Herr Sobert hatte Recht, als er sagte, dass seine Adresse leicht zu finden wäre. Sie parkten vor einem schmucken Einfamilienhaus und Herr Sobert kam heraus. Er strahlte über sein ganzes Gesicht, als er seinen Wagen wiedersah und lief um das Fahrzeug herum, um sich einen Überblick zu verschaffen, ob er Beschädigungen davongetragen hatte. Anschließend gab er den beiden Beamten zur Begrüßung die Hand und fragte:
„Wie haben Sie den Wagen gefunden?“ KHK Kortner und KOK Schneider erzählten nicht, dass in dem Fahrzeug die Leiche von Mareike Berenkötter transportiert worden war, das hätte Herrn Sobert sicher schockiert und möglicherweise davon abgehalten, mit dem Wagen weiterzufahren, sie sagten ihm, dass sie den Wagen bei einer Routinekontrolle in Feldstadt aufgespürt hätten. Herr Sobert sollte sich doch einmal hineinsetzen und überprüfen, ob Gegenstände aus dem Handschuhfach oder aus den Ablagefächern in den Türen gestohlen worden wären. Herr Sobert nahm auf dem Fahrersitz Platz und stellte seine gewohnte Sitzposition ein, er öffnete das Handschuhfach und fand es komplett ausgeräumt, auch die Ablagefächer in den Türen waren leer.
„Es war nichts Wertvolles, das sich im Auto befunden hat“, sagte er, „ein Eiskratzer, Schwämme, ein Autoatlas vom vorletzten Jahr, die Bedienungsanleitung für den Wagen und ein Navi, das Autoradio ist ja zum Glück nicht entwendet worden.“ KHK Kortner nahm die roten Kennzeichen ab und sagte Herrn Sobert, dass er zur Zulassungsstelle und sich neue Kennzeichen anfertigen lassen müsste. Das wollte er gleich noch an diesem Nachmittag erledigen, sagte Herr Sobert. Die Beamten gingen mit ihm ins Haus, begrüßten dort seine Frau und bekamen von ihr eine Tasse Kaffee. Sie fragten Herrn Sobert:
„Ist Ihnen während des Autodiebstahls etwas aufgefallen?“ und Herr Sobert antwortete, dass er in der Zeit des Diebstahls tief geschlafen hätte.
„Der Wagen hat exakt dort gestanden, wo er im Moment parkt, ich habe nichts gehört und nichts gesehen, und auch meine Frau hat nichts bemerkt“ und Frau Sobert nickte. Die beiden waren ungefähr Mitte bis Ende fünfzig, ihre Kinder waren aus dem Haus, und sie lebten allein in Blattenberg. Herr Sobert war Außendienstmitarbeiter einer Bekleidungsfirma und konnte sich deshalb seine Arbeitszeit frei einteilen, Frau Sobert war Hausfrau. Die beiden Polizisten sagten ihm, dass sie seine Fingerabdrücke zum Vergleichen haben müssten und nahmen sie ihm ab, auch die Abdrücke von Frau Sobert nahmen sie. Herr Sobert meinte:
„Ich werde den Wagen innen und außen reinigen lassen, man weiß ja nicht, welche Schmierfinken ihn gestohlen haben, außerdem ist eine Wagenwäsche längst wieder fällig.“
Sie gingen noch einmal gemeinsam vor die Tür und sahen sich den Ort des Wagendiebstahls genau an, um dort vielleicht etwas zu finden, sie konnten mit bloßem Auge aber nichts entdecken. KHK Kortner rief über sein Handy Jo Leinert an und bat ihn, mit einem Kollegen nach Blattenberg zu kommen und den Ort des Autodiebstahls zu untersuchen, KOK Schneider und er würden in Blattenberg auf sie warten. Sie ließen Herrn Sobert zur Zulassungsstelle fahren und warteten vor seinem Haus auf Jo, Frau Sobert fragte die Beamten, ob sie ihnen noch eine Tasse Kaffee bringen sollte und sie nahmen das Angebot gerne an. Nach eineinhalb Stunden erschien Jo mit einem Kollegen und sie machten sich gleich ans Werk. Sie legten sich auf den Boden und untersuchten die Stelle mit Vergrößerungsglas und Pinzette, sie sicherten Fasern und Schmutzreste, die von den Schuhsohlen der Mörder stammen könnten und warfen alles in einen Kunststoffbeutel, den sie anschließend mit nach Feldstadt nahmen. KHK Kortner und KOK Schneider fuhren zum Präsidium zurück, stellten den Wagen ab und machten sich auf nach Hause, sie hatten von unterwegs angerufen und gesagt, dass sie später kämen. Sie fanden beide, dass sie sich einmal wieder zusammensetzen und etwas trinken sollten, sie verabredeten sich für 20.00 h bei Schneiders und gingen bis dahin zu sich nach Hause zum Essen.
Bei Kortners war die gesamte Familie versammelt, was selten vorkam, denn die Jungen waren beinahe ständig unterwegs. Umso mehr freuten sich die alten Kortners, dass sie einmal wieder alle gemeinsam am Abendbrottisch saßen. Herr Kortner fragte seine Jungen, wie es bei ihnen in der Schule klappte und hatte keine Sorge, dass irgendetwas schiefgelaufen wäre, er wusste, dass seine Jungen gute Schüler waren und sie sagten fast beiläufig, dass alles in Ordnung wäre. Herr Kortner sagte seiner Frau, dass sie am Abend bei Schneiders wären, Herr Schneider und er hätten überlegt, dass man einmal wieder zusammensitzen und etwas trinken sollte. Frau Kortner freute sich darüber, denn abgesehen von dem wöchentlichen Turntermin mit Frau Schneider sahen sie sich sonst nie. Auch bei Schneiders saß man gemeinsam beim Abendessen, die Tochter des Hauses bekam als typische Zehntklässlerin ab und zu einmal einen kleinen Anfall, und man musste in solchen Momenten immer sehr vorsichtig mit ihr umgehen, wenn man nicht riskieren wollte, dass sie plötzlich wutentbrannt aufsprang und aus dem Zimmer rannte. Um 20.00 h ging bei Schneiders die Schelle und Kortners standen vor der Tür, man begrüßte sich und lief gleich auf die Terrasse, wo Herr Schneider schon Getränke hingestellt hatte. In einem Weinkühler gab es eine Flasche trockenen Weißwein von der Nahe für die Frauen, die Männer nahmen sich jeder ein kaltes Bier.
Ob denn jeder auch einen Grappa tränke, fragte Herr Schneider und niemand winkte ab, woraufhin Herr Schneider Schnapsgläschen und die Grappaflasche holte. Er schüttete vier Gläschen voll und gab jedem eins, danach hoben alle ihr Gläschen und prosteten sich zu. Auch wenn die Damen protestierten, die Männer begannen nach kurzer Zeit, dienstlich zu werden und unterhielten sich über Herrn Sobert und seinen Mercedes, und als die Frauen merkten, dass sie nicht dagegen ankamen, wandten sie sich ab und sprachen miteinander. KOK Schneider meinte:
„Selbst wenn Jo Leinert Spuren findet, die in einem Zusammenhang zu den Mordplätzen stehen, haben wir immer noch keinen Bezug zu einer konkreten Person, dazu fehlt uns ein eindeutiger Hinweis.“ Sie überlegten hin und her und kamen überein, am nächsten Morgen Jo anzurufen und mit ihm darüber zu sprechen, was er bei Herrn Sobert vor der Tür gefunden hätte. Frau Schneider hatte auf ihrem Elektrogrill inzwischen für jeden ein Würstchen gegrillt und gab jedem eins, dazu reichte sie Brötchen, Ketchup und Senf. Schneiders hatte den Holzkohlengrill abgeschafft, nachdem ruchbar geworden war, dass das Grillgut vom Holzkohlengrill krebserregend und es einige Male vorgekommen war, dass ihnen das Fleisch angebrannt war. Man redete mit den Gästen, und wenn es später angebrannt roch, war es schon zu spät. Dieses Spielchen wollten sie sich nicht länger mit ansehen und hatten sich einen Elektrogrill gekauft. Das Fleisch und die Würstchen hatten nicht den Geschmack vom Holzkohlengrill, aber das war ihnen egal.
Gegen 22.30 h brachen Kortners wieder nach Hause auf, es waren zwar nur ein paar Schritte zu laufen, aber sie waren müde geworden und die Männer mussten wieder um 7.30 h auf dem Präsidium sein. Kortners bedankten sich für die Einladung und liefen los, Schneiders hatten sie noch bis zur Tür gebracht und ihnen nachgewunken, bis sie um die Ecke in ihre Straße eingebogen waren, und von ihnen nichts mehr gesehen werden konnte. Die Tochter von Schneiders kam aus ihrem Zimmer und fragte:
„Sind die Spießer endlich weg?“, Frau und Herr Schneider sahen sich nur an, einen Kommentar dazu abzugeben erschien ihnen sinnlos. Das war eben die Art, die den Mädchen im Alter ihrer Tochter zu eigen war und damit musste man umgehen können. Jo Leinert zeigte den beiden Kommissaren am nächsten Morgen die Ausbeute seiner Spurensuche von Herrn Sobarts Parkplatz in Blattenberg. Er sagte, dass er etwas ganz Merkwürdiges gefunden hätte, nicht dass er mikroskopisch kleine Fasern gefunden hätte, die noch dazu mit denen identisch waren, die er bei Mareike Berenkötters Tatort gesehen hatte, sondern dass es sich dabei um Fasern handelte, die bei der ihm bekannten Textilproduktion keine Rolle spielten.
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