• Wie man eine besondere Verwirklichung des Pfades des Sehens erzeugt, die nichtduale Glückseligkeit und Leerheit
Nehmen wir den ersten Punkt, wie man das Objekt der Verneinung der Leerheit identifiziert, so denken wir über die Bedeutung der Worte des großen Gelehrten und Yogi Norsang Gyatso nach, die der erste Panchen Lama in Lampe der Klarstellung zitiert, seinem Selbstkommentar zum Urtext des Mahamudra. Die Bedeutung dieser Worte ist wie folgt:
Obwohl es viele Sterne gibt, die Anhänger der großen Sonne Je Tsongkhapas sind,
Und die sagen, dass der große mittlere Weg, Leerheit,
Die bloße Abwesenheit inhärenter Existenz ist,
Glauben sie in ihrem Herzen, dass die Dinge, die wir normalerweise sehen, tatsächlich existieren.
Traumdinge wie Traumberge und Traumhäuser
Und die Pferde und Elefanten, die von Magiern erschaffen werden,
Sind alle bloße Erscheinung des Geistes –
Sie existieren nicht tatsächlich.
Ebenso sind alle Lebewesen von den Göttern bis zu den Höllenwesen
Und alle Phänomene, die wir normalerweise sehen oder wahrnehmen,
Ebenfalls bloße Erscheinung des Geistes –
Sie existieren nicht tatsächlich.
Gelingt es uns nicht, all die Dinge zu verneinen, die wir normalerweise sehen,
Ist unsere Sicht der Leerheit lediglich unsere eigene Schöpfung
Und kann unser Problem der Verblendung nicht lösen.
Da wir früher vielleicht großes Interesse an Leerheit hatten, viele Bücher gelesen, viele Fragen gestellt und viele Antworten erhalten haben, müssen wir nicht lange nachdenken, wenn uns jetzt jemand fragt, was Leerheit ist. Wir antworten wie selbstverständlich: «Sie ist leer von inhärenter Existenz», so als ob wir Leerheit selbst verwirklicht hätten.
In Wahrheit sind wir nicht wie jemand, der satt und zufrieden ist. Der Grund dafür ist, dass wir nicht in der Lage sind, die Phänomene zu verneinen, die wir normalerweise sehen oder wahrnehmen. Normalerweise deuten wir auf eine Leerheit, die ein fabriziertes Objekt der Verneinung verneint, und sagen: «Das ist Leerheit.» Wir sollten wissen, dass wir, ganz gleich wie sehr wir dies auch analysieren mögen, nie von einer unrichtigen Sicht abrücken werden. Ganz gleich wie viel wir über eine solche Leerheit meditieren, es wird uns nicht helfen, die Probleme der Verblendungen zu lösen.
Das tatsächliche Objekt der Verneinung der Leerheit ist das Phänomen, das wir normalerweise sehen oder wahrnehmen. Wir sollten uns sehr bemühen, das aus eigener Erfahrung zu verstehen. Im Allgemeinen bedeutet «Leerheit» die Nichtexistenz von etwas. Sagen wir zum Beispiel: «Mein Geldbeutel ist leer», dann ist mit «leer» hier die Nichtexistenz von Geld in unserem Geldbeutel gemeint. Ähnlich ist es, wenn wir «Leerheit» sagen. Dann ist «leer» lediglich die Nichtexistenz der Phänomene, die wir normalerweise sehen oder wahrnehmen.
In den Sutras der Vollkommenheit der Weisheit heißt es direkt, dass Phänomene nicht existieren. Dort steht: «Es gibt keine Form, keinen Klang, keinen Geruch, keinen Geschmack, kein Tastobjekt, kein Phänomen», und wir sind mit Buddha einer Meinung darüber. In gleicher Weise sage ich direkt, dass all die Phänomene, die wir normalerweise sehen oder wahrnehmen, nicht existieren. Warum also solltest du nicht einer Meinung mit mir sein?
Ich sage nicht, dass alle Phänomene nicht existieren. Alle Phänomene existieren. Die Art, wie sie existieren, ist als bloßer Name. Irgendetwas anderes als bloßer Name existiert nicht. Doch all die Phänomene, die wir normalerweise sehen oder wahrnehmen existieren nicht, nicht einmal als bloßer Name, weil sie allesamt fehlerhafte Erscheinung sind. Das ist eine schlüssige Begründung, denn wenn etwas tatsächlich existiert, dann gibt es keinen Grund dafür, dass es eine fehlerhafte Erscheinung ist, und keinen Grund dafür, dass es unwahr ist.
Im Kontext des Mahamudra und Nagarjunas Absicht folgend wird zuerst die Anleitung gegeben, die Leerheit zu verwirklichen, die die Selbstlosigkeit von Personen ist, und dann die Anleitung, die Leerheit zu verwirklichen, die die Selbstlosigkeit von Phänomenen ist.
WIE WIR DIE LEERHEIT VERWIRKLICHEN, DIE DIE SELBSTLOSIGKEIT VON PERSONEN IST
Wir sollten wissen: Wenn unser Selbst, das wir normalerweise sehen, existiert, dann muss es in unserem Körper, in unserem Geist, als Ansammlung unseres Körpers und Geistes oder irgendwo anders existieren. Es gibt keine andere Art, wie es existieren kann. Im Sutra der Vollkommenheit der Weisheit sagt Buddha: «Suchst du nach deinem Körper mit Weisheit, wirst du nichts finden.» Dies impliziert, dass wir, wenn wir nach unserem Selbst oder Ich mit Weisheit suchen, nichts finden werden.
Wie setzen wir diese Anleitung praktisch um? Wir überlegen und denken:
Ist mein Körper mein Selbst oder Ich, so folgt daraus, dass nach dem Tod mein Selbst nichtexistent wird, weil mein Körper nichtexistent wird, und es deshalb keine zukünftigen Leben gibt. Da dies unmöglich ist, ist klar, dass mein Körper nicht mein Selbst oder Ich ist.
Ist mein Geist mein Selbst oder Ich, dann ist es Unsinn, «mein Geist, mein Geist» zu sagen oder zu denken, wie wir es normalerweise tun. Denn mein Geist ist der Besitz und mein Selbst ist der Besitzer, und Besitz und Besitzer können nicht eins sein. Deshalb ist es gewiss, dass mein Geist nicht mein Selbst oder Ich ist.
Da mein Körper und Geist einzeln und für sich nicht mein Selbst oder Ich sind, ist es unmöglich, dass die Ansammlung dieser beiden mein Selbst oder Ich ist. Da zum Beispiel eine Ziege oder eine Kuh einzeln und für sich kein Schaf ist, ist es unmöglich, dass die Ansammlung dieser beiden Schaf ist. Da dies wahr ist, ist die Ansammlung meines Körpers und Geistes nicht mein Selbst oder Ich.
Es ist unmöglich, dass mein Selbst oder Ich getrennt vom Körper, vom Geist und der Ansammlung von Körper und Geist ist. Wäre das möglich, so würde daraus folgen, dass es möglich sein müsste, John zu sehen, selbst wenn zum Beispiel der Körper, der Geist und die Ansammlung von Körper und Geist einer Person namens John verschwinden würden! Dies sollte ich auf mein Selbst oder Ich beziehen. Deshalb ist es gewiss, dass mein Selbst oder Ich nicht etwas von Körper, Geist und der Ansammlung von Körper und Geist Verschiedenes ist.
Wir wiederholen diese Kontemplation geistig in unserem Herzen, während wir uns auf ihre Bedeutung konzentrieren. Dann denken wir: «Suche ich in dieser Weise mit dem Auge der Weisheit nach meinem Selbst oder Ich, werde ich nichts finden. Es wird verschwinden und nichtexistent werden.
Dies beweist deutlich, dass mein Selbst oder Ich, das ich normalerweise sehe, überhaupt nicht existiert. Wir meditieren für kurze Zeit über dieses tiefgründige Wissen.
WIE WIR DIE LEERHEIT VERWIRKLICHEN, DIE DIE SELBSTLOSIGKEIT VON PHÄNOMENEN IST
Wir überlegen und denken:
Da mein Selbst oder Ich, das ich normalerweise sehe, nicht existiert, existieren seine Krankheit, sein Tod, seine Wiedergeburt und sein Leiden nicht. Es wird nichts gesehen und nichts gehört, nichts erinnert, nichts berührt, es gibt keine Tätigkeiten, nichts, das getan wird, keine Freude, keine Sorge, nichts zu loben, nichts zu tadeln, nichts zu gewinnen, nichts zu verlieren, nichts zu begehren, nichts nicht zu begehren, nichts zu erscheinen und nichts festzuhalten, was von meinem Selbst, das ich normalerweise sehe, erfahren wird. Dies beweist klar und deutlich, dass alle Phänomene, die ich normalerweise sehe oder wahrnehme, überhaupt nicht existieren.
Wir meditieren so lange wie möglich einsgerichtet über dieses tiefgründige Wissen. Wir sollten diese Kontemplation und Meditation kontinuierlich jeden Tag üben, bis wir direkt verwirklichen, dass alle Phänomene, die wir normalerweise sehen oder wahrnehmen, nicht existieren. Wir können dieses Ziel erreichen, indem wir uns bemühen, mit dieser Kontemplation und Meditation tief vertraut zu werden. Krankheit, Tod, Wiedergeburt und Leiden des Sohnes einer kinderlosen Frau existieren nicht, weil der Sohn selbst nicht existiert. In der gleichen Weise existieren Krankheit, Tod, Wiedergeburt und Leiden unseres Selbst oder Ich, das wir normalerweise sehen, nicht, weil unser Selbst oder Ich, das wir normalerweise sehen, nicht existiert.
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