Dennoch sollten wir wissen, dass grundsätzlich alle Phänomene als bloßer Name existieren. Indem wir mit ihren bloßen Namen zufrieden sind, können wir sagen: «Ich bin glücklich oder nicht glücklich» oder «Er oder sie ist glücklich oder nicht glücklich» und so weiter, wie es weltliche Menschen tun. Buddha widerspricht nicht den Ansichten weltlicher Menschen.
DIE PRAXIS DER NACHFOLGENDEN ERLANGUNG
Nachdem wir uns aus dem meditativen Gleichgewicht über Leerheit erhoben haben und unseren täglichen Beschäftigungen nachgehen, sollten wir realisieren und glauben, dass alles, was uns erscheint, sei es gut, schlecht oder neutral, obwohl es nicht existiert, dennoch erscheint, wie eine Illusion. Diese Art zu glauben und zu denken ist die Übung in illusionsgleicher Erscheinung.
Und wir realisieren und glauben, dass alles, was uns erscheint, sei es gut, schlecht oder neutral, obwohl es erscheint, nicht existiert, wie eine Illusion. Diese Art zu glauben und zu denken ist die Übung in illusionsgleicher Leerheit. Wie Buddha in den Sutras sagt, sind alle Phänomene, die wir normalerweise sehen oder wahrnehmen, wie eine Illusion. Dies bedeutet, dass sie wie eine Illusion nicht existieren, obwohl sie erscheinen. Sie sind einfach fehlerhafte Erscheinungen. Wir sollten dieses tiefgründige Wissen Tag und Nacht entwickeln und halten, ohne jemals zuzulassen, dass wir es vergessen.
Es ist äußerst wichtig, in unserem Alltag mit diesen Übungen tief vertraut zu werden. Durch sie können wir alle unsere täglichen Probleme lösen.
Wir sollten lernen das Festhalten an unserem Selbst, das wir normalerweise sehen, zu stoppen, indem wir uns daran erinnern, dass unser Selbst, das wir normalerweise sehen, nicht existiert. Gelingt uns das in praktischer Hinsicht, dann gibt es keine Grundlage, um Probleme und Leiden zu erfahren. Schließlich werden wir dauerhafte Befreiung von den Leiden dieses Lebens und zahlloser zukünftiger Leben erlangen. Wie wundervoll!
Gelingt es uns jedoch nicht, das Festhalten an unserem Selbst, das wir normalerweise sehen, zu stoppen, ist das ein klares Zeichen, dass unser Verständnis der Selbstlosigkeit von Personen nicht qualifiziert ist.
Eins sollten wir wissen: Wir verstehen zwar, dass unser Selbst, das wir normalerweise sehen, nicht existiert, weil wir die oben erwähnten gültigen Gründe, die das beweisen, verstehen. Das heißt, dass wir die Leerheit unseres Selbst verstehen und trotzdem immer noch fortwährend an unserem Selbst, das wir normalerweise Tag und Nacht sehen, festhalten, sogar im Schlaf. Infolgedessen haben wir keine Möglichkeit, den geistigen Frieden zu erleben, der aus unserer Weisheit entsteht. Nur geistiger Frieden, der aus Weisheit entsteht, ist Glück. Der geistige Frieden, der aus weltlichen Vergnügen entsteht, ist kein wirkliches Glück, sondern sich veränderndes Leiden.
Warum also entwickeln wir dieses Problem des Festhaltens an unserem Selbst, das wir normalerweise sehen, auch wenn wir Leerheit verstehen? Das ist so, weil wir uns entweder nicht in Wachsamkeit und Achtsamkeit üben oder weil unsere Praxis dieser beiden zu schwach ist. Wie üben wir uns in Wachsamkeit und Achtsamkeit? Indem wir uns aufrichtig auf Wachsamkeit verlassen, die ein Teil der Weisheit ist, sollten wir sofort erkennen, wann wir an unserem Selbst, das wir normalerweise sehen, festhalten. Dann sollten wir uns bemühen das Festhalten an unserem Selbst, das wir normalerweise sehen, zu stoppen, indem wir uns daran erinnern, dass unser Selbst, das wir normalerweise sehen, nicht existiert. Praktizieren wir Wachsamkeit in dieser Weise, sollten wir in unserem Bewusstsein die Beendigung des Festhaltens an unserem Selbst, das wir normalerweise sehen, erzeugen.
Indem wir uns anschließend aufrichtig auf Achtsamkeit verlassen, sollten wir die wahre Beendigung, die wir in unserem Bewusstsein erzeugt haben, entschlossen halten und Tag und Nacht, sogar im Schlaf, nicht zulassen, dass wir sie vergessen. Indem wir in dieser Weise aufrichtig Wachsamkeit und Achtsamkeit üben, werden wir schließlich die dauerhafte Beendigung der Unwissenheit des Festhaltens am Selbst erlangen, die die Wurzel allen Leidens ist.
In Leitfaden für die Lebensweise eines Bodhisattva sagt Shantideva:
Mit gefalteten Händen
Bitte ich inständig diejenigen, die ihren Geist schützen wollen:
Bemüht euch stets
Sowohl Achtsamkeit als auch Wachsamkeit zu beschützen.
Bitte bewahre diesen Rat im Herzen.
WIE WIR ÜBER HÖHERES SEHEN MEDITIEREN
Das eigentliche höhere Sehen ist eine besondere Weisheit, die durch die Kraft der Meditation des ruhigen Verweilens erzeugt wird. Hier müssen wir über höheres Sehen, das Leerheit beobachtet, meditieren. Dies können wir, sobald wir die Konzentration des vierten geistigen Verweilens, die Leerheit beobachtet, erreicht haben. Auf dieser Stufe haben wir nicht das eigentliche höhere Sehen, sondern eine Ähnlichkeit des höheren Sehens. Wenn wir diese Ähnlichkeit des höheren Sehens erzeugt haben und darüber meditieren, dann meditieren wir über höheres Sehen.
Die Konzentration des vierten geistigen Verweilens ist wie klares, ruhiges Wasser, das nicht vom Wind bewegt wird. Und die Ähnlichkeit des höheren Sehens ist wie ein kleiner Fisch, der in diesem Wasser schwimmt, ohne die Oberfläche zu kräuseln. Die Ähnlichkeit des höheren Sehens ist ein Teil der Weisheit innerhalb der Konzentration und untersucht das Objekt, ohne die Konzentration zu stören.
Über die Ähnlichkeit des höheren Sehens, das Leerheit beobachtet, zu meditieren, ist die Hauptursache, um das eigentliche höhere Sehen, das Leerheit beobachtet, zu erlangen. Und über das eigentliche höhere Sehen, das Leerheit beobachtet, zu meditieren, ist die Hauptursache, um den Pfad des Sehens, das Leerheit direkt verwirklicht, zu erlangen.
Dennoch sollten wir wissen, dass es einen großen Unterschied gibt zwischen dem Pfad des Sehens, wie er im Höchsten Yoga Tantra und dem Pfad des Sehens, wie er im Sutra erklärt wird. Der erste ist der Geist der spontanen großen Glückseligkeit, der Leerheit direkt verwirklicht. Dies ist eine eigentliche Verwirklichung des Mahamudra. Der zweite ist eine Verwirklichung, die Leerheit mit einem groben Geist direkt verwirklicht. Dieser Pfad des Sehens ist keine eigentliche Verwirklichung des Mahamudra. Leerheit mit einem groben Geist zu verwirklichen ist keine eigentliche direkte Verwirklichung der Leerheit. Die eigentliche direkte Verwirklichung der Leerheit verwirklicht Leerheit zwangsläufig mit einem sehr subtilen Geist. Deshalb ist der Pfad des Sehens, wie er im Sutra erklärt wird, nicht der eigentliche Pfad des Sehens und die höheren Wesen, die im Sutra erklärt werden, sind keine wirklichen höheren Wesen. Um den eigentlichen Pfad des Sehens zu erreichen, müssen wir den Geist spontaner großer Glückseligkeit erlangen, der von den Yogas der Kanäle, Tropfen und Winde abhängt, um in den Vajrakörper einzudringen.
Wie wir über die Yogas der Kanäle, Tropfen und Winde meditieren, hat drei Teile:
1. Meditation über den Yoga des Zentralkanals
2. Meditation über den Yoga des Tropfens
3. Meditation über den Yoga des Windes
Zunächst folgt eine kurze Einleitung zu den Kanälen, Tropfen und Winden.
DIE KANÄLE
In diesem Zusammenhang sind die Kanäle jene Kanäle in unserem Körper, die Gefäße für die weißen und roten Tropfen sind sowie für die sich bewegenden Winde, die die Geistesarten tragen. Es gibt drei Hauptkanäle, den Zentralkanal und den rechten und linken Kanal. Der Zentralkanal wird auch «Dhuti» genannt und ist der wesentliche Kanal des Körpers.
Wir denken über das Folgende nach:
Der Zentralkanal, der nur so breit wie ein Strohhalm ist, liegt genau zwischen der linken und rechten Körperhälfte, allerdings etwas näher am Rücken als vorne. Er verläuft, wie die Säule des Körpers, in einer geraden Linie vom Scheitel des Kopfes hinab zur Spitze des Geschlechtsorgans.
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