Finster schaute er in das Atrium. Pulcher schäumte. Wiedereinmal hatte sie ohne seine Zustimmung die Handwerker in sein Haus geholt, die das Wasserbecken ausmaßen. Er fand, dass sein Innenhof in seinem Glanz ausreichend. Sie jedoch wollte noch einen Dschungel anlegen. Die ersten Palmen und Blumen verzierten das Innere der Villa den Raum unter dem Dach und verschönerte den Hof.
Klar, sie hatte recht. Aber ausgerechnet an diesem Tag? Hatte er sie nicht gebeten, später mit ihren Vorhaben zu beginnen? Na ja, zumindest dann, wenn sie nicht spionieren konnte. Wo sie sich befand, konnte er dem Gezeter entnehmen. Ein Vorteil ihrer Anwesenheit. Die extreme Lautstärke, wenn sie in vollkommener Rage war. Sonst schlich sie wie eine Raubkatze auf Beutejagd durch ihr Heim, und er war ihre Beute.
Pulcher schlängelte sich durch den angehäuften Schutt, durch die Steine und den teuren Marmorfliesen. Zeichen ihres Wohlstands und ihrer Sucht, besser zu sein als ihre Freundinnen. Das er bezahle musste, konnte er sich schon vorher ausmalen.
Das edle Holz stapelte sich an der Tür zu Küche. Die Sklaven versuchten emsig wenigstes ein wenig Luft in das Chaos zu schaffen, und die Bretter in das Zimmer zu hieven, welches ansonsten seine Tante benutzte, wenn sie geruhte, ihm auf die Nerven zu gehen. Zum Zeitpunkt ihres Besuches flüchtete er aus der Villa und verkroch sich bei dem erstbesten Schleimer, der ihm einfiel. Was nicht bedeutete, dass er ihn auch mochte.
„Wo ist die Herrin?“, fauchte er einen seiner Sklaven an, der das Pech hatte ihn über den Weg zu laufen. Der sommersprossige, rothaarige Bursche erschrak, und ängstlich schaute er zu Boden. Er wusste, wie der Herr drauf war, wenn er miesgelaunte nach Hause kam und zeigte zitternd mit seinem Finger in Richtung Küche. Die Tür stand offen, und ein lauter Schrei des Schmerzes drang aus seinen Inneren.
Grazia schlug erneut zu. Die neue Sklavin, ein junges Ding, welches gerade einmal fünfzehn Jahre alt war, krümmte sich auf dem Boden zusammen und hielt ihre blutende Nase. Flehend sah sie nach oben. Grazia schaute sie wütend an. Sie hatte ihren ganzen Frust ausgelassen.
Das zerrissene Kleid entblößte ihren zarten Oberkörper, und eine blutverkrustete Haarsträhne lag auf dem teuren Fleisch, dessen Anschaffungspreis weit über der blonden Kuh lag. Hart zog er das Mädchen an ihrem Arm nach oben. Ängstlich wich seinem gebieterischen Blick aus.
„Wasch dich, und richte dich wieder her. Es ist nicht nötig, dass du noch mehr einsaust, als du ohnehin schon getan hast. Na los. Beweg dich. Sonst setzt es noch eine“, schupste er sie zur Tür und wartete, bis sie verschwunden war. „Grazia, was bei zu all den rachsüchtigen Furien, soll der Mist.“
Pulcher schäumte vor Wut, und hasserfüllt schaute er seine Frau an. Seine Hand zuckte, übte sich in der Selbstbeherrschung, um nicht ihren Kopf auf die heiße Herdstelle zu drücken. Dieser Wunsch hielt sich hartnäckig in ihm. Grazia schaute ihn an. Es interessierte sie nicht im geringsten. Stolz hob sie ihren Kopf. In ihren braunen Augen glimmte der zornige Funken ihrer Wut. Sie stellte sich an den Küchentisch, griff nach einer zerbrochenen Karotte und warf sie auf das Holzbrett in seiner Nähe.
„Was das soll? Die kleine Schlampe, die du gekauft hast, versuchte heimlich diese Karotte heraus zu schmuckeln. Das nenne ich Diebstahl. Du solltest einmal wie ein Mann handeln und nicht wie das armselige Würmchen, dass du bist!“
„Ach, und wegen diesem Stück Gemüse...“, barsch zeigte er auf das Brett. „... machst du so einen Aufstand. Du hast sie doch nicht alle! Die Kleine sieht aus wie frisch gerupft und ist weniger repräsentabel. Nun muss für eine ganze Weile im Stall arbeiten.“
„Du verteidigst diese Diebin? Hast sie wohl schon in deinem Bett gehabt!“
„Wie kommst du den jetzt darauf? Wenn du dich weniger um deine Orgien und deinen anderen Schnickschnack kümmern würdest, als an deine ehelichen Pflichten zu denken, würden wir wohl kaum dieses Gespräch führen.“
Sie war verdorben. Warum sollte er sie dann auch noch in Schutz nehmen? Mitgefühl war nur fehl am Platz. Sie würde sie nicht einmal erkennen, wenn ihre Arroganz einen Rückschlag erhielt. Dabei hatte er die Kleine nun wirklich nicht angefasst. Sie war ihm einfach zu dünn und zu flach. Der Spruch von ihm war ein riesiger Schlag in ihr hübsches, anmutig wirkendes Gesicht. Grazia sah aus, als würde es jeden Moment aus ihr herausbrechen.
„Lass es. Was auch immer du in deinem Kopf ausbrütest. Es wird nicht halb so schmerzhaft sein, als dass, was ich dir antuen könnte. Ach, und noch etwas. Du würdest es bedauern. Ich habe das Recht, dich für alle Zeiten wegzusperren. Vielleicht in eine ferne Provinz, wo es nur Ziegenhirten und Vergewaltiger gibt. Thrakien oder Makedonia Dafür würde ich sogar die Hälfte meines Vermögen opfern, nur um einmal zu sehen zu sehen, wie du die Klappe hältst und dahinvegetierst.“
Grazia schaute ihn an. Fassungslos, und überlegte sich, was sie als nächstes machen sollte. Er hatte das Recht, und sie musste ihn wieder unter ihre Kontrolle bringen.
„Das wagst du nicht!“
„Reiz mich weiter, und du wirst es bald erfahren. Vielleicht schon heute abend!“ Sie überlegte. Trümpfe hatte sie kaum und war, zumindestens momentan, ihm ausgeliefert.
„Wenn du diese Abscheulichkeit wagst, werden alle deinen kleinen, schmutzigen Geheimnisse einen Weg an Augustus Ohr finden. Alle deine hinterhältigen Spielchen.“, fauchte sie ihn an und umschrieb einen runden Kreis mit ihrer Hand. „Nur weil du heimlich hinter meinen Rücken operierst, weiß ich dennoch, was du vorhast.“
Grazia hoffte, dass sie ihn durch diese Worte beruhigen könne. Pulcher ließ sich dennoch nicht auf sie ein.
„Du hast gar nichts. Beweise? Dieses Wort hast du sicherlich schon einmal gehört und weißt dennoch nicht, wie es geschrieben wird. Ohne diese sind es nur Indizien, und ich kann verhindern, dass man sie weiterverfolgt. Du hältst dich ja für so schlau, doch letzten Endes bist du genau so dumm, wie deine feinen, alten Freunde.“
Grazia zuckte zusammen. Ihr wich die Farbe aus ihrem schmalen Gesicht. Wenn er sein Vorhaben in die tat umsetzte?
Pulcher grinste schief. Diese Lektion schien sie gelernt zu haben.
„Wenn du das meinst! Eins solltest du bedenken. Die Sklaven stehen nicht nur auf deiner Seite“, fauchte sie, warf ihre rosafarbene Stola wütend über die Schulter und verließ schnell die Küche. Ihre anfangs lauten, stampfenden Schritte wurden leiser und verhallten irgendwo in der riesigen Villa. Sie wurde zur Gefahr. Pulcher musste handeln.
Marius Flaccus saß im Garten auf einer Kline und genoss einen der teuren, roten Falerner, der, wie Pulcher wusste, schon eine Weile in seinem Weinkeller unterhalb des Hauses, dahinstaubte. Mindestens fünf Jahre in seiner kleinen Amphore. Erinnerungen an eine lausige Zeit, die ihn nie wieder quälen sollte. Gedemütigt für zwei Tage, und Grazias Gehässigkeiten, die sie ihm zwanglos unter die Nase rieb.
Pulcher nickte. Zumindest für diese Erfrischung hatte sich seine Ehefrau aufgeopfert, und sie dem Senator reichen lassen.
„Wollten wir uns nicht heute abend treffen?“, murmelte er nachdenklich und goss sich einen Becher Wein ein. Den Sklaven schickte er mit einem Wink weg. Das Gespräch war zu heikel, und die Warnung, die Grazia ausgesprochen hatte, tobte in seinem Kopf. Wer wusste schon, welchen von der herumschnüffelnden Dienerschaft sie mit einem glänzenden Schmuckstück bezahlte, nur um hinter seinen Rücken an seine Geheimnisse zu kommen, und sie an sich zu reißen. Er machte die Tür zu und schob einen Riegel davor. Dass, würde sie erkennen und sollte sich besser nicht mit ihm anlegen.
„Bei dir alles klar?“, begrüßte ihn Flaccus und legte seine Beine lang auf den Boden. Hob seinen Kopf und schaute in den blauen Himmel. Wölkchen tanzten im Wind. Besser konnte er es nun wirklich nicht haben. Anders Pulcher, der grimmig aus dem Haus getreten war und versuchte, seinen Gemütszustand tapfer zu überspielen.
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