1 ...6 7 8 10 11 12 ...16 Im Haus setzte sie sich einfach auf Eskes Bettseite. Wenn diese durch ihre Abwesenheit glänzte, konnte sie wenigstens das gemütliche Bett für sich einnehmen. Schnell legte sie ihren Umhang ab, löste die Fibel von ihrem dunkelblauen Wollkleid und legte sich in ihrem Unterkleid, welches aus feinen Leinen gewebt war, in das Bett. Erleichtert hörte sie, dass ihre Mutter bereits tief schlief.
Plötzlich bemerkte sie die skeptischen Blicke der Sklaven.
>>Was gibt es hier zu gucken?<<, zischte sie die acht Diener an. >>Arnodd und Eske sind nicht hier, also kann ich deren Bett benutzen!<<
Marje fasste erneut den Mut sich zu äußern.
>>Wir sollten die Herrin suchen gehen…<<, schlug sie schüchtern vor, wagte es aber nicht Beeke anzusehen.
Beeke setzte sich sofort auf.
>>Sollten wir?<<, entgegnete sie zornig, >>kein normaler Mensch verlässt bei Dunkelheit die Siedlung! Es ist zu gefährlich da draußen.<<
Langsam beruhigte sie sich.
>>Es war Eskes Entscheidung. Ihre allein. Sie wird wahnsinnig. Nur so lässt sich ihr Alleingang erklären.<<
Beeke legte sich wieder hin und drehte sich zur Wand des Hauses um.
>>Morgen in der Früh suchen wir nach ihr.<<
Manchmal stellte sie sich vor, wie es wäre, wieder einen eigenen Hof zu haben. Doch dies war unmöglich. Einer allein konnte einen Hof nicht bewirtschaften. Diese Erfahrung hatte sie schon in Flögeln machen müssen.
Verunsichert legten sich die anderen Bewohner des Hauses auf ihre Schlafstätten. Eine Schlafstätte, die nur aus ein Haufen Stroh bestand. Sie genossen nicht die Vorzüge eines stabilen Bettes mit einem gemütlichen Kopfkissen, welches mit Wollgras aus dem Moor gefüttert war. Keiner wagte es, sich noch leise zu unterhalten.
Langsam kehrte in Fallward Ruhe ein und die Siedlung wurde nur durch das kühle Mondlicht erhellt. Nur wenige, einige halbfreie Burschen, blieben wach und hielten am Dorfrand Wache. Ihren Speer und ein Schild hatten sie stets griffbereit. Einige besaßen zusätzlich eine Axt und Bögen mit angerosteten Pfeilen. Es kam nicht selten vor, dass nachts Siedlungen überfallen wurden und wer wusste schon, was dort draußen im Dunkeln lauerte.
Die kleine Holzhütte ächzte bedrohlich bei jeder Sturmböe. Alles in Eske schrie danach, nach Hause zugehen. Sie müsste eigentlich in der Siedlung anwesend sein, um zu bestimmen, wer welche Aufgaben zu erledigen hatte. Dafür war es nun eh zu spät. Sie hatte alles unterschätzt. Leider hatte sie auch sich überschätzt. Mittlerweile hämmerten die Schmerzen in ihre Schläfe, ähnlich wie ein Schmied, der auf sein Metall einschlug. Es blieb ihr keine andere Wahl. Sie musste hier an diesem unheimlichen Ort abwarten, bis Thunar weitergezogen war und die Schmerzen nachließen.
Diese elende Hütte klapperte im Sturm, als würde sie jeden Moment zusammenbrechen, komisch nur, das der alte Einsiedler ganz gelassen blieb. Mit einem leisen Grummeln entzündete er das Feuer erneut.
>>Wieso bist du ausgerechnet heute, zu so einer späten Stunde, in das Moor gegangen?<<, hakte er skeptisch nach, wobei er wie die Ruhe selbst wirkte.
Gelassen schlürfte er zu einem Regal auf dem verschiedene Gefäße mit getrockneten und gemahlenen Kräutern standen. Langsam nahm er sich einige Zutaten und wackelte zu einem kleinen unscheinbaren Holztisch. Er bereitete ihr gerade einen Trank zu.
Eske schaute ihm misstrauisch dabei zu. Aber sie hatte es ja so gewollt. Seine ausgeglichene Art übertrug sich auf sie. Ihre Furcht vor ihm und dem Gewitter legte sich. Ja, sie fühlte sich mittlerweile richtig geborgen. Trotzdem war es ihr unangenehm, ihm von ihren Schmerzen zu erzählen. Diese Anfälle brachten ihr immer nur Ärger und Spott ein, wieso sollte er darauf anders reagieren? Eske seufzte und sah nach draußen in das finstere Moor.
>>Manchmal schleiche ich mich alleine in das Moor, um eine bestimmte Pflanze zu sammeln. Ich brauche Huflattich, sie wirkt gut gegen meine… Beschwerden, die ich ab und an habe. Das ein Gewitter aufzieht…? Ja, natürlich habe ich das gehört und ich hatte gehofft, es lässt sich noch ein bisschen Zeit<< ,erklärte Eske ehrlich und mit leiser, ruhiger Stimme, >>mein Mann ritt mit seinem Sohn zur alten Festung Fabiranum. Ich bin gerne ab und an alleine hier und genieße diese Ruhe. Arnodd, mein Mann, sieht es nicht gerne, wenn ich alleine die Fallward verlasse. Ich nutze für solche Ausflüge immer die Zeiten, wenn er fort ist.<<
Eine unheimliche Stille breitete sich in der Kate aus, der Donner verebbte und der Regen ließ endlich nach. Gebannt starrte sie in das finstere Moor hinein. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Es war ruhig. Er war zu ruhig. Sie wandte ihren Blick von dem grausigen Moor ab, da stand er plötzlich direkt vor ihr. Erschrocken sprang sie auf und stolperte rücklings über ihren Hocker. Gerade noch rechtzeitig fing sie den Sturz ab und krallte sich an einen Holzbalken fest.
Ausdruckslos sah er sie an und ging langsam auf sie zu. Sein Blick schien sie förmlich aufzuspießen. Seine Arme hatte er hinter seinen Rücken verschränkt.
>>Vielleicht macht sich Arnodd ja zu Recht Sorgen.<<
Unsicher wich Eske einen Schritt zurück. Hatte sie sich so stark getäuscht? Das schöne geborgene Gefühl war schlagartig verschwunden. Alles um sie herum wirkte finster und bedrohlich und schien sie förmlich zu erdrücken. Langsam wich sie vor ihm zurück.
Er folgte ihr und hielt ihr plötzlich einen Becher mit einem duftenden Kräutertee unter die Nase.
>>Hier dein Trank!<<
Er lachte amüsiert und drückte ihr den Becher in ihre Hände.
Eske wäre vor Scham am liebsten im Boden versunken. Peinlich berührt nahm sie ihren Heiltrank entgegen.
>>Danke<<, bemerkte sie verlegen. Er klopfte ihr auf die Schulter, während er amüsiert an ihr vorbei schlich.
>>Komm, ich zeige dir meinen kleinen Ritualplatz.<<
Er entzündete eine Fackel an seiner Feuerstelle und winkte sie zu sich, damit sie ihm nach draußen folgte.
Noch nie war Eske zu so einer späten Stunde in den Mooren unterwegs gewesen. Noch nie war sie so weit hineingegangen. Die Birkenbäume wirkten auf sie wie unheimliche Wesen, die jederzeit bereit waren, Menschen zu packen, um sie in den Sumpf zu ziehen. Knöcheltief versanken ihre Füße in den kalten moorigen Boden. Eine widerliche Kälte, die in jeden Knochen zog und sie zittern ließ, machte sich in ihr breit. Eine Art unsichtbares Band legte sich um ihren Hals und schnürte ihr Luft ab.
In Gedanken rief sie sich zur Vernunft. Er kannte die Wege und auch ihr war das Moor nicht fremd. Allerdings trug er nichts zum Schutz gegen die Moorgeister. Eske kräuselte die Stirn. Hatte er so ein Vertrauen in seine Schutzgeister oder machte er mit den Moorgeistern doch gemeinsame Sache?
Eske legte ihre Arme um den Bauch, um sich zu beruhigen. Achtsam konzentrierte sie sich auf ihre Umgebung. Sie fühlte die kühle Nachtluft auf ihrer Haut und aus den Bäumen hörte sie einige Krähen rufen. Der Sturm hatte sich gelegt und ein kühler Wind wehte ihr durch das Haar. Die letzten Regenwolken verzogen sich, während der Mond langsam im Osten aufging und sein kaltes Licht auf die Moorpfade warf. Zu zweit war es im Moor gar nicht mehr so unheimlich.
Wie hatte es der Alte all die Jahre geschafft, hier ganz alleine zu überleben? Bestimmt nicht nur, indem er seine Ton- und Holzarbeiten gegen Nahrung eintauschte. Sie hatte bisher von niemanden gehört, dass auch nur ein Chauke mit dem alten Kauz gehandelt hatte. Gut, möglicherweise wollte das auch keiner offen zugeben. Anderseits ging sie das alles auch nichts an. Es war sein Leben und sie hatte ihre eigenen Sorgen und Probleme, um die sie sich kümmern musste.
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