Die Meditationen werden der Reihe nach vorgestellt, weil eine Verwirklichung ganz natürlich zur nächsten führt. Wir können jedoch den ganzen Zyklus auch wiederholt praktizieren, anstatt bei einer Meditation zu bleiben, bis wir eine vollkommene Verwirklichung erlangt haben. Denn jede Erfahrung der jeweiligen Stufe wird in Abhängigkeit von unserer Praxis der anderen Stufen vertieft.
Sich auf einen spirituellen Meister verlassen
DIE EIGENTLICHE MEDITATION
Die erste Meditation auf den Stufen des Pfades ist die Meditation, sich auf seinen spirituellen Meister zu verlassen. Diese hat zwei Teile:
1. Die Qualifikationen eines spirituellen Meisters und eines Schülers des Mahayana
2. Die eigentliche Meditation, sich auf seinen spirituellen Meister zu verlassen
DIE QUALIFIKATIONEN EINES SPIRITUELLEN MEISTERS UND EINES SCHÜLERS DES MAHAYANA
Sich auf einen spirituellen Meister verlassen wird die «Wurzel des Pfades» genannt, weil alle anderen spirituellen Verwirklichungen von Sutra und Tantra davon abhängig sind. Die vielen Äste und Früchte unserer Dharma Praxis werden durch die Wurzel des Vertrauens in unseren spirituellen Meister gestützt und genährt. So wie wir uns in unserer gewöhnlichen Ausbildung auf die Hilfe gut qualifizierter Lehrer verlassen müssen, die uns vom Kindergarten bis zum Abschluss eines Studiums an der Universität führen, so müssen wir uns auch in der spirituellen Schulung, die zur vollen Erleuchtung führt, auf einen gut qualifizierten spirituellen Meister verlassen.
Eine solch tiefe Wurzel kann nicht in aller Eile heranwachsen. Wir müssen mit jemandem bekannt werden, der alle Qualifikationen eines spirituellen Meisters hat und allmählich aufgrund seiner Unterweisungen und seines Vorbilds Vertrauen entwickeln, sodass wir uns vollkommen auf seine Führung verlassen können. Unsere Beziehung zu unserem spirituellen Meister ist die eigentliche Quelle aller spirituellen Erlangungen, weshalb wir sicher sein müssen, dass er oder sie alle notwendigen Qualifikationen hat. Es genügt nicht, dass er berühmt für seine Kenntnis des Buddhismus oder eine besonders anziehende oder charismatische Persönlichkeit ist. Selbst wenn er ein außergewöhnlich gütiger und mitfühlender Mensch ist, ist dies allein keine ausreichende Grundlage, um uns ihm vollkommen anzuvertrauen.
Ein voll qualifizierter spiritueller Meister des Mahayana ist jemand, der zehn besondere Eigenschaften hat. Diese sind laut Schmuckstück für Mahayana Sutras:
(1) Ein Geist, der durch die Praxis der moralischen Disziplin gebändigt ist
(2) Ein Geist der durch die Praxis der Konzentration friedvoll und unabgelenkt ist
(3) Vermindertes Festhalten am Selbst durch die Praxis der Weisheit
(4) Größeres Wissen als der Schüler
(5) Freude, Dharma zu lehren
(6) Ein Reichtum an Schriftenkenntnis
(7) Eine tiefe und stabile Verwirklichung der Leerheit
(8) Großes Geschick, Dharma zu erklären
(9) Mitgefühl und Liebe für die Schüler
(10) Begeisterung, Dharma zu lehren, ohne mutlos oder faul zu sein
Wenn wir nicht das Glück haben, jemanden zu kennen, der alle diese Eigenschaften hat, können wir uns auf einen spirituellen Meister verlassen, der zumindest moralische Disziplin, Konzentration und Weisheit praktiziert, Mitgefühl und Liebe für seine Schüler hat und eine Verwirklichung der Leerheit erlangt hat.
Um ein vollkommener Schüler des Mahayana zu werden, müssen wir die folgenden Qualifikationen entwickeln:
(1) Einen Geist, der ausgewogen ist, frei von starker Anhaftung an weltliche Vergnügen und starker Abneigung
(2) Die Weisheit, reine Dharma Unterweisungen, die wirklichen Nutzen bringen, von Unterweisungen zu unterscheiden, die falsch sind. Ohne diese Weisheit wird ein Schüler leicht verwirrt und in die Irre geführt, wenn er fehlerhafte Unterweisungen hört oder liest
(3) Einen starken Wunsch, Dharma zu praktizieren
(4) Großes Vertrauen und Respekt für seinen spirituellen Meister und Dharma
(5) Die Fähigkeit, Dharma ohne Faulheit oder Ablenkung zu lesen oder zu hören
Es heißt, dass die Erlangung der Erleuchtung leicht ist, wenn sich ein voll qualifizierter Mahayana Schüler vollkommen auf einen voll qualifizierten spirituellen Meister des Mahayana verlässt.
DIE EIGENTLICHE MEDITATION, SICH AUF SEINEN SPIRITUELLEN MEISTER ZU VERLASSEN
Das Ziel dieser Meditation ist, dass wir alle nichttugendhaften Geisteshaltungen überwinden, die wir möglicherweise unserem spirituellen Meister gegenüber haben, wie Gefühle der Abneigung oder Gedanken fehlenden Respektes, und dass wir die tugendhaften Geisteshaltungen des Vertrauens und Respektes fördern. Wenn wir bei der Entwicklung dieser tugendhaften Geisteszustände Erfolg haben, fahren wir mit dieser Meditation fort, um mehr und mehr mit ihnen vertraut zu werden, bis sie jederzeit in unserem Geist bleiben.
Die Meditation hat vier Teile:
1. Die Vorteile, uns vollkommen auf unseren spirituellen Meister zu verlassen
2. Die Gefahren, unsere Verpflichtung gegenüber unserem spirituellen Meister zu brechen
3. Wie wir uns auf unseren spirituellen Meister verlassen, indem wir Vertrauen und Respekt entwickeln
4. Wie wir uns auf unseren spirituellen Meister durch Handlungen des Dienens und der Hingabe verlassen
DIE VORTEILE, UNS VOLLKOMMEN AUF UNSEREN SPIRITUELLEN MEISTER ZU VERLASSEN
Um einen festen Entschluss zu fassen, uns in reiner Weise auf unseren spirituellen Meister zu verlassen, denken wir über acht wesentliche Vorteile nach:
1. Wir machen Fortschritte auf dem Weg zur Erleuchtung
2. Wir erfreuen alle Buddhas
3. Weder Dämonen noch andere bösartige Einflüsse können uns schaden
4. Wir überwinden mit Leichtigkeit unsere Fehler und Verblendungen
5. Unsere Erfahrungen und Verwirklichungen der spirituellen Ebenen und Pfade nehmen außerordentlich stark zu
6. In allen unseren zukünftigen Leben werden uns niemals spirituelle Freunde fehlen
7. Wir werden nicht in den niederen Bereichen wiedergeboren
8. Alle unsere vorübergehenden und endgültigen Wünsche werden mit Leichtigkeit erfüllt
WIR MACHEN FORTSCHRITTE AUF DEM WEG ZUR ERLEUCHTUNG
Wir meditieren:
Wenn ich mich vollkommen auf meinen spirituellen Meister verlasse, wird er oder sie mir offenbaren, was ich praktizieren muss, um volle Erleuchtung zu erlangen. Indem ich seinen Rat in die Praxis umsetze und die Verdienste und Inspirationen ernte, die aus meiner völligen Hingabe an meinen spirituellen Meister entstehen, werde ich mein Ziel schnell erreichen, noch in diesem Leben. Deshalb muss ich mich in reiner Weise auf meinen spirituellen Meister verlassen.
Wir können auch über das folgende Zitat aus den Tantras meditieren:
Wenn wir auch nur der kleinsten Haarpore unseres spirituellen Meisters Gaben darbringen, werden wir größere Verdienste ernten als durch Darbringungen an alle Buddhas und Bodhisattvas der zehn Richtungen.
Sakya Pandita sagte, dass wir eine große Menge an Verdiensten ansammeln können, wenn wir die sechs Vollkommenheiten, wie Geben und so weiter, tausend Äonen lang praktizieren; aber wir könnten die gleiche Menge an Verdiensten in einem einzigen Moment ansammeln, wenn wir uns vollständig auf unseren spirituellen Meister verlassen. Da die Ansammlung von Verdiensten die Hauptursache für den Formkörper eines Buddha ist, werden wir umso schneller den Formkörper eines Buddha erlangen, je schneller wir Verdienste ansammeln. Je mehr Verblendungen wir andererseits entwickeln, desto schneller sammeln wir Nichttugend an, was uns rasch in die niederen Bereiche bringt.
In Einhundert Verse für die Leute von Tingri sagt Phadampa Sangye, dass unser spiritueller Meister uns dort hinbringen kann, wo immer wir hingehen wollen, wenn wir uns voller Vertrauen auf ihn verlassen; und deshalb sollten wir seine Güte mit Vertrauen und Respekt erwidern. Wenn wir die Erleuchtung erlangen wollen, wird uns unser spiritueller Meister dorthin führen; wenn wir die Verwirklichung der ersten spirituellen Ebene zum Ziel haben, wird er uns dorthin führen; wenn wir Befreiung erreichen wollen, wird er uns dorthin führen; und wenn wir in einem Reinen Land oder in einem himmlischen Götterbereich wiedergeboren werden wollen, wird er uns dorthin führen. Er wird uns an jedes tugendhafte Ziel bringen, das wir uns wünschen.
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