Sabine Hentschel
Kind der Drachen
Vernunft oder Liebe?
epubli
Sabine Hentschel wurde 1987 in der Universitätsstadt Jena geboren. Sie lebte von 2002 bis 2005 in dem kleinen Örtchen Werdau (Sachsen), wo sie wie ihre Romanfigur Cara, das Abitur an dem „Alexander von Humboldt“ Gymnasium absolvierte. Nach ihrem Abschluss ging Sabine Hentschel zurück nach Jena und studierte dort Kunstgeschichte, Archäologie und Geschichte. Bereits während ihrer Schulzeit entstanden im Rahmen des Deutsch-Leistungskurses einige bisher unveröffentlichte Gedichte Kurzgeschichten und Theaterstücke. Die Idee zu Ihrer Drachenkind-Saga kam ihr jedoch erst im Verlauf ihres Studiums. Kind der Drachen – Vernunft oder Liebe? ist das vierte Buch ihrer All Age Fantasy Saga. Derzeit arbeitet sie eifrig an dem letzten Teil ihrer Drachenkind-Pentalogie um Cara, Marces und den anderen Drachenkindern.
Originalausgabe 2016
Copyright © des Gesamtwerkes: Sabine Hentschel
Illustrationen: Copyright © Sabine Hentschel
Umschlaggestaltung: Patrizia Kramer, www.p-kramer.de
Lektorat: Christin Müller und Juliane Niebling
Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
ISBN: 978-3-7418-0365-9
Weitere Informationen unter: www.sabinehentschel.de
Die Kraft der Liebe lässt
Ozeane zu Pfützen schrumpfen,
Festungsmauern zu kleinen Steinen zerfallen
und eiserne Gitterstäbe sich in Luft auflösen.
Garushins düstere Worte klangen in Daamiens Ohren nach: Dann kommen wir überein, dass Cara Buradi für schuldig befunden wird. Um weitere Vorkommnisse zu vermeiden übergeben wir sie in die Obhut des Hüters Marces. Alle Entscheidungen und Belange, die sie und ihre Person betreffen, werden von ihm getroffen. Sie ist als sein Eigentum zu betrachten - Daamien schüttelte verärgert den Kopf.
»Das darf doch nicht wahr sein!«, murmelte er wütend vor sich hin, während Nerifteri mit blassem Gesicht noch immer neben ihm auf der Bank saß. Sie vermochte kein Wort mehr zu sagen. Wie konnte es nur soweit kommen? Daamien gab ihr einen sanften Kuss auf die Stirn um sie zu beruhigen.
»Was wird jetzt mit Niel?«, wandte sich Varush an ihn.
»Ich habe keine Ahnung. Wirklich. Das habe ich nicht erwartet«, antwortete Daamien leise.
»Du musst zu ihm.«, flüsterte Nerifteri plötzlich. »Du musst ihm Mut machen.«
»Kann ich dich wirklich mit Varush allein lassen?«, hakte Daamien besorgt nach. Nerifteri nickte und versuchte ein wenig zu lächeln. Sie wusste, dass Niel Daamien jetzt mehr brauchte als irgendjemand sonst.
»Gut, ich suche ihn«, erwiderte Daamien und verließ daraufhin den Saal. Während er den anderen Unsterblichen durch die engen, dunklen Gänge zu den Treppen folgte, blickte er sich suchend nach Garushin um, in der Hoffnung, dass dieser wusste, wo man Niel hingebracht hatte. Ganz am Ende des Ganges konnte er ihn schließlich ausmachen.
»Garushin!« Aber Garushin reagierte nicht.
»Garushin!«, rief er erneut und blieb hartnäckig an ihm dran. Erst in dem Moment, als beide die Treppe erreichten, wandte sich Garushin zu ihm um. »Daamien, ich habe nicht viel Zeit. Ich habe noch andere Verpflichtungen. Was gibt es denn?«
»Wenn du erlaubst, würde ich gern noch einmal mit Niel reden, bevor wir abreisen«, antwortete Daamien ruhig und besonnen.
Garushin verzog kurz die Mundwinkel, ließ ihn aber gewähren. »Du hast meine Erlaubnis. Frag Tamilia, wo sie ihn untergebracht hat.«
Dann wandte er sich von Daamien ab und ließ ihn allein zurück. Daamien verbeugte sich, bevor er, über die Unsterblichen blickend, nach Tamilia Ausschau hielt. Der Großteil der Unsterblichen schien froh darüber zu sein, die Insel endlich wieder verlassen zu können. Sie drängten in Strömen nach draußen, als gäbe es kein Morgen. Man hatte das Gefühl, dass jederzeit eine Panik ausbrechen könnte und sie sich gegenseitig zertrampelten. Es dauerte eine Weile, bis Daamien Tamilia auf der anderen Seite des Treppenaufgangs ausmachen konnte.
»Wo ist Niel?«, rief er ihr zu. Sie reagierte zunächst nicht. Ihr mürrischer Blick zeigte ihm, dass sie sich insgeheim fragte, wieso ausgerechnet sie diese Aufgabe übernehmen musste. Sie war schließlich die Prinzessin und keine Bedienstete ihres Vaters.
»Niel ist im Kerker: dritte Ebene, rechter Turmabstieg.«,
rief sie ihm schließlich zu. »Aber du solltest dich etwas gedulden. Marces ist gerade bei ihm.«
Daamien nickte ihr dankend zu und lief hinunter zum Kerker. Weit kam er allerdings nicht. Darvu hielt ihn auf der ersten Eben auf und versperrte ihm den Weg. »Der Hüter ist bei dem Gefangenen. Er hat angeordnet, dass niemand sie stören darf. Nicht einmal Garushin.« Daamien runzelte verärgert die Stirn. Was sollte das?
Was hatte Marces bloß vor?
Er lief daraufhin schnellen Schrittes wieder nach oben zum Saal und suchte nach Varush und Nerifteri. In dem Gedrängel gestaltete sich das Ganze gar nicht so einfach. Er blickte sich mehrmals um. Die Vampire rempelten links und rechts an ihm vorbei. Man konnte ihre Abneigung ihm gegenüber im Raum spüren. Daamien versuchte sie so gut er konnte zu ignorieren. Er wusste, dass er sich von ihnen nicht aus der Reserve locken lassen durfte.
»Vater! Hier sind wir!«, rief ihm Varush zu, der seinen Vater von oben bereits entdeckt hatte. Er stand auf einem der Treppenabsätze und unterhielt sich mit seiner Mutter, Geremon und Tassi. Tassi schien sichtlich besorgt. Bei jedem Satz schüttelte sie ungläubig den Kopf.
Daamien trat zu ihnen und ergriff energisch den Arm seines Sohnes. Dann flüsterte er ihm ins Ohr: »Bring deine Mutter sofort nach Hause. Dann gehst du mit Andal zum Haus der Vampire und holst die anderen Drachen. Wenn irgendjemand versucht dich aufzuhalten, halt ihnen die Erklärung des Konzils vor. Sie sind alle mit dem Ende des Konzils freigesprochen. Eine Kopie dieser Erklärung liegt auf meinem Schreibtisch. Hol sie dir vorher. Ich werde ihnen erklären was passiert ist, wenn ich zurück bin.«
»Was ist los?«, hakte Nerifteri verunsichert nach.
Daamien gab ihr einen kurzen Kuss. »Ich bin mir nicht sicher. Sie lassen mich nicht zu Niel. Marces soll gerade bei ihm sein.«
Dann wandte er sich wieder an Varush: »Geht jetzt! Ihr müsst euch beeilen.«
Varush nahm sofort die Hand seiner Mutter und lief ohne ein weiteres Wort zu sagen, mit ihr davon.
Daamien blickte ihnen traurig nach und murmelte dabei in sich hinein: »Irgendwas stimmt hier nicht.«
Tassi sah ihn besorgt an. »Was meinst du, Daamien? Wo ist Cara? Wie geht es Niel?«
»Gilion hat Cara weggebracht. Ich nehme an, man hat sie in Marces’ Zimmer eingesperrt. Zu Niel lässt man mich im Moment nicht«, antwortete Daamien leise.
»Das ist nicht fair. Wir hatten gegen eine Bestrafung der beiden gestimmt«, fügte Tassi traurig an.
»Wie meinst du das?«, hakte Daamien verdutzt nach.
Tassi seufzte. Sie wusste ja selbst nicht so recht, wie sie das erklären sollte. Sie konnte es immer noch nicht fassen. Aber wenn sie an den Morgen und die Abstimmung dachte, musste sie traurig den Kopf schütteln. Sie hatten lange diskutiert, geredet und versucht zu vermitteln. Aber der Großteil der Trolle war entweder so stur, dass es ihnen egal war, was passierte – sie würden ja schließlich länger leben als alle anderen – oder hatten einfach nur Angst vor Garushins Macht und seiner Vergeltung. Tassi blickte nachdenklich über die Unsterblichen.
Was war bloß aus ihnen geworden? Was hatte die Zeit aus ihnen gemacht?
»Es gab eine ziemlich heftige Debatte heute Morgen. Die meisten Trolle scheinen zu viel Angst vor Garushin zu haben. Nur deshalb kam es zu dieser Entscheidung. Unsere Stimmen haben nicht ausgereicht«, erklärte Geremon schließlich.
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