„Ich glaube von diesem Mord, den du meinst, habe ich heute Morgen in der Zeitung gelesen. Eigentlich wollte ich sehen, ob etwas über unseren Fall drinnen steht, aber Pustekuchen. Ich bin dann über diesen Zeitungsartikel gestolpert. Das Opfer soll geradezu bestialisch zugerichtet worden sein, als wäre diese Frau von einem Tier angefallen worden.“
„Das habe ich auch gehört, leider dürfen wir in diesem Fall nicht ermitteln. Wenigstens können wir es heute etwas ruhiger angehen lassen, wir haben gestern schließlich genügend Überstunden gemacht. Wie wäre es, wenn wir heute früher aufhören, dann kannst du deine Isabell besuchen. Ich werde dich natürlich begleiten, falls sich ihr Vater doch noch entschließt, dich wieder rauszuschmeißen, dann unterstütze ich dich.“ „Das ist aber nett von dir, mit einer gewissen jungen Dame hat das wohl nichts zu tun, weswegen du mich begleiten willst?“ „Aber nicht doch, ich will dir doch nur zur Seite stehen. Wenn dann natürlich Sophie aufkreuzt, werde ich sie ablenken, damit du alleine mit Isabell sein kannst.“ „Ach Jean, wie habe ich das nur verdient, dass du immer so selbstlos bist?“
„Jetzt tu nicht so! Wer hatte dir denn die Möglichkeit gegeben, alleine mit Isabell über die Ausstellung zu wandeln, als sie hier das erste Mal auftauchte? Wer hat dir denn da den Rücken freigehalten?“ „Hm, da hast du recht, daran habe ich gar nicht mehr gedacht. In Ordnung, du kannst mitkommen, aber bitte benimm dich Sophie gegenüber.“
Die beiden nehmen sich also den Nachmittag frei und machen sich gleich auf den Weg zu Isabell in die Rue de Rivolli, vorher besorgen sie natürlich noch ein paar Blumen.
Sophie öffnet überrascht die Türe. „Hallo Albert, mit dir hatte ich erst heute Abend gerechnet.“ Als sie Jean erblickt begrüßt sie ihn ebenfalls, aber mit einem verachtenden Ton: „Oh guten Tag Herr Roussou, mit Ihnen habe ich überhaupt nicht gerechnet!“
Sie führt die beiden in den großen Salon. „Isabell ist momentan noch nicht salonfähig, sie muss sich erst noch zurechtmachen. Herr Schubert wollte sowieso nochmal mit dir sprechen, er ist in seinem Arbeitszimmer.“ Sophie führt Albert zu Herrn Schubert und lässt Jean alleine im Salon zurück, der es sich dort gemütlich macht. Unterdessen eilt Sophie zu Isabell, um ihr beim Ankleiden zu helfen.
„Schön Sie wiederzusehen Herr de Menier. Nach unserem gestrigen Gespräch, wollte ich mich nochmal in Ruhe mit Ihnen unterhalten. Ich möchte Sie auch ein bisschen besser kennenlernen. Das hätte ich eigentlich schon machen sollen, bevor ich Ihnen meinen Segen gegeben habe.“ „Ich hoffe doch, Sie haben es sich nicht anders überlegt?“ „Keine Angst, ich denke immer noch, dass Sie ein anständiger junger Mann sind, der nur das Beste für meine Tochter will. Wir hatten gestern allerdings nicht die Gelegenheit, über Sie zu sprechen. Herr de Menier, wie haben Sie vor, meiner Tochter einen gewissen Lebensstandard zu sichern?“
„Herr Schubert, ich denke, Ihnen war gestern schon klar, dass ich den Lebensstil ihrer Tochter, den sie momentan führt, nicht finanzieren kann. Ich bin ein einfacher Kommissar, der natürlich schon etwas gespart hat, aber das soll natürlich nicht für irgendwelchen Schnickschnack rausgeworfen werden. Auch wenn ich nochmal befördert werden sollte, wird es nicht reichen, sich den Lebensstil ihrer Tochter zu leisten. Ich denke, dass ich eine Frau oder sogar eine Familie ernähren kann. Wenn sie aber Bedenken haben, können Sie so einen Mann wie Hans Weber für ihre Tochter suchen.“ „Gott bewahre, so ein Mann wie Hans Weber kommt natürlich nicht in Frage, nicht für alles Geld der Welt. Ich bin auch nicht derjenige, der darauf besteht, dass sie einen reichen Mann heiraten soll. Ich bin eher darum besorgt, ob Isabell bereit ist, sich in ihrem Lebensstil für Sie einzuschränken?“
„Denken Sie, ihr sind die schönen Kleider und alles andere wichtiger wie ich? Da haben Sie ihre Tochter wohl schlecht erzogen.“ „Mein guter Herr de Menier, so etwas liegt nicht in der Macht der Eltern, das werden Sie auch noch irgendwann erfahren. Menschen können auch nicht anders, das liegt ihnen im Blut. Jetzt hat Isabell Gefühle für Sie, aber wie sieht es in ein paar Jahren aus, wenn sie sich daran zurückerinnert, wie gut sie es einmal hatte.“ „Wenn ich glauben würde, dass die Liebe von Isabell zu mir nicht stark genug ist, um alles zu überstehen, wäre ich heute wohl nicht hierhergekommen.“
„Mehr wollte ich von Ihnen auch nicht wissen. Ich wollte nur sichergehen, dass Ihnen bewusst ist, dass es auch in dieser Hinsicht Probleme geben kann. Sie brauchen keine Angst zu haben, Isabell wird so lange ich lebe auf nichts verzichten müssen. Damit müssen Sie allerdings klarkommen, nicht dass Sie dadurch gekränkt werden. Ein Mann hat ja das Bedürfnis für seine Familie alleine zu sorgen, aber wenn Sie mit Isabell zusammen sein wollen, werde ich immer da sein. Ist das ein Problem für Sie?“
„Sie setzen mich ganz schön unter Druck. Natürlich wird es ein Problem für mich sein, wenn Sie weiterhin ihre Tochter unterstützen, aber für Isabell werde ich mich mit diesem Problem arrangieren müssen.“
„Gut, damit haben wir das geklärt. Wie haben Sie ihr weiteres Vorgehen geplant?“ „Nun, Sie sagten bereits, die große Hürde liegt noch vor mir, ich muss die Feuerprobe bei ihrer wehrten Frau Gemahlin - Isabells Mutter - bestehen. Kommt ihre Frau in nächster Zeit nach Paris?“ „Da haben Sie Glück meine Frau Eleonore kommt bald, soweit sie sich wieder erholt hat. Sie erlitt einen Schwächeanfall, als man ihr von Isabells Entführung berichtete.“
„Nun, wenn ihre Frau nichts gegen eine Bindung einzuwenden hat, kann ich meine Mutter bitten mir den Ring meiner Großmutter zu schicken, damit ich Isabell einen offiziellen Antrag machen kann. Bitte behalten Sie dies alles für sich, ich möchte Isabell so gerne damit überraschen.“ „Natürlich erfährt niemand ein Wort von mir. Aber denken Sie nicht, ihre Frau Mutter sollte auch dabei sein, wenn sie Isabell den Antrag machen?“ „Das ist wahr, ich befürchte aber, dass sie nicht nach Paris kommen kann, sie wird ihren Krämerladen nicht ohne weiteres schließen können.“ „Ach für so etwas wird ihre werte Mutter alles stehen und liegen lassen. Glauben Sie mir, die steht schneller vor ihrer Tür, als Sie denken, schon allein, wenn Sie um den Ring ihrer Großmutter bitten. Ich möchte mich auch ein bisschen erkenntlich zeigen, für all das, was sie für uns getan haben. Wie wäre es, wenn ich ihre Mutter hier nach Paris einladen würde?“ „Das kann ich doch nicht annehmen, ich habe das alles doch nur für Isabell gemacht, da will ich keine Belohnung oder dergleichen, ihr Segen ist mir schon Belohnung genug.“
„Keine falsche Scham, uns wurde vom deutschen Konsulat eingetrichtert, dass wir über diesen Vorfall kein Sterbenswörtchen verlieren dürfen. Da Sie jetzt schon auf diesen Ruhm und diese Anerkennung verzichten müssen, lassen Sie mich Ihnen wenigstens meine Anerkennung zukommen. Ihre Mutter wird sich mit Sicherheit freuen, oder?“ „Ich weiß nicht, das kann ich doch nicht annehmen.“ „Na dann lassen Sie mich wenigstens die Zugfahrt für Sie organisieren.“ „Nun gut, ich darf nicht immer nur an mich denken. Meine Mutter hat es auch mal verdient, von zu Hause rauszukommen. Ich nehme ihr Angebot dankend an.“
Nachdem die beiden ein paar Einzelheiten geklärt haben, freut sich Albert, jetzt seine Isabell wieder zu sehen. Jedoch muss er sich gedulden, da sich seine Angebetete noch zurechtmacht, sie hat mit dem Besuch der beiden Herren nicht so früh gerechnet. Also begibt sich Albert in den Salon in dem Jean schon seit ihrer Ankunft wartet. Jean sitzt ganz verkrampft auf dem Sofa, die Knie zusammengepresst, die Arme fest am Körper, unnatürlicher geht es nicht mehr. Ab und zu schaut er, oder sollte man besser sagen, schielt er aus den Augenwinkeln in Richtung Sophie, wenn diese gelegentlich durch den Salon geht. Sophie lässt Jean wiederum links liegen und bekommt von seinen Annäherungsversuchen nichts mit. In einer Laienspielgruppe könnte man keine bessere Darbietung bekommen. Jean spielt den Schüchternen, der er beim besten Willen nicht ist und Sophie die Unnahbare, wobei sie wohl wirklich nichts von Jeans Flirtversuchen mitbekommt.
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