„Ja bitte?“
Erschrocken drehte sich Nora um. Wow! dachte sie und auch Chris, blieb der Mund offen stehen, als er in Nora´s Gesicht blickte.
„Ähm entschuldigen Sie, das ich Sie störe, aber ich möchte mich gern um die Stelle als Kindermädchen bewerben“.
Kindermädchen? dachte sich Chris, als er in Nora´s junges Gesicht blickte. Hatte er hier gerade Funken geschlagen? Chris war so in Gedanken, dass er im ersten Augenblick nicht mal wusste, was diese Dame überhaupt wollte.
„Stelle? Welche Stelle denn?“
„Die Annonce in der Zeitung! Sie suchen ein Kindermädchen!“
„Ach ja, stimmt!“ Wo hatte er nur seine Gedanken? „Ok, aber … ähm, die Kids sind schon im Bett und, ähm ... was halten Sie davon, wenn Sie morgen früh nochmal herkommen? So gegen zehn?“
„Cool! Ja das ginge. Danke! Dann bis morgen also“, sagte Nora und eilte wieder davon. Oh mein Gott, schoss es Nora durch den Kopf. Hatte sie wirklich gerade Cool gesagt?
„Ja, dann bis morgen!“, rief Chris ihr nach, obwohl er nicht mal wusste, ob sie ihn noch gehört hatte. Sie hatte ihm nicht mal ihren Namen gesagt, aber sie war jung, - und cool!
Vielleicht hatte sie ja etwas an sich das den Kindern gefallen würde, fragte er sich und schloss die Tür, nachdem Nora außer Sichtweite war. Chris zog sich in sein Arbeitszimmer zurück und begann noch ein paar wichtige Unterlagen in seinem PC zu durchstöbern. Wenn er erst mal wieder in der Firma wäre, dann würde er so schnell wie möglich den Kauf der Firma von Richard Ladbar unter Dach und Fach bringen. Schon seit längerer Zeit lag ihm das Angebot vor der Nase, und Chris hätte auch schon längst zugesagt, doch dann war Danielle, - seine Frau - so tragisch ums Leben gekommen und sein erster Gedanke zählte den Kindern. Chris Job war es Firmen, die vor dem finanziellen Ruin standen, aufzukaufen und dann wieder teuer auf dem Markt anzubieten. Vorher musste er, beziehungsweise seine Firma, die Verkaufszahlen der Firma wieder nach oben treiben, um den Marktanteil zu vergrößern. Ob er das bei RvL schaffe stand noch nicht fest, denn die Firma stand sehr tief in der Scheiße und es gab einige Verzögerungen. Einer davon war Danielles Tod. Chris schloss die Augen, um den Schmerz zu lindern. Er musste sich zwar eingestehen, dass ihre Ehe nicht perfekt und auch die letzte Zeit nur noch von Streitereien und Missgunst geprägt war, aber sie waren ein Ehepaar und sie hatten drei bezaubernde Kinder miteinander. Völlig aus der Bahn geworfen und überwältigt von seinen Gefühlen, schloss Chris den Laptop, stand auf und begab sich an die Bar, die er in sein Arbeitszimmer hatte einbauen lassen. Danielle hatte ihm immer vorgeworfen, er würde heimlich saufen und Chris hatte an manchen Tagen, wenn sie sich mal wieder heftig gestritten hatten, wirklich überlegt ob er sich betrinken sollte. Hatte es dann aber gelassen, sich bei seiner Frau entschuldigt und sie dann leidenschaftlich geliebt. Da war dann plötzlich alles wieder in bester Ordnung, und er liebte sie wie am ersten Tag. Doch nun war sie tot und Chris musste sich nicht mehr zusammennehmen. Danielle hatte sich mit einem „Ich geh schnell was besorgen. Komm gleich wieder“, verabschiedet, doch sie kam nicht mehr. Er schenkte sich ein Glas Whiskey ein und kippte es in einem Zug hinunter. Der Alkohol brannte zwar in seiner Kehle, aber er hatte die Hoffnung, dass damit der Schmerz über den Verlust von Danielle weg gebrannt wurde. Doch Chris sollte sich täuschen, denn der Schmerz war auch nach sieben Gläsern noch da und sollte ihn auch am nächsten Tag, in Form von tierischen Kopfschmerzen noch verfolgen.
Nora saß in der Küche ihres Bruders und starrte in das Glas Cola das vor ihr auf dem Tisch stand. Noch immer ging ihr der gut aussehende Chris nicht aus dem Kopf. Immer und immer wieder wurde in ihrem Kopf die Tür geöffnet und Chris kam heraus. Wie sein Hemd über seiner Brust spannte und das kurze Haar golden leuchtete.
„Alles ok?“, fragte Joshua seine Schwester und riss sie so aus ihren Träumereien.
„Was? Jaja … alles bestens!“
Ob ihr Joshua glaubte oder nicht wusste Nora nicht. Was ihr im Moment aber auch völlig egal war. Sie wusste nur noch, dass sie diesen Job haben wollte. Doch im nächsten Moment wurde sie wach. Hallo? Der Mann hatte Kinder und dazu gehörte auch ganz sicher eine Frau, ging es ihr durch den Kopf. Du kannst nicht immer nur an Männer denken. Und außerdem suchst du einen Job und keinen Mann!
„Nora? Hallo, Nora?“
„Hmmm?“
„Sag mal, wo bist du die ganze Zeit schon? Ich erzähl dir hier meine Sorgen in der Firma unseres Vaters, und du träumst hier rum“.
„Entschuldige, ich war in Gedanken“.
„Gedanken? Du hast geträumt, von einem Mann wahrscheinlich. Wenn man dir genau zugesehen hat, sah man, wie dir der Sabber aus dem Mundwinkel tropft“,
„Du spinnst ja!“, konterte Nora, obwohl sie gegen einen Mann im Moment wirklich nichts auszusetzen hätte. Wenn sie so drüber nachdachte, wusste sie nicht einmal, wann sie das letzte Mal ein Date, eine Beziehung oder Sex im Allgemeinen hatte. Das musste mindestens schon zwei Jahre zurückliegen? Nora schüttelte ihre Gedanken ab und wandte sich wieder an ihren Bruder.
„Aber nun erzähl mir nochmal von der Firma“.
Joshua rollte mit den Augen und fing noch mal ganz von vorne an. Dass die Firma kurz vor dem Verkauf stehe und er nicht mehr wüsste, wie er das Erbe ihres Vaters halten könne. Richard van Ladbar hatte die Firma vor dreißig Jahren von Egon van Ladbar, seinem Vater, einem holländischen Auswanderer, übernommen. Er hatte in den Niederlanden angefangen mit dem Bau von Motoren für Sportflugzeuge Geld zu verdienen. Doch das reichte ihm nicht. Egon wollte mehr. Viel mehr! Egon kaufte eine Firma in den Staaten, in Deutschland und China, wobei China nur für den Bau der Motoren zuständig sein sollte. Made in China – versteht sich! Als Richard in das Alter kam um mit in die Firma einzusteigen, hatte Egon bereits alles geklärt und Richard konnte die Leitung für den Vertrieb übernehmen. Da er der einzige Sohn von Egon van Ladbar war, konnte er nach dessen Tod nun mit der Firma tun was er wollte und so ging Richard an die Börse. Es brachte ihm noch mehr Geld, doch auch den Absturz … und mit dem mussten sich nun Josua und Nora herumschlagen.
„Und was willst du jetzt tun?“
„Ich weiß es nicht. Der Käufer hat sich in der letzten Zeit nicht gemeldet, aber seine Firma ist drauf und dran uns zu übernehmen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit. Nora, wenn es wirklich so endet, dann ist unser Erbe futsch. Aber ich allein kann es nicht halten. Seit Monaten nur noch rote Zahlen. Ich kann nicht mehr!“
„Jetzt mal den Teufel nicht an die Wand. Wir schaffen das schon. Ich helfe dir“.
„Wie willst du das denn tun? Uns fehlt Geld, jede Menge Geld“.
„Lass mich mal machen. Ich habe, oder bekomme vielleicht den Job als Kindermädchen und die verdienen nicht schlecht, vor allem bei mehreren Kindern. Dieses Geld stecke ich dann in die Firma und wir können Vaters Erbe behalten“.
„Das würdest du wirklich tun? Aber Nora, – Kindermädchen? Ich weiß nicht!“
„Ich bin deine Schwester und die Firma gehört zum Teil auch mir … warte mal!“, plötzlich ging Nora ein Licht auf. „Du kannst die Firma ja gar nicht verkaufen“.
„Warum denn nicht?“, fragte Josh überrascht.
„Ein Teil gehört mir. Mutters Teil hast du ja schon, der wurde auf dich überschrieben, stimmt´s? Aber meiner noch nicht. Und ohne meine Unterschrift kannst du nichts machen. Daher würde ich sagen, die Firma bleibt in unserem Besitz, bis ich genügend Geld zusammenhabe, um den Gläubiger zu bezahlen“.
Joshua stand auf und kam zu Nora herum. Er nahm sie bei der Hand und zog sie hoch in seine Arme.
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