1 ...6 7 8 10 11 12 ...30 „Ähm …“, setzte Chris an um Nora etwas zu sagen, hielt jedoch inne als ihr Handy anfing zu bimmeln. Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als Metallicas „Nothing Else Matters“ als Klingelton erklang. Nie und nimmer hätte er Nora als Fan von Metallica eingeschätzt. Aber so konnte man sich täuschen. Mit einem verlegenen Lächeln nahm Nora ihr Handy und teilte ihm lächelnd mit, sie fände Metallica eben geil.
Ahja, - dachte sich Chris und lächelte. Er wäre gern weiter mit Nora in der Küche gestanden, doch nun musste er zu den Kids.
„Ich bade die Kinder“, flüsterte er ihr zu, ehe Nora das Gespräch annahm. Und im nächsten Moment wäre sie lieber bei den Kids oben, als dieses Gespräch zu führen. Am andern Ende der Leitung war ihre Mutter. Nichts hasste Nora mehr als Gespräche mit ihrer Mutter zu führen, die sie noch immer behandelte, als wäre sie ein fünfjähriges kleines Mädchen, das von nichts und niemandem eine Ahnung hatte und nur darauf wartete, dass sie angelaufen kam, um Hilfe bei ihrer Mami zu suchen.
„Nora, Kind …“. Wenn Nora diese Worte schon hörte, wurde ihr kotzübel. Das Schlimmste daran war, dass ihre Mutter sie nicht nur zu Hause oder am Telefon so benannte. Nein! Sogar wenn ihre Freundinnen oder ihr damaliger Freund dabei waren. Stets hieß es Kind, kannst du mal oder Kind, was hältst du von ... An manchen Tagen fragte sie sich wirklich wie alt sie werden musste, dass dies endlich aufhörte. Eine Antwort bekam sie allerdings nie! Nora hatte aufgehört zu zählen, wie oft sie ihrer Mutter schon beibringen wollte, sie doch bitte mit ihrem Namen anzusprechen und das „Kind“ wegzulassen. Aber immer wieder kam es ihr dann vor als ob sie mit einem Bild an der Wand reden würde. Wenn sie nicht Kind sagte, dann kam ihr voller Name zum Einsatz – Eleonora! Was genauso heftig war wie Kind. Doch Nora wusste sich mittlerweile zu helfen. Sie nannte ihre Mutter nicht mehr Mama, oder Mutti so wie früher, sondern rief sie schlichtweg Mutter, was Gloria aber nicht sonderlich beeindruckte, denn das Kind blieb. Stolze zwanzig Minuten quatschte Gloria nun Nora schon das Ohr voll. Wie sie mit Joshua gesprochen hätte und wie er ihr erzählte, dass sie bei einem wildfremden Mann eingezogen sei. Wie verantwortungslos das wäre und sie sich doch mal Gedanken über die ganzen Perversen machen sollte. Nora war mit ihrem Latein am Ende. Und was noch schlimmer war, sie verspürte wie Wut und Aggression in ihr Hochstieg und es nicht mehr lang dauern würde, bis sie aus der Haut fuhr.
„Mutter, beruhige dich. Ich bin keine Fünf mehr und ich weiß mir zu helfen. Ich kann Karate und weiß, wie man einem Mann in die Eier tritt, falls es drauf ankommt“.
„Nora, ich bitte dich. Komm nach Hause und such dir was anderes, oder arbeite mit Joshua in der Firma. Und bitte, ich möchte dich nicht noch einmal ermahnen, benutze nicht solche Wörter“.
„Hör auf damit … ich bin erwachsen!“, brüllte sie - hatte sich jedoch schnell wieder im Griff, als ihr bewusst wurde, dass es eh nichts bringen würde wenn sie sich aufregte. Es war jedes Mal dasselbe. Mit was hatte sie das nur verdient. Nora versuchte zwar stets die Ruhe zu bewahren, doch sie schaffte es einfach nicht. Gloria brachte es immer wieder fertig sie auf die Palme zu bringen. Warum konnte sie nicht so cool sein, wie andere Mütter, die ihre Kinder so nahmen, wie sie sind und sie auch behandelten wie einen Erwachsenen, wenn sie auf die dreißig zugingen. Das konnte doch nicht so schwer sein. Ihre Freundinnen lachten nur, wenn sie mal wieder kam und sich über Gloria beschwerte.
„Nora, denk immer, wie wir sind wissen wir. Wie wir werden steht in den Sternen“. Oh nein! So werden wie ihre Mutter. Niemals!
„Mutter ich muss Schluss machen. Ich ruf dich wieder an“, sagte sie und legte auf „oder auch nicht“, murmelte sie beim Hinausgehen. Nora stellte das Handy auf stumm und warf es in ihre Handtasche, die sie an einem Kleiderhaken im Flur des Hauses gehängt hatte, bevor sie nach oben eilte um wenigstens den Kids noch Gute Nacht zu wünschen, bevor sie schliefen.
„ Familienidyll“
Chris saß, halb liegend, halb sitzend, bekleidet mit einer Jeans und einem weißen Shirt, an der Kante des Kinderbettes der Zwillinge und las ihnen die Geschichte vom Wolf und den sieben Geißlein vor, als Nora an der Tür zum Kinderzimmer auftauchte. Dass es das noch gab, wunderte sich Nora, wo doch die meisten jungen Familien ihren Kindern Geschichte wie „Lauras Stern“ oder keine Ahnung was noch, vorlasen.
„Nora! Liest du uns weiter vor!“, ertönte eine etwas schläfrige Stimme von Chana und Nora hatte das Gefühl, dass Fina schon eingeschlafen war.
„Gern, wenn ich darf“, sagte sie und blickte zu Chris, der sich mühsam von der Kante rollte, um Nora den vorgewärmten Platz zu überlassen.
„Ich warte dann mal unten“, antwortete Chris, gab seinen Mädchen jeweils einen Kuss und schloss die Tür hinter sich, während Nora es sich gemütlich machte und die Geschichte weiter erzählte. Chris begab sich in Emily‘s Zimmer, um noch einmal nach seinem Baby zu sehen, das friedlich schlief, bevor er sich auf den Weg nach unten machte. Mit einem Glas Wein setzte er sich auf die Terrasse und genoss den lauen Sommerwind und das Zirpen der Grillen. Es dauerte nicht lange, bis sich Nora zu ihm gesellte um ihm mitzuteilen, dass die Zwerge tief und fest schliefen und es auch Emily gut ginge.
„Ich wünsche Ihnen dann eine gute Nacht, Herr Baxter“.
„Wollen Sie sich nicht zu mir setzen? Es ist so schön hier draußen und Sie wollen doch nicht schon schlafen gehen? Es ist doch erst sieben nach halb acht“.
„Nun, ich möchte Sie nicht stören und ich bin Ihre Angestellte. Ich glaube nicht, das sich das gehört, wenn …“.
„Lassen Sie das mal meine Sorge sein“, gab Chris ihr zur Antwort und schenkte auch ihr ein Glas Wein ein. Ich habe eh das Gefühl, dass es Sie nicht juckt, was sich gehört und was nicht“. Wo er Recht hatte, hatte er Recht. Nora war es wirklich relativ egal, was andere Leute über sie sagten. Chris hob feierlich sein Glas und auch Nora hob ihres an.
„Also, lassen Sie uns anstoßen auf … gute Zusammenarbeit und das Wohl meiner Kinder“.
Das Glas klirrte und Nora nahm einen Schluck. Nicht übel, das edle Tröpfchen, dachte sie sich und nahm einen weiteren Schluck. Einen sehr kleinen, denn sie wollte ja nicht betrunken werden. Hmm, ja … der war definitiv besser als das übliche Gesöff, was sie sonst trank!
„War wirklich an der Zeit, dass wir das nach holen“, Chris war, seit sie vor Wochen angefangen hatte immer bis spät in der Firma gewesen, und meist lag sie schon im Bett wenn er nach Hause kam und sie das Auto hörte „das mit dem Anstoßen meinte ich!“
„Hmm, ja … definitiv“, sagte Nora. Was auch sonst? Doch in ihrem Kopf rief alles Sex, Fummel, Knutschen . Schnell schloss sie ihre Augen, um die Gedanken zu verscheuchen. Was war nur los mit ihr? Klar! Sie hatte schon seit einer Ewigkeit keinen Mann mehr im Bett, aber das hieß noch lange nicht, dass sie ausgerechnet ihren Chef haben musste. Dies war ein Tabu und sollte es auch bleiben.
„Es ist wirklich schön hier draußen“, fing Nora das Gespräch an, um wenigstens etwas Konversation zu betreiben, denn das Schweigen war ja mehr als erdrückend.
„Ja, das ist es. Es war immer ein Traum hier zu wohnen, doch nun … ich lebe hier nur noch wegen der Kinder. Sie lieben das Haus und den Garten. Von mir aus könnten wir alle ebenso gut in einer Stadtwohnung leben. Vielleicht wäre das sogar besser“, sagte Chris zu ihr und stand auf. Mit den Händen in den Hosentaschen stand er nun am Rand der Terrasse und blickte auf den Garten hinaus. Nora wollte nicht über Danielle sprechen. Es tat ihm zu sehr weh, doch wenn er von allein anfing, hielt sie ihn nicht auf. Ihre Großmutter sagte immer zu ihr, als sie noch ein kleines Mädchen war, dass Sorgen einen Menschen innerlich auffressen. Wenn du also jemanden hast der dir zuhört, dann lass es raus. Ansonsten geh in die Kirche. Gott hört alle seine Schäfchen an. Doch in die Kirche wollte Nora auf keinen Fall. Ihr reichte es, in die Kirche zu gehen wenn jemand heiratete oder bei ihrer Konfirmation. Und selbst da war es ihr schon zu viel. Der Geruch von muffeligen Möbeln und Gemälden an der Wand machte ihr nur beim alleinigen Gedanken Kopfschmerzen.
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