„Ist jemand gestorben, während ich oben war oder was ist passiert? Ihr seht schrecklich aus!“
„Wir machen uns Sorgen um Martha. Es ist absolut untypisch für sie, sich nicht zu melden, wenn sie nicht kommt. Und zu Hause ist sie einfach nicht erreichbar. Selbst wenn sie ins Krankenhaus gekommen wäre, hätte sie sich gemeldet, solange sie sprechen könnte.“
„Habt ihr ihren Mann schon gefragt? Vielleicht ist sie bei ihm im Krankenhaus geblieben?“
„Im Krankenhaus wird sie wahrscheinlich nicht geblieben sein, außer, dass es ihm schlechter ging. Aber dann hätte sie von dort aus angerufen“ erklärte Laura.
„Peter hat schon genug mitgemacht. Wir sollten ihn nicht verunsichern, solange wir nichts wissen. Also kein Wort darüber zu ihm, bis wir mehr wissen. Okay?“, legte Mike fest.
„Ist eine gute Idee! Aber irgendetwas müssen wir doch machen können?“ protestierte Laura.
„Ich werde mich schon darum kümmern! Ihr genießt in der Zeit euren Frauentag und wenn ich etwas herausgefunden habe, kann ich euch anrufen. Wo soll es überhaupt hingehen?“, klärte Mike seinen Standpunkt.
„Ich dachte an Salem. Als ich nach Boston kam, beeindruckte mich Salem als Stadt und die Geschichte am meisten. Mal sehen, vielleicht lassen wir dich dann verfluchen“, lachte Laura ihn frech an.
„Wenn ich daran glauben würde, hätte ich jetzt wohl Angst. Aber ich halte nicht viel von dem Hokuspokus. Das war früher schon immer Geldmacherei und eine gute Möglichkeit ungeliebte Leute los zu werden. Und heute ist es nicht viel anders, außer dass die Hexen nicht mehr verbrannt werden, sondern auf die Männer losgelassen werden.“
Mike grinste breit übers ganze Gesicht und kostete seinen Triumph aus.
„Wie immer sehr witzig. Frieden hin oder her, aber eine Frau, die dich erträgt, muss erst noch geboren werden.“
„Ja, ja! Wer sagt überhaupt, dass ich eine haben will? Jedenfalls vielen Dank fürs Frühstück. Ich mach mich auf den Weg ins Krankenhaus.“
Donnerstag, 07.08.2008 Salem, 13:49 Uhr
Knappe 40 Minuten waren Isabella und Laura unterwegs und bis sie ihr Ziel die Stadt Salem erreichten. Viele alte, gut restaurierte Gebäude mit romanischem Baustil reihten sich aneinander und stellten so das komplette Gegenteil zu Wellington dar, der Reichen-Vorstadt, in der Laura wohnte. Die Moderne schien hier komplett an der Stadt vorbeigezogen zu sein. Sie wirkte regelrecht zurück gesetzt ins Mittelalter, als wäre die Zeit dort stehen geblieben. Es war wirklich eine beeindruckende Stadt, wie aus einer anderen Sphäre und es leuchtete Isabella ein, dass es Laura beeindruckt hatte. Laura hielt den Wagen vor einem großen alten, romanischen Gebäude. Zwei Türme umringten den pompösen Mittelteil, durch dessen Spitze sie miteinander verbunden waren. Die Frontansicht des eindrucksvollen Gebäudes wurde geprägt durch den großen Fensterbogen, der durch Sprossenstege kunstvoll verziert wurde. Unterhalb des Fensterbogens verlief der Torbogen, der wie eine Miniaturausgabe des großen Fensters zu sein schien. Zwischen dem Fenster- und Torbogen war ein Holzschild mit gelben Lettern „Salem Witch Museum“ befestigt. Selbst, wenn man das Schild nicht gesehen hätte, hätte man spätestens durch die gegenüberliegende Straßenseite das Museum entdeckt. Dort stand ein riesiger Felsblock mit einer zinnenen Hexenstatue, die auf das Museum zeigte.
„Um die Geschichte von damals zu verstehen und sie zu erleben, muss man auf jeden Fall das Salem Witch Museum gesehen haben. Es fängt um 15 Uhr eine Hexenvorstellung und Gerichtsverhandlung statt. Daher sollten wir durch unsere Verspätung auf jeden Fall dort zuerst hin. Die Stadt können wir später noch inspizieren.“
„Ich habe noch nie etwas von dem übersinnlichen Quatsch gehalten. Und die Vorstellung wird sicherlich in Englisch sein, also können wir das nicht einfach auslassen? Die Stadt scheint mir um einiges interessanter zu sein.“
„Aber genau das gehört doch zu der ganzen Stadt dazu. Gerade, weil hier nach den Hexenprozessen die Ketzerei und die Hexenverbrennungen verboten wurden, haben sich hier die übersinnlichen und magischen Dinge überhaupt ausgebreitet. Unabhängig von den ganzen Souveniershops, die sämtlichen Hexenkram verkaufen, gibt es hier Wahrsager, Hexen mit den unterschiedlichsten Zaubertränken, Karten- und Handleser und vieles mehr. Das muss man auf jeden Fall gesehen haben.“
„Und du glaubst daran?“, fragte Isabella zweifelhaft.
„Ich kenne dich und deine Fähigkeiten. Warum sollte ich dann nicht daran glauben, dass auch andere Menschen noch Fähigkeiten haben? Oder würdest du deine Gabe auch als Humbug abtun?“
„Nein, aber ich spiele anderen auch nichts vor und knöpfe ihnen kein Geld ab!“
„Ich würde das nicht so einseitig wie du sehen. Ich habe auch ein Gespür für Inneneinrichtung und Marketing und verkaufe meinen Ratschlag auch an andere. Das ist das gleiche. Und du wirst bezahlt, dass du die Kinder betreust und förderst. Also ein ganz normaler Beruf, der eben gewissen Fähigkeiten erfordert.“
„Man kann das sicherlich nicht so über einen Kamm scheren und mein Ding ist das sicherlich nicht. Also lass uns ein bisschen bummeln, ja?“
„Mach erst einmal deine eigene Erfahrung damit, dass du dir auch ein Urteil erlauben kannst“, provozierte sie Laura.
„Das brauche ich sicherlich nicht.“
„Doch und Lady Kara ist in diesem Gebiet einfach unschlagbar. Du wirst sie aber selbst noch kennenlernen. Ich habe für später einen Termin vereinbart.“
„Du hast was gemacht?“ fragte Isabella lauter, als beabsichtigt. Aber schon alleine die Tatsache, dass Laura ohne sie zu fragen derartige Termine ausmachte, brachte sie aus der Fassung.
„Rege dich doch nicht so auf. Du verschließt dich vor jeden und lässt niemanden an deine Probleme heran. Selbst mir wirst du nur die Hälfte erzählen, von dem was passiert war. Darauf wette ich.“
Da Isabella nicht widersprach, fühlte sich Laura in ihrer Annahme bestätigt und machte weiter.
„Dein Blick sagt mir schon alles. Für alle anderen Menschen bist du da, aber für dich selbst, willst du nichts in Anspruch nehmen. Ich kenne dich und kann mir vieles denken, aber ich kann dir nicht helfen, wenn du mir nicht sagst, was dich belastet. Und Lady Kara brauchst du nichts zu sagen. Durch ihre Gabe kann sie es sehen. Ihr seid euch sogar sehr ähnlich mit euren Begabungen, nur dass sie es akzeptiert und zum Beruf gemacht hat und du immer noch verweigerst. Du versteckst es regelrecht, nur damit dich keiner als Spinner oder sonst etwas bezeichnen kann. Doch das ist falsch! Es ist vielleicht nicht gewöhnlich, aber genau das zeichnet dich als Mensch aus und macht dich zu etwas ganz Besonderem.“
„Ich wollte aber nie zu etwas Besonderem werden. Damit zu leben ist nicht so schön und aufregend, wie du dir das vorstellst. Ich sehe ganz genau, was Menschen fühlen und ich sehe ganz genau, ob sie es ehrlich meinen, oder ob sie lügen. Weißt du eigentlich wie verletzend es ist, wenn du ständig die Lügen der anderen entlarvst und du genau weißt, dass sie die netten Worte von eben nicht so meinten? Das ganze Leben ist auf Lügen aufgebaut und macht das Leben erträglicher. Durch die kleinen Lügen wird die Welt etwas verschönert, aber das bleibt mir einfach verwehrt. Ich wollte das nie und trotzdem kann ich es nicht einfach abschalten.“
„Vielleicht würde dir daher Lady Kara ganz gut tun. Sie lebt im Einklang mit ihrer Gabe und hat es hingenommen. Auf jeden Fall gehen wir nachher dort hin. Es kann dir nicht schaden, auch eine andere Meinung dazu zu hören. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ausgebucht sie überhaupt ist. Es war schwer noch einen Termin zu bekommen, also sei mir lieber dankbar.“
„Ich wäre dir dankbar, wenn ich es gewollt hätte. Aber dem ist eben nicht so! Spare dir lieber das Geld und sage den Termin wieder ab.“
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