»Ich danke dir, Farold«, sagte der junge Mann. Unter müden Lidern starrte er ihn an. »Der Hof eurer Sippe liegt viele Nächte von hier, du bist fern der Heimat!«
Farold nickte und sah sich unauffällig um. Momentan schienen sie nicht weiter beachtet zu werden.
»Es ist von Übel, im Unland zu leben, Farold. Was treibt dich in die Gesellschaft dieser Männer ...?«
Farold erhob sich langsam.
Der Blick des Jünglings wurde schärfer. »Warum bist du hier?«
»Vor vielen Jahren kam ich aus den Wäldern und nun bin ich in die Wälder zurückgekehrt.«
»Du hast eine Sippe. Was treibt dich in die Wildnis, wo doch die Gemeinschaft am Herdfeuer deiner wartet?«
Farold betrachtete das Gesicht des Jünglings, der aus einem geschwollenen Auge kaum sehen konnte, während das andere ihn weiterhin argwöhnisch musterte. Er ist im Stolz erzogen worden, dachte sich Farold, sein Denken und Handeln ist geradlinig und er ist noch zu jung, um vieles zu verstehen, doch ich sehe in seinem Blick, dass er langsam zu verstehen beginnt.
»Hat dich deine Sippe ausgestoßen? Lebst du deswegen fern der Heimat, wie ein Tier außerhalb der menschlichen Gemeinschaft?«
Farold wollte etwas erwidern, aber er fühlte sich, als wäre alle Kraft aus ihm gewichen. Argwohn war ihm schon häufiger begegnet, aber nun schlug ihm pure Verachtung entgegen und dies war mehr, als er vertragen konnte.
Adalbert wischte sich mit der Hand über den Mund und spuckte aus. Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab.
Farold war wie vor den Kopf gestoßen und starrte auf den Rücken Adalberts, den leeren Becher in der Hand. Benommen kehrte er zu seinem Platz unter den Bäumen zurück, eine Scham fühlend, die er noch nie empfunden hatte. Ein Jüngling, kaum dem Kindesalter entwachsen, hatte ein Urteil über ihn gesprochen und Farold wusste, dass dies nun seine Zukunft sein würde. Verachtung und Furcht, wo immer die Natur seines Wesens offenkundig wurde. Er verbarg sein Gesicht in den Händen und hoffte, dass er bald einschlafen würde.
Mitten in der Nacht wurde er wach. Farold sah den bedeckten Nachthimmel und drehte den Kopf. Außer ihm schienen alle anderen zu schlafen. Nur die Wache saß ruhig am Feuer. .
Ein Klatschen ertönte, gefolgt von einem dumpfen Schmerzenslaut. Langsam fiel der Schlaf von ihm ab und brachte auch die Erinnerung zurück. Ein weiteres Klatschen hallte über den Lagerplatz. Farold setzte sich auf und sah zu Brandolfs Zelt hinüber. Die dumpfe Stimme des Anführers, die Farold nicht verstand, drang durch die offene Klappe nach draußen. Ein kleines Feuer im Inneren warf die Schatten des hünenhaften Mannes an die Zeltwand, der sich über etwas beugte. Mit noch vom Schlaf unsicheren Beinen erhob sich Farold und schritt langsam am Rande des Lagers auf das Zelt zu. Kreuz und quer lagen die Männer Brandolfs am Boden. Ihre tiefen Atemgeräusche änderten sich nicht, als er zwischen ihnen entlangging. Umso näher er kam, umso deutlicher konnte er die Worte verstehen, die Brandolf sprach.
»Ich habe dir gesagt, dass du noch lange an deine Worte denken wirst ...«, vernahm er, bevor ein Windstoß die Baumkronen schüttelte und den Rest übertönte.
Die Wache hatte sich aufgerichtet und warf ihm misstrauische Blicke zu. Farold lenkte seine Schritte weiter auf das Zelt zu, bis er einen Teil des Inneren sehen konnte.
Im Schein des Feuers sah er Brandolf, der über einem Bündel am Boden stand. Sein Gesicht war ausdruckslos, nur die Augen funkelten wie Sterne am Nachthimmel.
»Wo ist deine Sippe, die dich beschützt? Was nützen dir jetzt deine Verwandten?«
Das Etwas am Boden bewegte sich und Farold konnte erkennen, dass es sich um die gefesselte Dietlind handelte. Sie blutete aus einer Platzwunde an der Stirn und aus Mund und Nase. Es dauerte lange, bis sie sich in eine sitzende Position hochgearbeitet hatte. Nur mühsam konnte sie ihren Kopf heben.
Brandolf zog seinen schweren Dolch und kniete sich über das kleine Feuer am Boden, welches das Zeltinnere erhellte. »Deine Schönheit wird gerühmt, Dietlind!«, sagte er jetzt etwas leiser, während er die Klinge in die Glut hielt. »Ich werde sie dir nehmen!«
Farold konnte erkennen, wie ihre auf den Rücken gefesselten Hände versuchten, die Stricke zu lockern, aber es wollte ihr nicht gelingen. Zornig blickte sie ihren Peiniger an.
Brandolf griff ihr in die Haare und riss Dietlinds Kopf in den Nacken. Ein heiseres Stöhnen entrang sich ihrer Kehle. Langsam senkte Brandolf seinen Dolch auf ihre Wange und der Körper der Frau bäumte sich auf. Der Geruch nach verbranntem Fleisch drang zu Farold hinaus.
Feste Schritte verstummten hinter ihm. Die Wache fasste ihn grob an die Schulter. »Du wirst bekommen, was Brandolf von ihr übrig lässt. Und jetzt leg dich wieder auf deinen Platz!«
Farold riss den Blick vom Zelt los und torkelte zurück. Er warf sich auf sein Lager. Mit brennenden Augen blickte er in die Baumkrone. Immer wieder ertönten Geräusche aus dem Zelt und als sie endlich verstummten, graute schon der Himmel.
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