1 ...7 8 9 11 12 13 ...30 „Wissen Sie, meine Ehe war … wie soll ich sagen … die Hölle? Nein! Denn wir hatten auch gute Zeiten. Allerdings nach der Geburt der Zwillinge nicht mehr. Danielle wollte Karriere und keine Familie. Sie war ständig auf Achse, schleifte die Babys hier und da hin, was zur Folge hatte, dass wir immer wieder Streit hatten. Ich wollte, dass meine Kinder normal aufwachsen und nicht ständig von einem Termin zum nächsten geschleift werden. Damals stellte ich sie vor die Wahl. Entweder oder …! Sie wusste ich hatte Geld und sie wusste, dass ich eine Frau niemals verlassen würde, wenn sie ein Kind von mir erwartet. Sie entschied sich für das entweder, aber nur widerwillig. Wohl fühlte sie sich dabei nicht. Sex gab es bei uns nur noch an Weihnachten oder an Geburtstagen. Und dann wurde sie wieder schwanger … es war grauenhaft“.
Chris erzählte und erzählte und Nora hörte zu. Ihm war es egal wem er seine Sorgen sagte, nur dass er sie jemandem sagen konnte, das zählte für ihn. Danielle hasste ihn, soviel stand fest. Das hatte Nora in dem bisherigen Gespräch schon herausgefunden. Sie hätte Chris niemals geheiratet, wenn sie nicht schwanger gewesen und ihre Eltern sie nicht gezwungen hätten dazu. Denn von Liebe war keine Spur, zumindest von Danielles Seite her, denn Chris hatte sie geliebt. Danielle sah nur das Geld, das Chris hatte. Liebe sei relativ. Danielle wollte Freiheit und mit zwei kleinen Kindern ging das nicht. Sie heirateten also, und sie hatte ausgesorgt. Chris las ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Ihre Karriere allerdings blieb auf der Strecke.
„Sie sagte damals zu mir ich sei schuld, dass sie nicht mehr die Bikini Figur zum Modeln hätte. Nora, stellen Sie sich das vor! Meine Frau hatte Kleidergröße 34. Eine Bikini Figur, wo man jede einzelne Rippe zählen konnte. Von da an wurde mir klar, meine Ehe war kaputt. Aber ich habe sie geliebt! Naja, meine Ehe zerbrach nicht nur deshalb, es gab auch noch andere Gründe, aber die gehören nicht hierher“.
Nora stand auf und trat hinter Chris. Sanft legte sie ihm die Hand auf seinen Arm und er drehte sich zu ihr um.
„Sie hat Sie, glaube ich auch geliebt. Auf ihre Art und Weise. Und denken Sie an die Kinder. Denken Sie an Fina, Chana und Emily. Ihre Mutter mag nicht mehr da sein, aber Sie sind es und das allein zählt“.
Chris sah Nora tief in die Augen und verspürte plötzlich das Gefühl von Wärme. Wie gern hätte er sie nun in den Arm genommen und seine Nase in ihrem Haar vergraben, doch das durfte er nicht. Er war ihr Chef, und nicht nur ein billiger One-Night-Stand! Chris war dankbar dafür, dass Nora ihm zuhörte und es tat seiner Seele auch gut. Nora hatte ihm geraten, wenn er irgendwelche Probleme hatte, er könne jederzeit mit ihr reden und das wollte er auch tun. Es war die Zeit gekommen, die Trauer und den Verlust zu überwinden. Er hatte drei bezaubernde Kinder, um die er sich sorgen musste. Er hatte keine Zeit zum Versauern.
Nora deckte gerade den Frühstückstisch, als Chris mit Emily im Arm, das Esszimmer betrat. Er trug, wie jeden Morgen, einen Anzug mit Krawatte und einer Weste darunter. Die kurzen Haare hatte er etwas mit Gel gestylt, was ihm sehr gut stand und sein Gesicht noch mehr zur Geltung brachte. Irgendwas war plötzlich los mit ihm. Er stylte sich anders, trug andere, legere´ Klamotten. Rund um, er kleidete sich cooler. Was Nora nicht mal so übel fand.
„Guten Morgen. Haben Sie gut geschlafen?“, fragte Chris und legte Emily in die Wiege.
„Morgen! Naja, ich glaub mir ist der Wein gestern Abend etwas zu Kopf gestiegen. Heute Nacht fing mein Bett an sich zu drehen“. Chris fing an zu lachen. Ein Lachen, das tief aus seinem Herzen kam und Nora ansteckte auch mitzulachen. Kurze Zeit später kamen auch schon die Zwillinge angelaufen. Barfuß und in ihren Fix und Foxi Nachthemden. Mit langen, müden Gesichtern setzten sie sich an den Tisch und tranken ihren warmen Kakao, den Nora ihnen gebracht hatte. Schweigend nahm die Familie ihr Frühstück ein, als Nora Emily holte, um ihr das bereitgestellte Fläschchen zu geben. Und während sie dem Baby den Sauger in den Mund schob, sah Fina zuerst ihren Vater und dann Nora fragend an.
„Daddy?“
„Hmm, Süße. Was ist denn?“
„Sag mal, was macht Nora denn, wenn Mami wieder nach Hause kommt? Dann brauchen wir sie doch nicht mehr oder?“
Chris wich jede Farbe aus dem Gesicht und erschrocken blickte er zu Nora, die Emily ein wenig fester in den Arm nahm. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen. Nun war es die Aufgabe von Chris seinen Mädchen zu sagen, dass ihre Mami nie wieder kommen wird.
„Ich bin draußen, im Pavillon, falls Sie mich brauchen“, sagte Nora und verließ den Raum. Mit großen Schritten lief sie zum Pavillon und setzte sich auf die Bank, die darin stand. Von hier aus würde sie nichts von der Unterhaltung mitbekommen. Doch Nora sollte sich täuschen! Es dauerte keine fünf Minuten, als Fina und Chana anfingen zu schreien, und zu weinen. Nora wiegte Emily in ihren Armen und schloss die Augen. Auch sie hatte Tränen in den Augen. Wie gern wäre sie ins Haus gelaufen um die Kinder zu trösten, doch das war nun Aufgabe von Chris. Nora konnte sich noch gut an den Moment erinnern, als ein Psychologe an ihrer Zimmertür stand und ihr sagte, dass ihr alles geliebter Papa nicht mehr nach Hause kam. Durch den ersten Schreck bekam sie nicht mal mit, warum er nicht mehr kam, doch als er dann zu ihr sagte, er sei tot, fing sie bitterlich an zu weinen. Man konnte das nicht vergleichen, denn Nora war keine Fünfjährige gewesen, wie Fina und Chana. Sie war fast erwachsen und trotzdem tat es ihr weh. Wie sehr musste es dann ein kleines Kind schmerzen, fragte sie sich und drückte Emily an sich. Fred, der gerade die Rosen neben dem Pavillon schneiden wollte, zuckte zusammen, als er das Geschrei der Kinder hörte und sah zu Nora, die mit schmerzverzerrtem Gesicht da saß.
„Was ist denn los?“, fragte er vorsichtig.
„Herr Baxter sagt den Kids gerade, dass ihre Mutter nicht mehr kommt“.
„Oh nein“, rief Fred, ließ die Schere fallen und rannte auf das Haus zu, so schnell er konnte. Er fand Chris auf den Stufen zum Obergeschoss sitzend, die Hände an den Kopf gepresst, mit verweinten Augen.
„Christopher?“
„Ich musste es ihnen sagen. Sie haben gefragt, was Nora macht, wenn ihre Mami wieder kommt. Was hätte ich denn tun sollen? Irgendwann mussten sie es doch erfahren. Denkst du nicht auch, sie hätten spätestens da Fragen gestellt, wenn sie älter sind und ihre Mama sie nicht besucht oder wenigstens mal anruft!“
„Christopher, ich mach dir keinen Vorwurf“, sagte Fred und ließ sich neben ihm nieder. „Aber du hättest trotzdem noch warten müssen“.
„Nein, Fred. Lieber zu früh als zu spät“, Chris erhob sich und rieb sich die Augen trocken. „Ich geh nach oben und sehe nach den beiden und dann … Wo ist Nora?“
„Draußen mit Emily. Ich hatte den Anschein, das ihr Herz blutetet, als die Mädchen zu brüllen anfingen. Aber keine Sorge, sie kommt schon klar“, antwortete Fred und Chris machte sich auf den Weg nach oben. „sieh du nach deinen Mädchen, das ist nun das Wichtigste“.
Chris betrat langsam das Zimmer von Fina und Chana und setzte sich zu den Mädchen ans Bett. Fina lag mit dem Gesicht nach unten da und wimmerte, während Chana ihr den Rücken streichelte. Es war ein zu süßes Bild, wie die eine Schwester die andere tröstet.
„Kommt her ihr beide“, sagte er und nahm sie in den Arm. „Ich weiß, wie schwer das für euch ist. Ich wollte es euch auch nicht sagen, aber was hätte ich denn tun sollen? Ihr seid fünf Jahre alt und werdet so schnell groß. Ich musste es tun. Nicht mehr weinen, Baby. Ok?“
Fina sah Chris mit ihren verweinten Kulleraugen an und wischte sich dann mit der Hand über ihre Nase, bevor sie Fragen stellte wo Chris nicht mal dachte, dass sie in einem so kleinen Kopf vor sich ging. Fina wollte wissen, warum ihre Mama tot sei und was denn das Wort tot überhaupt ist, während ihre Schwester nur wissen wollte, wo denn ihre Mama nun wohnt. Chris erklärte es ihnen so gut er nur konnte und als er merkte, dass es genug war, sich die beiden beruhigt hatten und wieder anfingen mit ihren Puppen zu spielen, ging er wieder nach unten.Im Esszimmer angekommen, schnappte er sich sein Handy und meldete sich für den Rest der Woche krank. Estelle war natürlich sofort alarmiert, als Chris sie anrief und ihr sagte, was sie noch zu erledigen hatte. Sie bot ihm an sofort vorbeizukommen, um nach ihm zu sehen, doch er lehnte dankend ab. Was er jetzt nicht im Geringsten brauchte, war eine Frau namens Estelle. Nachdem er alle Aufgaben verteilt hatte, begab sich Chris zu Nora in den Garten. Total von der Rolle setzte er sich neben sie auf die Bank, sagte aber nichts.
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