das Lehrbuch zuzulegen hätten. Ein Grundwerkzeug für das Archäologiestudium, wie er dreimal betonte. Lana fing leise an zu kichern, als er beim dritten Mal auch noch den Zeigefinger erhob: »Sie müssen dieses Buch kaufen! Daran führt kein Weg vorbei!«, flüsterte sie mir leise mit verstellter Stimme zu. Ich musste mich total zusammenreißen, um nicht laut loszulachen.
Als er plötzlich sagte: »Ja, was gibt es denn?«, blieb mir fast das Herz stehen, weil ich dachte, er meinte mich. Aber das Mädchen hinter uns hatte sich gemeldet, um eine Frage zu stellen. Ich versank fast unter der Bankreihe vor Erleichterung.
»Welche Ausgabe hätten Sie denn gern?«, fragte sie.
Der Professor, sichtlich erstaunt, dass sich schon jemand vorbereitet hatte, antwortete: »Bitte nehmen Sie die diesjährige Ausgabe. Sollten Sie bereits eins besitzen, das vom vorigen Jahr stammt, ist das auch nicht weiter tragisch.« Das Mädchen hinter uns sagte nichts mehr, stattdessen schrieb sie irgendetwas auf ihr Blatt. Lana runzelte die Stirn, als wollte sie mir sagen, was macht das für einen Unterschied. Die restliche Vorlesung über berichtete Dr. Schmidt uns von den Anfängen der Archäologie und den ersten Ausgrabungen, wobei er stets jene herausragend lobte, für die er sich selbst interessierte. Nachdem er seine Vorlesung beendet hatte, wünschte er uns allen noch einen wunderschönen Tag und verschwand.
Während Lana und ich zusammenpackten, diskutierte das Mädchen hinter uns noch mit ihrer Freundin oder Banknachbarin.
»Das war ja wieder so was von klar, dass er nur die nennt. Seine Lieblinge immer schön in Vordergrund rücken«, sagte sie, während ihr ihre Nachbarin ins Wort fiel: »Das sind aber auch die größten und schönsten. Ich weiß überhaupt nicht, was du hast. Ich teile seine Meinung!« Lana stupste mich sanft am Arm und deutete mir an, dass wir lieber gehen sollten. Ich folgte ihrer Aufforderung. »Oh, Mann. Die streiten sich tatsächlich darüber, welche Ausgrabung schöner ist?«, sie fing fast an zu lachen, als sie das sagte.
»Vielleicht sind wir in drei Jahren auch so!«, erwiderte ich. Lana blieb erschrocken stehen: »Bloß nicht! Wenn das passiert, erschlag mich mit dem Lehrbuch!«
Ich musste lachen: »Dann steht am nächsten Tag in der Thüringer Zeitung: Studentin erschlägt Freundin mit Lehrbuch!«
»Das wäre die Schlagzeile!«, fügte Lana an.
Ich schüttelte den Kopf: »Unglaublich!«
Während wir uns langsam vom Hörsaal wegbewegten, fragte sie mich: »Was hast du als Nächstes?«
Ich kramte in meiner Tasche und holte den Stundenplan raus.
»Mittagspause. Wollen wir was essen gehen?«, antwortete ich.
Lana schüttelte den Kopf: »Tut mir leid. Ich hab jetzt Kunstseminar. Die sind immer von 12 bis 14 Uhr.«
»Ach so!«, antwortete ich: »Das wusste ich nicht. Mein Geschichtsseminar ist erst um zwei.«
Lana schmunzelte wieder: »Na ja, du hast ne Mittagspause und musst dafür bis um vier hierbleiben. Ich hab jetzt Seminar und geh dann heim.«
Ich nickte zustimmend: »Bis um vier. Zum Glück werde ich abgeholt, sonst wäre ich erst um halb fünf zu Hause.« Ich wusste, dass Partu es sich nicht nehmen lassen würde, mir den Fahrer zu schicken. Wenn er mich schon nicht hatte, hinbringen lassen dürfen, würde er zumindest darauf bestehen, dass man mich abholte. Und da er meinen Stundenplan, um den er mich vor ein paar Wochen gebeten hatte, bereits fein säuberlich in der Küche aufgehängt hatte, wusste er genau, wie lange ich heute hatte.
»Du wirst abgeholt?«, hackte Lana nach. Sie war sichtlich neugierig geworden.
»Ja!«, antwortete ich zunächst kurz. Ich musste erst darüber nachdenken, was ich sagen sollte: »Ich wohne zusammen mit meinem Freund in einem kleinen Häuschen, Richtung Weimar raus zu. Sein Fahrer hat heute nichts zu tun, deshalb kommt er mich abholen.«
Lana fiel fast die Kinnlade runter: »Ihr habt einen eigenen Fahrer? Wie cool ist das denn.«
Ich wurde etwas rot: »Es ist Marces’ Fahrer nicht meiner!«
»Marces ist dein Freund, nehme ich an!«, hakte sie nach. Ich nickte nur.
»So einen Freund hätte ich auch gerne. Schickes Haus, Fahrer … Habt ihr noch was?«, sagte sie schmunzelnd, während sie sich unser Haus vorzustellen schien.
»Nein!«, sagte ich und verschwieg absichtlich Partu.
»Darf ich mal vorbeikommen?«, fragte sie schließlich.
»Natürlich! Du bist jederzeit willkommen!«, antwortete ich.
»Klasse!«, sagte sie daraufhin und zückte einen Stift sowie ein Stück Papier: »Ich schreib dir meine Handynummer auf, dann können wir uns auch mal außerhalb der Uni treffen!«
Sie zerriss das Papier in der Mitte und schrieb auf die eine Hälfte ihre Nummer.
»Hier ist meine!«, den anderen Zettel hielt sie mir entgegen: »Schreib mir deine doch auf das andere Stückchen!«
Ich nahm ihr den Zettel mit ihrer Nummer ab und schrieb ihrer Aufforderung folgend die meine auf das andere.
»Super!«, sagte sie, als sie mir den Zettel abnahm, währenddessen schlug die Uhr im Haus um.
»Oh, ich muss los! Wir sehen uns dann morgen im Seminar!«, rief sie mir noch zu, während sie verschwand.
Ich setzte mich während der Mittagspause in die Cafeteria. Dort war es im Gegensatz zu draußen angenehm kühl. Das Thermometer stieg an jenem Tag bis auf 35 Grad Celsius. Eine unerträgliche Hitze. Es war nicht gerade verwunderlich, dass der Großteil der Plätze besetzt war. Nachdem ich etwas gegessen hatte, überflog ich die Liste der Handbücher. Ich vermutete, wohl nicht zu Unrecht, dass sie insgesamt ein Vermögen kosteten.
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