„Doch vorher musst du noch studieren, bevor du endgültig mit in die Firma einsteigst“, hatte ihr Vater damals zu ihr gesagt. Und Nora hatte sich ein Beispiel an ihrem Bruder genommen und Betriebswirtschaft studiert. Doch kurz bevor Nora mit ihrem Studium fertig war, starb ihr Vater unter mysteriösen Umständen. Ihre Mutter sagte, er wäre bei einem Segeltörn ums Leben gekommen. Doch Nora war nicht blöd. Sie wusste - genau wie ihre Mutter auch, die es aber nie wahrhaben wollte, dass auch sie zu den Familien gehörten, bei denen eine Ehe in die Brüche ging. Dass ihr Vater seit Jahren eine Geliebte hatte und sich mit ihr vergnügte, während ihre Mutter mit ihnen zu Hause saß, lernte oder sich ab und zu mit ihren Freundinnen in der Stadt zum Shoppen traf. Wahrscheinlich war er damals auch mit ihr auf der Yacht der Familie und hatte sich beim Liebesspiel übernommen. Immerhin kratzte er da schon an der Sechzig. Und obwohl es schon Jahre zurücklag, alleine der Gedanke an ihren Vater, den sie über alles geliebt hatte, schnürte Nora die Luft ab. Nun lag es an der Familie das Unternehmen weiter zu führen und Nora tat ihr bestes, gemeinsam mit ihrem Bruder die Geschäfte zu leiten. Doch dann kam es immer wieder zu Streitereien zwischen ihr und ihrem Bruder Joshua, und Nora verließ schon ein halbes Jahr später das Unternehmen um was anderes zu machen. Nora war ein Familienmensch, und nie hätte sie es überwunden wenn die Familie kaputt und vollkommen auseinander- gegangen wäre, nur weil sie ihrem Vater eine gute Tochter sein wollte. Doch ihr Vater war nun tot und Nora überließ Joshua das Ruder. Sie liebte ihn und wollte nicht im Streit mit ihm sein. Kurz entschlossen, lernte sie Erzieherin in einer Kindertagesstätte und nun war ihr auch das zu viel und sie musste sich wieder was Neues suchen. Aber egal wo sie nachsah, keiner suchte eine Erzieherin. Nora war fast am Verzweifeln. Nora hatte gerade die letzte Seite der Zeitung aufgeschlagen, als ihr die Anzeige von Chris Baxter ins Auge fiel.
„KINDERMÄDCHEN gesucht“ darunter noch die Telefonnummer und die Adresse. Das war es! Kindermädchen für ein Kind, maximal zwei Kinder und nicht für eine ganze Horde.
„Ich muss los Mutter. Bis bald!“, rief Nora, schnappte sich die Zeitung und verschwand, noch bevor ihre Mutter etwas sagen konnte.
„Aber! Nora? …“
„Ich ruf dich an!“, … oder auch nicht!
„Tut mir leid, aber Sie bekommen den Job leider nicht“, sagte Chris zu der Dame, die nun in seinem Arbeitszimmer saß und den Mund vor Entsetzen nicht zu bekam.
„Aber … aber …“
„Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, aber mir sind die Kinder sehr wichtig, und ich habe Sie beobachtet als Sie mit Fina und Chana spielten, wenn man das Spielen nennen kann, aber was mir am meisten Sorge bereitete war, dass Sie nicht ein einziges Mal nach Emily gesehen haben“.
„Aber die schlief doch! Was sollte ich denn nach ihr sehen?“
„Bitte? Das Kind ist vier Wochen alt. Es hätte aufhören können zu atmen und Sie hätten es nicht mal bemerkt“.
„Also bitte Herr Baxter, ich finde Sie steigern sich da in was hinein“.
„Nein tue ich nicht. Ich weiß, was es heißt, plötzlich einen Menschen zu verlieren und ich kenne auch den Begriff plötzlicher Kindstod . Und daher werde ich Sie nicht einstellen und bitte Sie nun zu gehen“, sagte Chris und begleitete die Dame zur Tür.
„Sie machen einen Fehler. Ich habe über zwanzig Jahre Berufserfahrung. Jemanden wie mich finden sie nicht so schnell“.
„Das mag ja sein, aber für mich und meine Kinder, sind Sie leider die Falsche“, sagte er und schloss, nachdem er sich höflich verabschiedet hatte, die Tür. Hoffentlich hatte dieses Elend bald ein Ende und ich kann wieder in einen normalen Arbeitsalltag zurück, dachte sich Chris als er sich erschöpft gegen die Tür lehnte. Diese ständig neuen Bewerberinnen und jedes Mal dasselbe. Entweder sie machten schon an der Tür kehrt wenn sie Emily sahen, oder sie beachteten das Baby nicht. Und das Tag ein, Tag aus! Er war am Ende! Die erste Bewerberin, war Frau Bachmann. Sie war fünfzig Jahre alt und hatte hier und da schon graue Haare. Beim Gespräch mit ihr stellte Chris schnell fest, dass sie eigentlich nur einen Job suchte, wo sie die letzten Jahre bis zur Rente rum brachte. Die zweite Dame, war Frau Michels. Eine Dame in strengem Kostüm, wie bei Mary Poppins und der Ansicht, man müsse Kinder streng erziehen und ihnen nicht alles durchgehen zu lassen. Chris wusste gleich, dies wäre nix für seine Kinder. Nicht das er irgendwann mal nach Hause kommen würde und seine Mädels wäre in einem Internat. Zum Glück hatte er keine Jungs. Die hätte sie wahrscheinlich auf eine Militärakademie geschickt. Nummer drei, entpuppte sich als junges Mädel, mit bauchfreien Top und abgeschnittenen Jeans. Nummer vier, machte zwar einen guten Eindruck und schien auch einen guten Draht zu den Kindern zu entwickeln, doch auch darin sollte sich Chris täuschen. Denn als Chris mit Frau Jakobs in seinem Büro saß und die Einzelheiten besprechen wollte, kamen die Zwillinge angerannt und hielten der Dame eine Schachtel, voll mit Käfern vor die Nase. Alle Sorten Käfer waren darin enthalten, angefangen beim Marienkäfer bis hin zu den fettesten Käfern, die man finden konnte. Frau Jakobs fing nur noch an zu brüllen und zwar so laut, dass die Mädchen die Schachtel mit den Viechern fallen ließen und sich sämtliche Käfer in seinem Arbeitszimmer ausbreiteten. Dass Chris diese Dame nie wieder sah, war ja mal klar, wie Kloßbrühe. Mittlerweile kannte Chris die Nummer der „Nannyagentur“ schon auswendig und auch den Namen der netten Dame, die dort arbeitete, kannte er. Vielleicht sollte er sie mal zum Essen einladen, damit sie sich selbst ein Bild seiner Rasselbande machen konnte, um dann so besser die Damen auszuwählen, die sie herschickte.
„Herr Baxter! Wieder nichts? Was war es diesmal?“
„Käfer! Diese Dame hatte Angst vor Käfern“.
„Was soll ich noch tun, Herr Baxter? Ich habe Ihnen die qualifiziertesten Damen geschickt die ich hatte. Ich kann Ihnen nicht mehr helfen. Tut mir leid“.
„Aber Mandy, hören Sie zu. Ich brauche dringend ein Kindermädchen. Ich habe auch noch einen Beruf“.
„Haben Sie die Anzeige in der Zeitung schon geschaltet?“
„Ja habe ich, aber es hat sich noch niemand gemeldet. Was soll ich denn noch tun? Bald glaube ich selbst, dass meine Familie verhext ist“.
„Wer sagt denn so was? Ihre Familie ist doch nicht verhext, - obwohl wenn ich an die letzte Zeit denke, dann könnte …“.
„Frau …! Ach keine Ahnung … Mandy bitte! Helfen Sie mir. Ich werde bald wahnsinnig!“
„Ich werde sehen, was ich noch tun kann. Bis dann Herr Baxter“, sagte sie und legte auf, während Chris sein Telefon noch immer in der Hand hielt. Es wird sich doch irgendein Kindermädchen finden, das alle seine Kinder mochte?
Chris brachte die Kinder, nachdem er sie gebadet hatte, ins Bett und las ihnen wie jeden Abend, noch eine Geschichte vor. Normalerweise würden das die Mamas machen, nicht jedoch in seinem Fall. Denn seine Kinder hatten keine Mama mehr. Dass ihre Mama tot war, hatte er ihnen noch nicht gesagt. Für sie wäre es besser, wenn sie bei dem Glauben blieben, ihre Mutter hätte sie verlassen und wohne nun woanders. Doch irgendwann würde er es ihnen sagen müssen, - und davor hatte er heute schon Angst.
„So ihr Mäuse, nun wird geschlafen“.
„Daddy?“
„Ja?“
„Kommt morgen wieder so eine doofe Frau?“
„Nein, meine Süße morgen nicht. Und nun Augen zu, und schlafen. Gute Nacht!“, sagte Chris und gab seinen Mädchen noch einen Kuss, bevor er das Zimmer verließ, und nach unten ins Wohnzimmer ging. Oh Mann! Was tat er da seinen Kindern nur an ging es ihm durch den Kopf, als es an der Tür klingelte. Etwas verdutzt schaute er auf die Uhr. Es war kurz nach sieben, wer könnte denn jetzt noch kommen? Chris öffnete die Tür und traute seinen Augen kaum. Er blickte auf den Rücken einer Dame mit einem Rotbraunen Pagenschnitt, langen Beinen und einem süßen Hintern.
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