„Gut. Dann stell ich Sie jetzt mal den Kindern vor. Zuallererst …“, fing er an und nahm das Baby aus dem Tragebeutel. „Das ist Emily“.
Chris gab Nora das Baby, und sie hielt es vorsichtig im Arm. Sie war wunderschön. Aber welches Baby war das nicht? Emily hatte einen weichen Flaum am Kopf, wunderschöne Lippen und ein süßes kleines Stupsnäschen. Ihre Händchen hatte sie zu Fäusten geballt und die Augen hatte sie die meiste Zeit geschlossen. Aus ihrem Mundwinkel blies sie ein wenig Spucke, was Nora sehr süß fand. Sie drückte das Baby fester an sich und roch da zum ersten Mal, wie gut es nach Puder und Babylotion roch. Mit einem Mal wünschte sie sich selber so ein kleines Wesen, das sie lieb haben konnte. Doch so ohne Mann könnte das ein Problem werden. Und einen Reagenzglas Papi wollte Nora auf keinen Fall für ihr Baby haben. Chris konnte nur lächeln, bei dem Anblick. Man hätte meinen können Nora hätte nie ein Baby gesehen, geschweigen denn eines im Arm gehalten.
„Sie hatten doch schon mal ein Baby im Arm?“
„Ähm, natürlich. Sie war, - ist das Kind einer Freundin. Mittlerweile ist sie elf Jahre alt. Es ist nur - so ein kleines Wesen, so süß und zerbrechlich“.
„Ja das ist sie - süß! Und da draußen rennen meine Mäuse - Fix und Foxi“.
Chris bemerkte Noras entsetztes Gesicht und fing an zu lachen, wobei er eine Reihe blendend weißer Zähne zeigte.
„Nicht falsch verstehen. Die Kids heißen nicht wirklich so. Ich nenn sie nur so. Das Mädchen in Orange, mit der lila Hose ist Fina, und das andere Mädchen mit der grünen Hose und dem pinken Shirt ist Chana. Und wundern Sie sich nicht über die Farbwahl der Klamotten. Die Mädchen haben sich heute selber ausgesucht, was sie anziehen wollen.“
„Fina und Chana? Sehr seltene Namen“.
„Ja. Meine Frau suchte sie damals aus. Wir dachten am Anfang es würde ein Junge werden. Daher wollte sie, dass unser Sohn Finn hieß, ein Name aus dem finnischen. Warum auch immer! Ich fand den Namen nicht so toll, aber egal! Als sich dann aber entschied, dass es zwei Mädchen werden machten wir aus Finn, Fina. Danielle suchte noch den anderen Namen aus, und kam auf Chana. Er kommt aus dem hebräischen und bedeutet irgendwas mit Gott - fragen Sie mich nicht!“
„Schön. Ähm, wo ist denn Ihre Frau gerade? Lerne ich sie denn auch kennen?“, fragte Nora und merkte auch gleich, wie das Gesicht von Chris ernst wurde.
„Entschuldigen Sie, wenn ich was Falsches gesagt habe“.
„Nein, nein. Irgendwann müssen Sie es ja erfahren. Meine Frau ist vor vier Wochen tödlich verunglückt. Sie raste auf der Schnellstraße in den Gegenverkehr“.
Oh Scheiße! Nora erinnerte sich an den Unfall. Sie hatte den Artikel in der Zeitung gelesen. Der Fahrer des Wagens hatte nicht die geringste Chance. Wäre ja auch ein Wunder gewesen, wenn man mit hundertsiebzig Sachen in den Gegenverkehr brettert. Die armen Kinder dachte sich Nora und sah zu den beiden Zwillingen, während sie Emily fester an sich drückte. Und das Baby erst! Noch so klein und schon ohne Mama.
„Hallo Daddy!“, ertönte da die Stimme von Fina und riss Nora aus ihren Gedanken „Wer ist das?“
„Das ist Nora“.
„Spielt sie mit uns?“
„Gern“, antwortete Nora und legte Emily, die inzwischen eingeschlafen war in das Körbchen, das unter dem Baum im Garten stand. Chris setzte sich auf die Terrasse und beobachtete die drei.
„Und was sollen wir nun spielen?“
„Fangen!“ ertönten die Stimmen der Zwillinge und Nora klatschte ab.
„Ihr seid dran … fangt mich!“, rief sie und rannte los aber so, dass die beiden fünfjährigen auch hinterher kamen. Das machten sie eine Weile, dann wälzten sie sich mit ihnen auf dem Boden, kitzelte sie und lachte. Nora ging das Herz auf wenn sie Kinder lachen hörte, und so war es auch bei den beiden Kindern von Chris. Ab und zu musste auch Chris lachen, wie Nora mit den Kids spielte. Was ihn aber am meisten berührte war, dass sie sich um Emily sorgte. Immer wieder hob sie die Hand um das Spiel zu unterbrechen und lief zu dem Körbchen, in dem seine jüngste Tochter schlief. Das war sie! Nora war das neue Kindermädchen! Sie sollte den Job bekommen!
Langsam ging die Sonne unter, und Nora hatte schon fast keine Puste mehr in ihren Lungen vom vielen Rennen. Der Garten von Christopher Baxter war riesig. Nora verstand es nicht wie ein Mann allein, den Garten so schön pflegen und sich um seine Kinder kümmern konnte. Bis Fred, mit dem Rasenmäher-Traktor auftauchte. - Na klar! Ein Gärtner! Hätte sie ja gleich drauf kommen können!
„Aaahhh, Nora komm schnell, der Drache kommt. Lauf schnell, bevor er uns bekommt!“, rief Fina und zog Nora hinter sich her auf die Terrasse, wo Chris die Zeitung las.
„Oh nein! Fina schau! Wir haben Emily vergessen! Er holt sich das Baby“, rief Nora gespielt entsetzt, als Fred seine Runde um den Baum drehte, unter dem Emily friedlich weiterschlief.
„Wir retten sie. Das ist unser Baby!“, riefen die Zwillinge und rannten los. Sie zogen den Korb mit Emily zur Terrasse und Nora hob die Kleine hoch.
„Er hat sie nicht erwischt“.
„Dank eurer Hilfe. Ihr seid klasse. Emily wird später sehr stolz auf euch sein, so mutige Schwestern zu haben“, lächelte Nora und auch die Kinder lachten.
„So ihr Krümel, los rein mit euch. Hände waschen und Zähne putzen. Es ist Zeit fürs Bett. Ihr seid eh schon über eurer Zeit“.
Das Jammern der beiden sagte schon, dass es ihnen absolut nicht gefiel in die Falle zu gehen. Sie wollten lieber noch mit Nora herumtollen. Doch ein Blick aus Chris Augen zeigte ihnen, dass es keinen Sinn hatte zu widersprechen. Denn Daddy hatte Recht. Immer! Oder zumindest fast!
„Komm Nora, wir zeigen dir unsere Zimmer“.
„Das geht leider nicht“, erwiderte Chris. „Nora und ich haben noch was zu besprechen, aber wenn wir fertig sind dann kommt sie bestimmt noch hoch und deckt euch zu“.
„Fein“. Fina rannte voraus und Chana hinterher, während Chris Nora in sein Arbeitszimmer geleitete. Hier waren alle Möbel in schwarz gehalten und der Schreibtisch hatte eine Glasplatte. Dieser Raum war eindeutig ein Männerzimmer.
„Setzen Sie sich. Wie Sie ja bemerkt haben war ich die ganze Zeit im Garten, als Sie und die Kinder spielten. Und ich habe mich entschieden. Sie bekommen den Job“.
Nora konnte es nicht fassen. Langsam fing sie wieder an zu atmen, denn sie hatte die ganze Zeit die Luft angehalten.
„Danke“.
„Keine Ursache. Mir gefiel wie Sie Emily mit einbezogen haben. Das machte einen Pluspunkt. Sie haben sehr viel übrig für Kinder und Sie sind jung“. Ja klar, wenn man neunundzwanzig als jung bezeichnen will.
„Daher würde ich sagen, Sie fangen morgen hier an und ziehen dann Ende der Woche hier ein“.
„Wow! Moment! Wie ich zieh hier ein?“
Chris wunderte sich ein wenig über Noras Reaktion. Es war doch im Grunde genommen klar, dass wenn man eine Nanny für seine Kinder einstellt, diese auch bei den Kindern wohnen würde.
„Haben Sie ein Problem damit?“
„Nun, ähm ich dachte nicht, dass ich hier einziehen muss, um auf die Kinder aufzupassen. Ich dachte eher daran, dass ich morgens komme und abends wieder gehe“. Chris legte seine Arme auf den Schreibtisch und beugte sich leicht nach vorne.
„Nun, das wäre ja kein Problem, allerdings werde ich wieder arbeiten gehen, wenn Sie dann für die Kinder sorgen. Ich muss ja Geld nach Hause bringen um Sie zu bezahlen. Und die Kinder brauchen ja auch was. Daher wäre es ratsam wenn Sie hier wohnen. Ich weiß ja auch nicht, wann ich abends nach Hause komme. Wer bringt dann die Kids ins Bett?“
Nora überlegte kurz, er hatte ja Recht, und sagte ihm dann, sie könne es ja mal versuchen. Wenn es nicht funktionieren sollte, könne sie ja immer noch in ihre Wohnung zurück. Chris nahm den Vorschlag lächelnd an, denn in seinem Inneren wusste er schon jetzt, wenn sie erst mal die Kinder ins Herz geschlossen hatte, würde sie nie mehr ohne sie auskommen.
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