Sie ließen sich beide ein volles Fünfzehn-Schuss-Magazin geben und luden damit ihre Waffen, rückten ihren Ohrschutz zurecht und stellten sich in Schießposition. Sie hatten in zwanzig Metern Entfernung eine Scheibe zu treffen, nach Möglichkeit sollten sie die Ringe in der Mitte treffen, was natürlich nicht ganz einfach war, denn nach jedem Schuss verzog die Pistole leicht und musste wieder ausgerichtet werden. Es gab unter den drei Kollegen, die noch am Schießstand waren, zwei, die ihre zwölf Schuss schnell hintereinander abfeuerten und dabei auch noch ganz gut getroffen hatten, KHK Kortner und KOK Schneider ließen sich aber Zeit. Sie hielten ihre Waffen mit der einen und unterstützten den Griff mit der anderen Hand, sie gaben immer nur einen Schuss ab, um danach eine ganz kleine Zielpause einzulegen. Als sie die fünfzehn Schuss abgefeuert hatten, holten sie die Zielscheibe heran und betrachteten ihr Schießergebnis, sie waren ganz zufrieden, keiner von beiden hatte zwar mehr als drei Schuss ins Schwarze gesetzt, die übrigen Treffer lagen aber dicht bei. Sie trainierten gleich weiter und ließen sich noch einmal fünfzehn Schuss geben, sie wollten sich beide noch mehr konzentrieren als beim ersten Mal und stellten sich in Schießposition.
Wieder streckten sie die Schusshand vor und unterstützten den Arm mit der freien Hand, die richteten die Waffe nach jedem Schuss mit noch mehr Sorgfalt aus, bevor sie erneut feuerten. Als sie ihre fümfzehn Schuss abgegeben hatten, holten sie ihre Zielscheiben heran und überprüften wieder ihr Schießergebnis und siehe da, sechs Schuss saßen im Schwarzen, es gab keine Fahrkarten, die anderen sechs Schuss lagen alle auf der Scheibe. Nachdem sie sich ein drittes Mal ein neues Magazin hatten geben lassen, stellte sie sich wie die drei Kollegen hin und feuerten das Magazin in Windeseile leer. Sie hatten inzwischen eine gewisse Sicherheit gewonnen und ihre Ehrfurcht vor der Waffe verloren, was nicht bedeutete, dass sie unvorsichtig wurden, aber sie ließen sich von dem Schussknall und dem Verreißen der Waffe nicht mehr beeindrucken. Als sie ihren Schnelldurchgang beendet hatten, schauten sie sich ihr Schießergebnis auf der Scheibe an und waren zufrieden mit sich, sie waren bei diesem Durchgang zwar nicht ganz so treffsicher wie zuvor, aber sie hatten wieder drei Treffer im Schwarzen und den Rest auf der Scheibe. Sie nahmen beide den Ohrschutz vom Kopf und schlugen sich auf die Schulter, sie hatten ihre alte Treffsicherheit wiedererlangt und freuten sich darüber. Die Mittagspause war fast zu Ende, sie fuhren mit dem Lift nach oben und bekamen auf den letzten Drücker noch ihr Essen. Jo Leinert saß allein an einem Katinentisch, und sie setzten sich zu ihm, sie erzählten ihm:
„Wir haben die gesuchte Firmenadresse in London“, und Jo meinte nur, dass er auf Frankreich oder auf England getippt hätte. Die beiden Kommissare sagten ihm:
„Wir werden nach London fahren und der Firma einen Besuch abstatten, wir wollen nach Möglichkeit herausbekommen, wohin in Deutschland die Firma die High-Tech-Anzüge geliefert hat. Es können dabei einige Probleme auftreten, wobei wir nicht sagen können, worin die bestehen könnten, aber wir können uns nicht vorstellen, dass man uns sang- und klanglos die Adresse in Deutschland überlässt.“ Deshalb würden sie in London zuerst zum Police Headquarter fahren und sich dort vorstellen, sie würden ihren Kollegen erzählen, in welcher Sache sie ermittelten und wie weit sie bislang gekommen wären, sie würden ihnen natürlich von den gefundenen Fasern berichten, wegen derer sie überhaupt erst nach London gefahren wären. Jo Leinert wünschte ihnen viel Glück für ihre Londonfahrt und bat sie, doch von der Firma einen solchen Schutzanzug mitzubringen, wenn das möglich wäre, es wäre ein rein dienstliches Interesse, aus dem heraus er sich gerne einmal einen solchen Anzug ansehen würde. KHK Kortner und KOK Schneider sagte ihm:
„Wir wollen versuchen, einen solchen Anzug zu bekommen, können aber nichts versprechen, wir müssen zuerst in Erfahrung bringen, wie wir bei der Firma Shackleton aufgenommen werden.“
Sie holten sich alle drei einen Cappuccino und setzten sich damit bis zum Ende der Mittagspause wieder hin, die beiden Kommissare erzählten ihrem KTU-Kollegen, dass sie beim Schießtraining und recht erfolgreich dabei gewesen wären. Jo Leinert entgegnete:
„Ich muss er auch einmal wieder dorthin, ich habe seit ewigen Zeiten nicht mehr geschossen, und weiß gar nicht, ob ich noch gut treffe.“ Er wäre früher ein recht guter Schütze gewesen, glaubte aber, dass seine alte Treffsicherheit sehr gelitten hätte, nachdem er das Schießtraining zu lange hätte schleifen lassen. Am Ende der Mittagspause wünschte Jo den beiden noch einmal viel Erfolg in London, und sie sollten vorsichtig sein und gut auf sich aufpassen, er klopfte den beiden zum Abschied auf ihre Schultern. KHK Kortner und KOK Schneider kümmerten sich um Zugfahrkarten nach London und wollten am nächsten Morgen aufbrechen, ihr Chef hatte ihnen den halben Nachmittag freigegeben, damit sie ihre Sachen packen und sich für die Reise fertigmachen konnten. Sie verließen um 15.00 h das Präsidium und liefen nach Hause, sie erzählen sich unterwegs gegenseitig von alten Londonerlebnissen, bei beiden herrschte eine gespannte Erwartung an die große Stadt vor, sie freuten sich auf der einen Seite, einmal wieder dorthin fahren zu können, hatten aber auf der anderen Seite einen dienstlichen Auftrag zu erledigen, der ihnen noch Kopfzerbrechen bereiten sollte.
Als sie zu Hause berichteten, dass sie am nächsten Tag nach London fahren würden, waren ihre Ehefrauen zunächst überrascht, dass sie nur so wenig Vorbereitungszeit gehabt hätten, fügten sich aber der dienstlichen Verpflichtung ihrer Männer. Sie packten ihnen ein paar Sachen für ungefähr eine Woche in ihre Trolley-Koffer und tranken mit ihnen Kaffee.
„Ist denn Euer Aufenthalt in London gefährlich?“, fragte Frau Kortner ihren Mann, aber der winkte ab und entgegnete:
„Wir müssen nur eine Firma besuchen, auf die wir im Zusammenhang mit unseren Ermittlungen gestoßen sind.“
Frau Kortner merkte aber an dem Blick ihres Mannes, dass das nicht ganz stimmte, immer wenn er die Unwahrheit sagte, bekam er etwas Verschmitztes im Gesicht, und so war es dieses Mal auch. Sie wusste, dass er sie nur beruhigen wollte, fragte aber dennoch nach, und ihr Mann gab ihr einige Informationen zu seiner Reise, sodass seine Frau zufriedengestellt war. Er rief seinen Kollegen an und fragte ihn, ob sie nicht vor ihrer Abreise noch etwas Geld tauschen sollten und KOK Schneider meinte:
„Da müssen wir uns aber beeilen, denn die Banken schließen um 16.00 h.“ Jeder von beiden wechselte dreihundert Euro in britische Pfund um, das Gros ihrer Zahlungen würden sie mit einer Scheckkarte erledigen, die ihnen auf dem Präsidium von ihrem Chef ausgehändigt worden war.
Sie könnten aber nicht jeden kleinen Betrag mit ihrer Scheckkarte bezahlen, deshalb wollten sie immer etwas Bargeld in der Tasche haben. Sie steckten ihre Personalausweise ein und passten ihre Pistolenholster ihren veränderten Körpermaßen an, denn sie hatten ihre Holster lange nicht umgehabt und ihre Körper hatten an Masse zugelegt. Sie würden am nächsten Morgen erst um 11.15 h von Köln abfahren und kämen um 15.26 h in London St. Pancras International an, die Fahrzeit betrüge also nur knappe fünf Stunden. Sie frühstückten am nächsten Morgen ausgiebig mit ihren Ehefrauen und fuhren anschließend alle in einem Wagen zum Kölner Hauptbahnhof. Der Zug kam pünktlich, die Frauen standen auf dem Bahnsteig und schauten durch die Fenster in den ICE, ihre Männer kamen noch einmal heraus und verabschiedeten sich von ihren Frauen, anschließend stiegen sie wieder ein und der Zug setzte sich pünktlich in Bewegung. Sie winkten ihren Frauen noch zu und die standen auf dem Bahnsteig in der riesigen Halle des Kölner Hauptbahnhofs und winkten zurück, ihre Gesichter waren wie versteinert, als ahnten sie nichts Gutes.
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