1 ...7 8 9 11 12 13 ...21 »Du erinnerst wohl, wie er auf'm Christfest die kleine Mary angegangen is'!«, ereiferte sich Rowena. »Er hatt' das Kind inne dunkle Ecke gezerrt, und das beim Kirchenfest - das muss sich einer mal vorstell'n! Wenn's mein Sherwin nicht zufällig gesehen hätt' und sie weggeholt! Weiß der Himmel, was dem arm'n Mädchen sonst passiert wär'.«
»Dass er 'n lausiger Kerl is', weiß jeder, auch ohne dass du's laut am Zaun krakelst.« Siorus Worte kamen als zischendes Flüstern. »Doch der Mary hätt' er sicher nix getan.« Rowena senkte kaum die Stimme.
»Woher willste das wiss'n? Du nennst ihn 'nen miesen Kerl!? 'n Frauenschänder is' er – aber wen kümmert's schon, wenn er in der Gunst des Grafen steht.«
Gavin ließ die beiden streiten und beschloss, den Tag über am Teich nah der Kirche zu verweilen, in der Hoffnung, manch einer der Dorfbewohner würde ihm zerschlissene Töpfe zum Ausbessern bringen. Vielleicht war ihm einer der Landleute wohlgesonnen und ließ ihn über Nacht auf seinen Hof. Als Gavin an einem geeigneten Plätzchen anhielt, hatte einer der Reiter sein Pferd gewendet und kam auf ihn zu.
»Wie steht es mit dir, Kesselflicker, bist du Sir Vance letzter Tage begegnet?« Keck blinzelte Gavin zu dem Reiter hinauf, denn die Sonne stand in dessen Rücken. Jung war er, und finster zugleich.
»Wie schaut er denn aus?«
»Du kennst meinen Bruder nicht - Sir Vance?« Augenblicklich spürte Gavin am Tonfalls des Mannes, dass er auf der Hut sein musste. Wohl wusste er, dass Sir Vance Befehlshaber der Stadtwache von Castellyn war.
»Ich komm' viel rum, Mylord, und seh' viele Rittersmänner hoch zu Ross, da vermischt der Kopf, was die Augen zuhauf geschaut hab'n.«
»Ein stattlicher Mann - gutaussehend - das Haar dunkelblond und schulterlang - stets im Livree von Cyfrinshire, mit silbernem Drachen auf der Brust.« Coles Worte kamen stockend; ihm schien nicht zu behagen, eine Beschreibung seines Bruders abgeben zu müssen. Gavin starrte den Ritter an, derweil er vorgab, zu überlegen. Cole wurde ungehalten. »Nun!?«
»Nee«, erwiderte Gavin knapp, wandte sich seinem Karren zu und begann, den Esel auszuspannen. »Jenen Ritter hab' ich schon lang' nich' mehr geseh'n.« Aus den Augenwinkeln konnte er verfolgen, wie Unverständnis die Brauen des Mannes zusammenzog, gefolgt von Zorn.
»Aber anscheinend erinnerst du dich an ihn!?«
»Ja, Euer Gnaden, denn von seiner Art gibt's nur ein'n.« Cole mißachtete die Andeutung und sah ihn prüfend an.
»Ziehst du von Norden her durch Cyfrinshire?«
Von der Seite blinzelte Gavin erneut zu ihn auf. »Von Carmarthen kam ich, über Whitland Abbey, Mylord.« Gavin war zwar ungeschickt, doch tumb war er nicht. Im Lauschen geübt hatte er jedes Wort gehört, das der Vogt mit den Getreuen gesprochen hatte. Bedingt durch das mäßige Fortkommen, zu dem ihn der Karren zwang, hätte er auf nördlicher Route Sir Vance womöglich begegnen müssen. Doch Carmarthen lag in der benachbarten Grafschaft in entgegengesetzter Richtung.
»Solltest du die Unwahrheit sprechen, so gnade dir Gott.«
Nach diesen Worten senkte Gavin still den Kopf. ..sofern man an ihn glaubt , dachte er bei sich. Noch immer fühlte er den verächtlichen Blick im Nacken. Schließlich lenkte der Junker sein Pferd um und trabte grußlos davon.
*
Almina spürte die Sonnenwärme im Eichenholz unter ihrer Hand, als sie sich beim Verlassen der Stube an den Türrahmen stützte, damit sie sicher über die Schwelle steigen konnte; in der anderen Hand trug sie einen Eimer mit Schmutzwasser, den sie oben am Bach säubern wollte. Erneut war sie zur Mittagsstunde gekommen, hatte die Wunden versorgt und Rees geholfen, eine frische Suppe zu kochen. Sie blinzelte in die tiefstehende Sonne und schaute zum Kamm hinauf, wo ihre trüben Augen im Licht des Nachmittags die Umrisse dreier Reiter erkannten. Noch schienen sie zu beraten, welcher von ihnen im nächsten Moment zum Hof hinab kommen würde. Ein kurzer Blick zum Feld gab ihr zu verstehen, dass Rees die Gefolgsleute ebenfalls bemerkte hatte; Pflug und Pferd standen still, wie er selbst, gelähmt vor Schreck.
Almina tat einen Schritt über die hölzerne Schwelle hinaus auf den flachen Lehmboden. Zugleich löste sich einer der Mannen von den anderen und kam im Trab den Pfad hinunter. Immer deutlicher wurde die sich nähernde Erscheinung, ein junger Bursche, ungeduldig und mit finsterer Miene, nur das Licht der Sonne brach sich schimmernd auf dem blonden Schopf. Sein bartloses Gesicht trug edle Züge und barg gleichsam Ungnade wie fehlende Beherrschung. Die abstehenden Ohren schienen ihn allerdings verspotten zu wollen. Almina stellte den Eimer beiseite, faltete die Hände vor dem Leib und beugte sich in Ehrfurcht soweit vor, wie es ihr altes Kreuz erlaubte.
»Willkomm'n, edler Herr.« Ihr Gruß blieb unerwidert, der junge Mann sah sich lediglich nach allen Seiten um. Noch zu jung für die Ritterschaft trug er unter der blau-weißen Tunika statt des Kettenhemds ein gefüttertes Lederwams, wie sich an den Ärmeln erkennen ließ, und auf seiner Brust prangte der Silberdrache von Cyfrinshire. Almina hatte den Burschen schon einige Male gesehen und mutmaßte, dass er der jüngere Bruder des Vermissten sein könnte.
»Wer außer dir lebt noch auf dem Hof?« Er blickte zum Feld hinüber.
»Landmann Rees und seine Magd, edler Herr.«
Der Reiter ließ den Blick schweifen. »Wo ist das Weib?«
»Se liegt im Fieber, drinn'n inner Stube.« Sein dünkelhaftes Antlitz spiegelte Unglauben. »Ich bitt' Euch, geht selbst, werter Herr und schaut.«
»Teufel werd' ich! Weiß der Vogt, dass ihr die Seuche hier habt?«
»Is' keine Seuche, is' 'nen Wundfieber.«
»Was hat sie sich getan?« Ohne zu überlegen, erwiderte Almina: »'Nen Köter war's, hat ihr's Bein aufgeriss'n.«
»Dann wird sie ihn wohl gereizt haben?« Er grinste. »Nun denn, die Weisung des Grafen führt uns übers Land. Zu deinem eigenen Wohle tust du gut daran, auf mein Nachfragen wahrheitsgetreu Auskunft zu geben.«
»Wir Dörfler sind ehrliche Leut', Herr, uns is' stets der Wunsch von Herz'n, 'm jung'n Graf dienlich zu sein.«
»Sir Vance, Befehlshaber der Stadtwache, ist von seinem letzten Ritt nicht zurückgekehrt...es ist die Pflicht eines jeden, bei der Klärung seines Verbleibs von größtmöglichen Nutzen zu sein. Lord Evan ist in ernster Besorgnis.« Alminas schweigsames Aufblicken ließ den Mann im Unklaren, er furchte die Brauen. »Du kennst Sir Vance doch?«
»Kenn' tu' ich 'n edl'n Herrn, doch g'sehen hab' ich ihn zuletzt auf'm Markt zu Castellyn.«
»Weißt du sonst zu berichten, ob dir etwas aufgefallen ist?« Almina schüttelte den Kopf. »Nee, werter Herr.«
Er wies mit einer Kopfbewegung zum Feld. »Ruf' den Kerl, ich will auch ihn befragen.«
»Der wird Euch kaum was sag'n könn'...« Finster runzelte der junge Kerl die Stirn. »... der's stumm.«
»Nun denn, kläre du, ob ihm etwas aufgefallen ist.« Almina zögerte. »Geh' schon!« Beschwerlichen Schrittes begab sich Almina auf den Weg zum Feld. Sogleich erkannte Rees, dass sie ihn erreichen wollte und eilte ihr entgegen. Die Stelle, wo sie aufeinander trafen, lag weit genug entfernt, dass der Mann zu Pferde die gedämpften Worte nicht verstehen konnte. Rees senkte sein Gesicht zu ihr herab. Ihre Stimme glich mehr einem Flüstern.
»Se such'n nach'm Ritter, Rees, nach Sir Vance. - Scheint mir, dass se nich' viel wiss'n - se frag'n wohl überall, ob wer was geseh'n hat...« Obgleich Rees seinen Ausdruck zu beherrschen wusste, sah sie, dass große Sorge seine Brust heftigst hob und senkte.
»Schüttel' nur 'n Kopf, dann denkt'r, ich hätt' dich recht gefragt.« Ohne den Kopf zu heben, schaute Rees mit gehobenen Brauen zum Reiter hinüber und schüttelte zögerlich den dunklen Schopf.
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