Unwillkürlich duckte sich der Schmiedjunge und hob die Hände vor sein Gesicht. Heiß und unerbittlich rollten die Flammen auf ihn zu. Doch statt ihn zu versengen, trafen sie das Schwert, welches das Feuer mit einem Knistern absorbierte. Schreiend ließ Fengur die Waffe los. Von der Spitze bis zum Griff glühte die Klinge in dunklem Rot.
„Heb sie auf, du Narr, und lauf!“, brüllte Loki vom Eingang her und winkte Fengur hektisch zu.
Kurzerhand streifte Fengur seine Tunika über den Kopf, wickelte sie um den Schwertgriff und hastete los. Loki streckte ihm die Hand entgegen und half ihm gerade noch hinauf, als ein zweiter Feuerstrahl die Höhle erhellte und den Felsen über ihnen in Dunkelheit hüllte. „Danke“, keuchte Fengur und blickte erschrocken. Es knisterte und der Teil der Höhle, in dem sie standen, lag in hellem Schein. Doch es war nicht er, der brannte, es war das Schwert. Staunend hielt es Fengur vor sich. Von der Eisenklinge war nichts mehr zu sehen, an ihrer statt loderte eine Schneide aus Flammen. Loki betrachtete die Klinge beglückt. In seinem Gesicht tanzten dunkle Schatten und verliehen seinem Aussehen dämonische Züge.
„Es ist besser, als ich es mir vorgestellt habe“, flüsterte Loki fasziniert und deutete eine Berührung der Feuerklinge an.
„Ist das Eisen überhaupt noch da?“, fragte Fengur weinerlich. Schon lange beschlich ihn das Gefühl, dass er sich nicht auf das Spiel des Asen hätte einlassen dürfen.
„Allein das Aussehen dieses Schwertes wird seine Gegner in Angst und Schrecken versetzen. Niemand wird es wagen dagegen zu kämpfen!“ Loki hob beide Hände vor die Waffe. Beschwörend fuhr er seine Linien nach.
Fengurs Lippen bebten. „Welche Klinge will dieses Schwert abwehren? Es ist wertlos, eine verdammte Fackel ist es jetzt!“, schrie er verzweifelt und schleuderte das Schwert mit aller Wut und Enttäuschung davon. Die Waffe traf auf die Felswand und blieb im Stein stecken. Fengur runzelte die Stirn, während Loki begeistert die gestreckten Finger aufeinander tippte. „Zieh es raus! Zieh es raus!“, frohlockte er.
Fengur warf dem Asen einen unsicheren Blick zu und packte die Klinge. Ein metallenes Geräusch erfüllte die Höhle, dann das Knistern der Feuerklinge. Tief und breit klaffte ein Spalt im Fels.
Loki sprang vor und strich mit der Hand über die Stelle, in der die Klinge gerade noch gesteckt hatte. „Ein Schwert, das selbst Stein durchschlägt. Keine Waffe wird gegen dieses Schwert bestehen!“
Nun glaubte auch Fengur daran. Verhalten lächelte er, noch konnte er sein Glück nicht fassen.
„Rasch! Du musst es härten“, drängelte ihn Loki. Er packte Fengur und zog ihn hinter sich her aus der Höhle hinaus. Draußen angelangt deutete der Ase auf die Quelle vor ihnen.
„Es wird das Feuer löschen!“, wehrte sich Fengur.
„Es wird die Flamme darin binden. Was hilft dir ein brennendes Schwert? Du kannst es nicht in einer Scheide mit dir tragen. Härte es! Los!“
Fengur sah, dass der Ase wütend wurde und gehorchte. Mit einem lauten Zischen tauchte er das Schwert in die Quelle, die zu Brodeln und zu kochen begann. Kleine Wassertropfen stiegen auf und hüllten ihn und Loki in einen Nebel aus warmem Dampf.
Der Ase lachte euphorisch und schnappte sich das Schwert. Es war wieder zu einem gewöhnlichen Eisenschwert gewandelt. Er riss es in die Höhe und richtete es gen Himmel. Sofort stiegen die Flammen um die Klinge auf und reckten sich rauschend zu den Sternen.
„Mit diesem Schwert werde ich unbesiegbar sein!“, brüllte Loki und lachte teuflisch.
„Du? Aber es ist meins!“, rief Fengur.
„Deins? Glaubst du, ich hätte dir geholfen, damit du das Schwert erhältst? Ich habe dir gesagt, es wird dein Meisterstück werden und ich habe mein Versprechen gehalten!“
„Aber …“, schnappte Fengur.
Loki ballte die Faust vor seinem Gesicht. „Ich war bei den Nornen, Junge. Ich kenne mein Schicksal und ich werde nicht zulassen, dass es sich erfüllt. Ich lehne es ab, mich bis zum Weltenende unter eine Gift tropfende Schlange fesseln zu lassen. Mit diesem Schwert werde ich mein Schicksal ändern!“
Aus heiterem Himmel baute sich ein Mann in stattlicher Rüstung, roten Haaren und einem kurzen Bart vor ihnen auf. In seiner rechten Hand hielt er einen großen, mit Runen verzierten Hammer.
„Mir wird Angst und Bange, wenn ich dich mit dieser Waffe sehe, Loki“, sprach er den Asen an, der das Schwert ertappt hinter den Rücken nahm.
„Thooooor“, schnarrte Loki. „Was willst du denn hier?“
„Die Frage sollte besser heißen, was machst du hier“, Thor deutete mit dem Hammer auf Fengur, „und er?“
Fengur warf sich ängstlich auf die Knie.
„Er ist ein guter Junge“, erklärte Loki.
„Zweifellos. Was ist also mit dem Schwert? Zeig es!“, forderte Thor Loki auf.
„Es gehört dem Jungen. Ich wollte es nur kurz halten“, erwiderte der Feuergott.
„Das ist nicht wahr!“, begehrte Fengur auf.
„Ich finde auch, dass es anders ausgesehen hat“, stellte Thor fest. „Du brauchst kein Schwert, Loki. Deine Zunge ist spitz genug! Und du, Junge, solltest dich besser nicht mit ihm einlassen.“
Thor hielt den Hammer vor sich. Blitze zuckten durch die Nacht und erhellten den Platz, auf dem die drei standen. Ängstlich senkte Fengur den Kopf und Loki hob beschwichtigend die Hand.
„Nicht doch Thor! Es ist seins!“ Loki reichte Fengur das erkaltete Flammenschwert. Als Fengur danach griff, hob Thor den Hammer und richtete ihn auf die Waffe. Ein Blitz zuckte aus durch die Luft und traf das Schwert. Es flog hoch in den Himmel und verlor sich rasch in der Dunkelheit.
„Nein“, brüllte Loki gedehnt. Schon hatte der Donnergott den Hammer auf Fengur gerichtet. „Und du Junge, gehst jetzt besser nach Hause!“
Ehe Fengur etwas erwidern konnte, schnürte sich einer der Blitze um seine Hüften und hob ihn hoch in den Himmel. Fengur wurde übel, dann blieb ihm die Luft weg und er verlor das Bewusstsein.
Wieder waberte das Schwarz um Theas Augen, mischte sich mit den Farben der Umgebung und holte sie in die Gegenwart zurück. Die Norne nickte zufrieden.
„Das war Fengur“, erklärte sie, lächelte und legte schon wieder die Hand auf Theas Stirn. Abermals verschwand die Welt um sie. Diesmal zog es sie jedoch nicht ins Dunkel – hell und klar wölbte sich der Himmel über ihr. Thea schnupperte und zog milde Luft ein. Plötzlich erstarrte sie. Es roch nicht nach Wiese und Sonnenschein, es roch nach Blut! Rasch riss sie die Augen auf und wuchtete sogleich die Hände in die Höhe. Das auf sie zustürzende Schwert wurde von ihrer eigenen Klinge abgewehrt. Mit einem wütenden Brüllen sprang Njal vor. Sein Schwert wirbelte hoch und prasselte mit mächtigen Schlägen auf den Gegner nieder. Nur für einen Augenblick war der Feind fähig sich zu wehren, schon lag er gefallen vor Njals Füßen. Der Krieger hob den Blick und fand die Wiese von Leichnamen übersäht.
„Njal! Njal!“, rief es neben ihm.
Der Krieger drehte sich um. Staunend schoben sich seine Augenbrauen zusammen. „Juli?“
Der Mann, der ein Kettenhemd über seiner Tunika trug, schaute erkennbar verblüfft unter seinem Maskenhelm hervor. „Noch immer Trym, alter Freund. Haben dir diese Halunken den Verstand herausgeprügelt?“
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