Hubert Erni, der den Laden mit gutem Gespür für die Gäste managte, kannte John nun auch schon einige Jahre und war überrascht, ihn in Begleitung einer Frau zu begrüßen. In Damenbegleitung war er schon des Öfteren hier, aber immer nur am Mittag und so wie es schien, immer zu Geschäftszwecken. Diese Dame kannte er auch, war sie eine der zukünftigen Erben der Schmid-Unternehmungen und ab und zu schon Gast in seinem Haus.
Zur Vorspeise bestellte sich Alina eine Spargelcremesuppe mit Crabmeat Wonton und Zitronenquark. John entschied sich für einen kleinen Caesars Salad. Zur Hauptspeise ließ sich John mit einem Black Angus Rindsfilet vom Grill mit Pommes Dauphine und Alina mit einem Gunzwiler Bierschweinkotelett mit Safranrisotto und Spargeln verwöhnen. Bei der Weinbestellung fiel die Wahl noch etwas schwerer. John liebte die österreichischen Cuvées und Alina liebte die Spanier.
Diesmal entscheide ich und das nächste Mal entscheidest du, hatte sie zu ihm gesagt und so fiel die Wahl auf den Aalto 2014, den John auch liebte.
Sie genossen das Essen und den Wein und sie hatten sich blendend unterhalten. Sie war charmant und witzig und er hatte ihr etwas über den Dieb Stephan Meier erzählt, aber auch von sich und seiner üblichen Arbeit. Sie hatte wenig über sich geredet und sie hatten ihre gemeinsame Vorliebe für Popmusik und Italien entdeckt. Dann erfuhr er noch einige Firmendetails und dass ihr Bruder der eigentlich wichtige Mann im Unternehmen war. Er kaufte interessante Firmen weltweit auf und das Imperium wuchs dank ihm und seinen vielen Ideen immer weiter. Das Firmenkonglomerat bestand im Moment aus rund siebzig Firmen, die allesamt über den ganzen Globus verteilt und erfolgreich waren.
Vor einer Woche sei ihr Bruder in Zug gewesen und habe mit ihrem Vater noch einen neuen Deal abgeschlossen. Sie hatten jetzt auch einen Getränkegroßhändler in Indien aufgekauft und mit diesem noch Großes vor. In den drei Tagen, an denen ihr Bruder da gewesen sei, habe sie ihn nur ein Nachtessen lang gesehen, aber das sei völlig normal gewesen. Am Schluss des Abends hatte Alina John eingeräumt, dass sie vielleicht nochmals mit ihm essen gehen würde. Nur schon der Weinwechselbestellung wegen, wie sie augenzwinkernd meinte.
John Etter sass in seinem Stuhl und träumte vor sich hin. Doch wurde er schnell wieder von der Aktualität ernüchtert. Bruno Bär hatte ihm in der Hoffnung, dass John Etter ihm ein paar weitere Tipps hätte, per Mail Details zum Fall Meier durchgegeben. Alle Untersuchungen der Polizei waren scheinbar fruchtlos geblieben. Dieser Stephan Meier war aus dem Nichts aufgetaucht und dieses Nichts war absolut nicht zu durchdringen. Dann wurde auch ein Anwalt eingeschaltet, der sich als Thomas Gerber vorstellte und verlangte Stephan Meier zu sehen, da er ihn vertrat. Bär sei fast vom Stuhl gefallen. Thomas Gerber war einer der angesehensten Anwälte der Stadt. Warum sollte er einen vermutlich mittellosen Dieb wie Stephan Meier vertreten? Und nach Bärs Wissen hatte Meier nicht telefoniert. Er hätte ihm heute einen Pflichtverteidiger finden müssen.
John Etter rief Bär an. Bär und Etter waren beide Wenigschläfer und es war normal, schon morgens um sechs zu telefonieren. Bär erzählte ihm das Neueste. Es mache keinen Sinn, dass ein solcher Brocken von Anwalt einen unbekannten Einbrecher verteidigen würde.
„Du wirst das schon machen, schließlich habe ich ihn auf frischer Tat ertappt und ihr werdet wohl auch noch herausbekommen, wer der Auftraggeber war. Wem das Zimmer gehört, wisst ihr ja in der Zwischenzeit auch. Da habe ich euren Job ja wieder einmal gut gemacht – gell?“ Das musste einfach sein. John Etters Ego tat das gut.
Und Bruno Bär unterstrich die Worte sogar: „Ja, einen wie dich vermisse ich im Team. Aber immerhin habe ich im Verlauf der Nacht ein schriftliches Geständnis für seinen einfachen Einbruch erhalten. Aber keinen Hinweis auf den Auftraggeber. Wie bist du überhaupt an diesen Fall gekommen?“, fragte Bär nach.
„Der englische Industrielle, der mir den Überwachungsauftrag gab, fühlte sich verfolgt. Nachdem er mit mir Kontakt aufgenommen hatte, konnten wir feststellen, dass er scheinbar überwacht wurde. Er erzählte mir, dass er geheime Dokumente mit dabei hätte über den Verkauf einer seiner Firmen und das Geschäft wäre bereits über die Bühne gegangen. Er hätte viel Bargeld zusätzlich zu der bezahlten Summe als Handgeld erhalten und hätte diese mit dabei. Der einzige Moment, in der das Geld und die Dokumente unbeaufsichtigt waren, wären während der Gala. Da wäre alles im Safe im Hotel. Ja und aus dieser Tatsache haben wir die Falle aufgestellt. Eigentlich nur so auf gut Glück – aber wir haben ihn alles sehr auffällig machen lassen. Die Frage nach dem Tresor, nach Versicherungsbedingungen bei einem allfälligen Diebstahl. Er hatte das alles im Beisein von vielen Gästen im Foyer des Hotels ziemlich laut mit der Rezeptionistin von sich gegeben. Ein allfälliger Dieb hätte es sicher mitbekommen.“
„Danke, wir checken mal die Überwachungsbilder dieser Situation im Foyer. Hast mal wieder einen weitern Stein im Brett bei mir“.
„Was weißt du über den Whiskyfall bei Etter?“, fragte John Etter unvermittelt nach.
„Noch nicht viel, aber warum weißt du schon wieder davon?“
„Ein möglicher Auftrag. Bin um sieben Uhr beim Geschäftsführer.“
„Scheint ziemlich vertrackt. Unsere Spurensicherung ist im Moment gerade in den Höllgrotten. Mehr kann ich leider noch nicht dazu sagen.“ Fast entschuldigend verabschiedete sich nun Bär von John.
John Etter betrat das Namensvetter-Gebäude wenig später und fühlte sich gut dabei, ein Haus zu betreten, das gleich hieß wie er, auch wenn er mit dieser Familie keine verwandtschaftlichen Bezüge hatte. Ihm gefiel der Name natürlich und die Tatsache, dass er dabei helfen konnte, die Erpressung aufzuklären. Wie meist war er alleine unterwegs. Er könne alleine besser denken, sagte er zu den allfälligen Fragestellern. Und solche Fälle löste er am liebsten allein. Leute aus seinem Team brauchte er nur, wenn die Situationen etwas gröber zu werden drohten. Das war schon zu seinen Polizeizeiten so. Dass er heute mit Susanne Gehrig zusammen ein Kleinstbetrieb war, musste er niemandem auf die Nase binden. Da waren ja noch sein Dutzend freie Mitarbeiter, die seine Homepage ebenfalls zierten. Aus Diskretionsgründen natürlich nur als reine Zahl mit Aliasnamen.
Schlussendlich zählte nur der Erfolg und die richtige PR dazu. Seine unorthodoxen Methoden und eine unglaublich hohe Aufklärungsrate unterstrichen dies. Dieselben Methoden hatten ihn damals auch bewogen, eher auf sanften Druck als freiwillig, den Polizeidienst zu quittieren. Und die Tatsache, dass er sich um die kranken Eltern kümmern wollte. Manchmal war das Schicksal eine gute Sache, wenn man in den sauren Apfel biss. Für ihn war es das Beste, was ihm geschehen konnte. Er konnte sich bis zum Schluss um seine kranken Eltern kümmern und gleichzeitig seine Firma aufbauen.
Um fünf vor sieben Uhr bog er auf den Vorplatz der Firma Etter ein. Er stieg die wenigen Stufen zum Haupteingang hoch, als ihm Gabriel Galliker bereits entgegenkam und sie begrüßten sich. Galliker ging nach links in den Besprechungsraum. An der Wand fielen John drei große Portraits auf, die wohl Bilder der Vorfahren der Etters waren.
„Was haben die Höllgrotten mit der Erpressung und dem Whisky genau zu tun?“, fragte er noch stehend Gabriel Galliker und legte ihm den Detekteivertrag vor.
„Weil der Whisky dort gelagert wird und gestern an einem Punkt, von wo aus man die Fässer sehen kann, ein Brief in einem Plastikmäppchen angebracht war.“
Galliker holte eine Kopie des Erpresserbriefes hervor. Das Original war bei der Polizei zur Spurensicherung. „Ein Kuvert mit dem Hinweis auf das Mäppchen am Whiskyfass war beim Hinweisschild angebracht. Der Grottenwärter hat diesen am Morgen entdeckt und uns sofort kontaktiert.“
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