Matthias Scheele - Die Festung im Moor

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Im 4. Jahrhundert n. Chr. herrschte Valdr als Fürst des germanischen Stammes der Chauken über die reiche Hafenstadt «Fabiranum» und die Wurtensiedlungen, die sich westlich des Herrschersitzes an der Küste erhoben.
Doch schwere Schicksalsschläge sorgten schon bald für einen Machtwechsel, infolge dessen es zu einem Kampf zwischen dem Sohn des Fürsten, Ulfmarr und dessen Wiedersacher Bjorn kam. Wer wird es schaffen die Nachfolge als Fürst anzutreten? Wird der neue Fürst ein würdevoller Nachfolger sein und die harten Zeiten, die auf ihn warten meistern? Und was hat das kleine Mädchen Theda mit den Göttern zu schaffen?

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Titelseite

Matthias Scheele

Die Festung im Moor

Impressum

Texte: © Copyright by Matthias Scheele

Umschlag: © Copyright by Matthias Scheele

Adresse: Matthias Scheele

Rheinstraße 84

27570 Bremerhaven

sagas_traeume@web.de

https://www.facebook.com/sagastraeume/

Vertrieb: epubli - ein Service der neopubli GmbH,

Berlin

Zitat

„Machtgelüste sind die entsetzlichsten aller Leidenschaften.“

Publius Cornelius Tacitus (um 55 - 120 n. Chr.),

römischer Geschichtsschreiber

Das Opfer

Es war am Abend des ersten Frühlingstages im Jahre 312 als sie ihn vor die Tore der Festung schleiften. Sie hatten ihm die Hände auf den Rücken gebunden und den Mund mit einem Knebel verschlossen, sodass kein einziges lasterhaftes Wort mehr über seine Lippen kam. Er hatte eines der schlimmsten Verbrechen begangen, dass es in den ungeschriebenen Gesetzen seines Stammes gab. Der Name des Getriebenen war Gunnrik. Er hatte die Götter gegen sich aufgebracht, indem er sie öffentlich verfluchte, lästerte und ihnen ihre Macht absprach. Deshalb mussten sie handeln. Die Götter zu erzürnen konnte großes Unheil über die Sippe bringen. Zwei kräftige Männer schleiften ihn hinter sich her. Gestandene Krieger, die ihrem Herrn, dem Fürsten der Sachsen, einem Mann mit Namen Valdr, treu ergeben waren. Begleitet wurden sie von drei weiteren Kriegern, mit großen, runden Schilden auf dem Rücken und einem Speer in der Hand. Auch der Fürst war mit dabei. Nicht nur, weil es das Recht in diesem Fall verlangte. Dieser Gang war für Fürst Valdr ein sehr schwerer, denn Gunnrik war sein Sohn. Und jetzt verlangten die Götter das größte Opfer, dass ein Vater imstande war zu geben. Sein Sohn musste sterben.

Die Sonne war bereits untergegangen und der Mond erhob sich im Osten, als sie ihr Ziel erreichten: einen Bohlenweg, der dort endete, wo das Moor begann. Arnulf, einer der Krieger, die den zum Tode verurteilten hierher gebracht hatten, holte mit einem kleinen Beil aus und zertrümmerte Gunnrik die Kniekehlen. Unter Schmerzen schreiend sank dieser in sich zusammen. Danach trat Bjorn vor. Er war ein ungemütlicher Zeitgenosse, stets auf Streit aus und ein Trunkenbold. Doch wenn es eines gab, was er respektierte und wogegen er sich niemals auflehnen würde, waren es die Götter. Solches wäre ihm im Traum nicht eingefallen. Bjorn packte Gunnrik bei den Haaren, zog seinen Kopf nach hinten und hielt ihn mit einer Hand dort fest, während er mit der anderen ein langes Messer aus seinem Gürtel zog. Er setzte es Gunnrik an die Kehle und blickte zu Valdr. Dieser trat vor und nahm Bjorn das Messer aus der Hand.

Der Fürst blickte seinen Männern mit fester Entschlossenheit in die Augen.

>>Wir sind hier um meinen Sohn zu richten. Mein eigener Sohn, der sich so schändlich gegen die Götter auflehnte, weil er meinte, sie hätten etwas Persönliches gegen ihn.<<

Sein Blick wanderte zu Gunnrik, dem er nicht weniger entschlossen in die Augen sah. Es machte keinen Unterschied. Es durfte nicht ein Recht für die Männer und Frauen seines Stammes und eines für seine Familie geben.

>>Gunnrik, du hast Woden gegen dich und deine Sippe aufgebracht, die jüngsten Ereignisse beweisen dies.<< Valdr fiel es sichtlich schwer diese Worte zu sagen. Ganz gleich, was er getan hatte, Valdr liebte seinen Sohn.

Er musste an früher denken, an bessere Zeiten. Es kam ihm so vor, als hätte er Gunnrik erst gestern noch in seinen Armen gehalten, kurz nach seiner Geburt. Es war Jahre her, als Gunnriks Mutter an einem Lungenleiden gestorben war und jetzt sollte er auch noch einen seiner zwei Söhne verlieren.

>>Wieso konntest du nicht einfach mit mir reden? Jetzt ist es für all dies zu spät. Ich muss dich richten, um den Zorn der Götter von uns abzuwenden.<<

Weshalb sich Gunnrik so plötzlich gegen die Götter gestellt hatte, was in ihn gefahren war Woden, ihren obersten Gott zu verfluchen, das hatte Valdr niemals herausgefunden und Gunnrik hatte nie darüber gesprochen. Doch hatte es Konsequenzen nach sich gezogen. Etwa einen Monat, nachdem Gunnrik einen Pfahlgötzen Wodens im Sumpf niedergebrannt hatte, schlug ein Blitz in einen von Valdrs Getreidespeichern ein, der beinahe die Ernte eines halben Jahres vernichtet hätte. Dann, als ob dies nicht schon schlimm genug gewesen wäre, hatte eine Sturmflut bei Fallward, einer kleinen Wurtensiedlung weiter westlich direkt an der Küste gelegen, in der auch Valdrs Bruder lebte, einige Felder überschwemmt und auch dort die Ernte größtenteils vernichtet.

Der Fürst wartete noch immer auf ein Zeichen der Götter, dass dieses Opfer nicht nötig war. Doch von Westen her zogen über der Nordsee bereits große, schwarze Wolken auf. Valdr wusste, dass Woden dieses Opfer verlangte. Er umfasste den Griff des Messers so fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. Unversehens holte er aus und mit einem lauten Schrei seelischen Schmerzes stieß er es seinem Sohn in die Kehle. Gunnriks Blut ergoss sich ins Moor und schließlich war es Bjorn, der mit einem beherzten Fußtritt Gunnriks Körper ins Moor stieß. Da das Opfer nicht sofort versank, halfen die Krieger, die dabei waren nach, indem sie ihn mit ihren Speeren so lange nach unten drückten, bis von Gunnriks Körper nichts mehr zu sehen war.

Valdr verpasste Bjorn eine deftige Ohrfeige, aber dann bemerkte er, dass die finsteren Wolken, die eben noch über der Nordsee gehangen hatten, begannen sich aufzulösen. Sie hatten Woden besänftigt. Als Sachsenfürst durfte er seine Familie nicht anders behandeln, als jene, über die er

Verantwortung übernommen hatte. Nicht zu handeln hätte Valdr als Schwäche ausgelegt werden können. Damit hätten seine Feinde leichtes Spiel gehabt ihn aus seiner Heimat zu vertreiben, ihn vielleicht sogar umbringen zu lassen. Auf ihn blickte eine lange Reihe von Ahnen herab, deren Ansehen er nicht durch Schwäche beschmutzen durfte, wenn auch er an der Macht bleiben wollte. Nun konnten sie nach Hause zurückkehren. Einem Ort namens Fabiranum, der von allen aber nur >>Die Festung im Moor<< genannt wurde. Einst war Fabiranum ein Handelsplatz der Römer mit Anbindung an eine breite Handelsstraße im Süden und einen Fluss, der von Westen her von der Nordsee aus bei Flut mit Schiffen befahren werden konnte. Im südlichen Teil der Stadt gab es einen befestigten Hafen mit Stapelplatz. Die Lage war günstig. Um die Stadt herum gab es viel Ackerland und ein paar vereinzelte Höfe. Fabiranum ähnelte eher einer kleinen Stadt, als einem der typischen römischen Heerlager. Es gab viele Wohnhäuser, Ställe, sogar einen kleinen Marktplatz in der Mitte. Aber sie war gut befestigt, mit hohen, begehbaren Palisaden, Wehrtürmen, mehreren Toren und einer großen, aber unterirdisch gelegenen Waffenkammer. Offenbar fürchtete sich Rom vor den >>Barbaren des Nordens<< . Innerhalb der Palisaden dieser kleinen Stadt gab es Platz für weit mehr als fünfhundert Menschen und Ställe für ebenso viele Pferde. Außerdem ein Stabsgebäude, ein Wohnhaus nur für den Kommandanten, dass Valdr nun bewohnte, ein Lazarett für die Kranken, einen riesigen Vorratsspeicher, noch viele weitere, kleinere Wohngebäude und ein großes Wasserbassin. Um die Stadt herum gab es mehrere Verteidigungsgräben. Vor mehr als zweihundert Jahren waren es Valdrs Vorfahren, die Chauken, die dafür gesorgt hatten, dass Fabiranum in Stammeshand fiel. Damals waren die Chauken noch Verbündete der Römer. Sie trieben Handel und einige Chauken hatten in der römischen Armee gekämpft. Dann kam es zum Bruch. Etwa im Jahre 90 n. Chr. hatten sich die Chauken mit den Stämmen der Cherusker, Sachsen, Friesen und Markomannen zusammengeschlossen und ein Bündnis gegen Rom geformt. Die Chauken waren es, die innerhalb der Stadt des Nachts die Wachen überwältigten und die Tore öffneten. Es war hoffnungslos für die Römer, die gnadenlos in der Unterzahl waren. Sie hatten keine Chance Fabiranum zu halten. Danach schlossen sich die Chauken dem Stammesverband der Sachsen an.

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