Jedes einzelne Lebewesen hat den aufrichtigen Wunsch, jedes Leiden und alle Probleme für immer zu vermeiden. Normalerweise versuchen wir diesen Wunsch zu erfüllen, indem wir äußere Methoden anwenden. Doch wie erfolgreich wir aus weltlicher Sicht auch sind, wie reich an materiellen Gütern, wie mächtig oder wie respektiert wir auch sein mögen, wir werden niemals die beständige Befreiung von Leiden und Problemen finden. Leiden, Schmerz, Unglück und Probleme existieren nicht außerhalb des Geistes. Es sind unangenehme Gefühle und Gefühle sind Geistesarten. Nur indem wir unseren Geist umwandeln, können wir Leiden und Probleme für immer ausmerzen. Die Methode, wie dies zu erreichen ist, wird klar in Shantidevas Leitfaden erklärt.
In Wirklichkeit entstehen alle Probleme, die wir tagtäglich erleben, aus unserer Selbstwertschätzung und dem Festhalten am Selbst, Fehlvorstellungen, die unsere eigene Wichtigkeit übertreiben. Da wir dies jedoch nicht verstehen, geben wir normalerweise anderen die Schuld für unsere Probleme und das macht sie nur noch schlimmer. Aus diesen zwei grundlegenden Fehlvorstellungen entstehen alle unsere anderen Verblendungen wie Wut und Anhaftung, die bewirken, dass wir endlos Probleme haben. Wir können alle diese Probleme lösen, indem wir die Anleitungen dieses Buches aufrichtig üben. Zumindest sollten wir aus jedem Kapitel die Verse auswendig lernen, die wir am hilfreichsten finden, und immer wieder über ihre Bedeutung nachdenken, bis unser Geist friedvoll und positiv wird. Dann sollten wir diesen friedvollen Geisteszustand Tag und Nacht ohne Unterbrechung aufrechterhalten. Wenn wir so vorgehen, werden wir ein glückliches und sinnvolles Leben führen.
Wir sollten dieses Buch mit einem glücklichen Geist, frei von Ablenkungen und negativen Sichtweisen lesen. Außerdem ist es sehr wichtig, unser Verständnis des Leitfaden für die Lebensweise eines Bodhisattva durch das Studium von Kommentaren wie Sinnvoll zu betrachten zu verbessern. Durch aufrichtiges Umsetzen dieser Anleitungen können wir unsere gewöhnlichen, selbstbezogenen Absichten in das erhabenste gute Herz, unsere gewöhnliche, verwirrte Sichtweise in tiefgründige Weisheit und unsere gewöhnliche Lebensweise in die Lebensweise eines Bodhisattva umwandeln. Auf diese Weise erreichen wir den höchsten inneren Frieden der Erleuchtung, was der eigentliche Sinn unseres menschlichen Lebens ist.
Geshe Kelsang Gyatso
USA
April 2002
Sanskrit:
Bodhisattvacharyavatara
Tibetisch:
Jang chub sem pai chö pa la jug pa
Englisch:
Guide to the Bodhisattva’s Way of Life
Deutsch:
Leitfaden für die Lebensweise eines Bodhisattva
1. Kapitel Eine Erklärung des Nutzens von Bodhichitta
Während alle anderen Tugenden wie ein Bananenbaum sind,
Insofern sie sich erschöpfen, wenn sie einmal Früchte tragen,
Erschöpft sich der beständige himmlische Baum des Bodhichitta nicht,
Sondern wächst mit dem Tragen von Früchten an.
Ehrerbietung an die erleuchteten Buddhas und Bodhisattvas.
(1) Ich verbeuge mich vor den erleuchteten Buddhas, die den Wahrheitskörper haben,
Und vor den Bodhisattvas und allen anderen Objekten der Verbeugung.
Ich werde in Übereinstimmung mit den Schriften kurz erklären,
Wie man die zusammengefassten Übungen des Bodhisattva ausführt.
(2) Hier steht nichts, das nicht schon einmal erklärt worden wäre,
Und ich habe keine besonderen schriftstellerischen Fähigkeiten.
Ich schreibe dies, um anderen von Nutzen zu sein
Und damit mein Geist damit vertraut bleibt.
(3) Somit könnten die Kraft meines Vertrauens und meine tugendhaften Verwirklichungen
Dadurch für eine Weile zunehmen.
Und vielleicht finden auch andere, die genauso großes Glück haben wie ich,
Dass dies sinnvoll zu betrachten ist.
(4) Dieses kostbare menschliche Leben, so schwer zu finden,
Bietet den Lebewesen das endgültige Ziel.
Wenn wir uns nicht bemühen, jetzt dieses Ziel zu erreichen,
Wie sollte eine solch kostbare Gelegenheit erneut entstehen?
(5) Genau wie ein Blitzschlag in einer dunklen, bewölkten Nacht
Alles für einen kurzen Augenblick erhellt,
So entsteht durch die Kraft der Segnungen Buddhas
In den Weltlichen gelegentlich und für kurze Zeit eine tugendhafte Absicht.
(6) So sind, während unsere Tugenden meist schwach sind,
Unsere Nichttugenden äußerst stark und furchterregend.
Welche Tugend außer Bodhichitta, ein mitfühlender Geist, der die Erleuchtung wünscht,
Kann die schlimmsten Übel überwinden?
(7) Die Fähigen, die Buddhas, die viele Äonen lang darüber nachdachten,
Haben alle erkannt, dass Bodhichitta am nützlichsten ist,
Weil zahllose Massen von Lebewesen durch ihn
Mit Leichtigkeit die höchste Glückseligkeit der Erleuchtung erlangen können.
(8) Wer sein eigenes Leiden zerstören möchte,
Wer das Leiden anderer vertreiben möchte,
Und wer viel Glück erfahren möchte,
Sollte niemals die Praxis von Bodhichitta aufgeben.
(9) Sobald Bodhichitta erzeugt wird,
Sogar in bedauernswerten Wesen, die im Gefängnis Samsaras gefesselt sind,
Werden sie zu Bodhisattvas, «einem Sohn oder einer Tochter des Buddha»,
Und sind der Verehrung durch Menschen und weltliche Götter würdig.
(10) Genau wie das höchste Elixier, das zu Gold verwandelt,
Kann Bodhichitta diesen unreinen Körper, den wir angenommen haben,
In das unbezahlbare Juwel der Form eines Buddha verwandeln,
Bewahrt deshalb beharrlich Bodhichitta.
(11) Da die grenzenlose Weisheit Buddhas, des alleinigen Steuermanns der Lebewesen,
Durch gründliche Untersuchung seine Kostbarkeit erkannt hat,
Sollten diejenigen, die frei von den Leiden Samsaras sein möchten,
Beharrlich den kostbaren Geist des Bodhichitta bewahren.
(12) Während alle anderen Tugenden wie ein Bananenbaum sind,
Insofern sie sich erschöpfen, wenn sie einmal Früchte tragen,
Erschöpft sich der beständige himmlische Baum des Bodhichitta nicht,
Sondern wächst mit dem Tragen von Früchten an.
(13) So wie diejenigen, die große Furcht haben, sich auf einen Mutigen verlassen,
Werden diejenigen, die sich auf Bodhichitta verlassen, sofort von den Gefahren befreit,
Selbst wenn sie unerträglich Böses begangen haben.
Weshalb also vertrauen die Gewissenhaften nicht auf ihn?
(14) So wie das Feuer am Ende des Äons
Verzehrt er in einem Augenblick vollständig alles große Übel.
Seinen grenzenlosen Nutzen erklärte der weise Beschützer Maitreya
Dem Bodhisattva Sudhana.
(15) Kurzum solltet ihr wissen,
Dass es zwei Arten von Bodhichitta gibt:
Der Geist, der die Erleuchtung beobachtet und anstrebt,
Und der Geist, der die Erleuchtung beobachtet und ausübt.
(16) So wie man den Unterschied zwischen dem Wunsch zu gehen
Und dem eigentlichen Gehen versteht,
So sollten die Weisen entsprechend
Den Unterschied zwischen diesen beiden Bodhichittas verstehen.
(17) Aus dem Geist, der Erleuchtung anstrebt,
Entstehen großartige Wirkungen noch in Samsara.
Aber es folgt kein ununterbrochener Strom an Glück,
Wie aus dem ausübenden Geist.
(18) Denn wer immer den ausübenden Geist des Bodhichitta annimmt,
Mit der Absicht, sich niemals
Von der vollständigen Befreiung
Der zahllosen Lebewesen in allen Bereichen abzuwenden,
(19) Für den werden von dieser Zeit an,
Selbst im Schlaf oder wenn er scheinbar unbesorgt ist,
Unermessliche und kraftvolle Verdienste entstehen, gleich dem Raum,
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