Mit meiner Sekretärin hatte ich weiterhin ein Verhältnis, obwohl Elisabeth wie ein Hund gelitten hatte. Ich brauchte den Sex mit dieser scharfen Frau, der wie ein Lebenselixier für mich war. Erwartungsgemäß bestrafte mich Elisabeth mit Sex-Entzug, sodass mir gar keine andere Wahl blieb. Wie ich es vermutet hatte, ließ sie sich aber nicht von mir scheiden. Ich war mir bewusst, dass mir solche Fehler, wie mit der Hotelrechnung, nicht mehr passieren durften.
1959 starb mein Vater in Sielen an einem Magendurchbruch. Auf der Couch war er friedlich eingeschlafen ohne nochmal aufzuwachen. Jahrelang hatte er Bullrichsalz vertilgt, um sein Sodbrennen zu bekämpfen. Nach der Todesnachricht quälte mich eine Depression, die ich versuchte mit Alkohol zu vertreiben. Zur Beerdigung war ich ohne meine Familie hingefahren. Als meine Mutter und ich mit den Trauergästen am Grab standen, litt ich wie ein Hund, denn ich konnte mit solchen Dingen überhaupt nicht umgehen. Als ich wieder in Berlin war stürzte ich mich sofort intensiv in meine Arbeit, um meinen Schmerz schnell zu vergessen. Auch mich plagten seit langem Magenschmerzen, die ich vermutlich von meinem Vater geerbt hatte. Wenn ich die Symptome hatte, nahm ich wie mein Vater Bullrichsalz und war für mein Umfeld wegen meiner schlechten Laune kaum zu ertragen.
1960 stiegen nach wie vor die Verkaufszahlen der Quecksilberdampfgleichrichter. Die Geschichte war mittlerweile ein Selbstläufer geworden, sodass sich mein Arbeitsaufwand deutlich verringerte. Häufig war ich auf Dienstreisen und hielt Vorträge vor Fachleuten, damit die Verkaufszahlen weiter stiegen. Manchmal musste ich auch bei Kunden Vorort einen defekten Gleichrichter im In- und Ausland reparieren. Dabei halfen mir meistens Ingenieure des Auftraggebers. Ein erfreulicher Nebeneffekt bei den Auslandseinsätzen war, dass ich auf diese Weise viele Länder kennengelernt hatte. Elisabeth war nur äußerst selten bei den Dienstreisen dabei, weil sie sich um die Kinder kümmern musste. Einmal passten ihre Zerbster Eltern auf die Kinder in unserer West-Berliner Wohnung auf, sodass sie mich auf einer Kurzreise begleiten konnte. Elisabeth beneidete mich wegen meiner interessanten Arbeit und war mit ihrer Situation als Mutter ziemlich unzufrieden.
1960 kaufte ich mir einen nagelneuen Ford 17 M. Ich war von der amerikanisch aussehenden Limousine mit Heckflossen absolut begeistert. Die Nachbarn im Kiez und die AEG-Kollegen staunten nicht schlecht, als sie den teuren Wagen sahen.
1961 wurde die Mauer gebaut. Fast hätte es deswegen zwischen den Russen und Westalliierten einen neuen Krieg gegeben. Wie viele West-Berliner war ich sehr besorgt und erzürnt über das Vorgehen der DDR-Führung. Wenn die nicht die Mauer gebaut hätten, wäre denen die Hälfte der Bevölkerung abhanden gekommen. West-Berlin war jetzt eingemauert, aber man kam weiterhin über die Transitstrecken mit dem Auto und LKW nach West-Deutschland. Die Bahn passierte wie zuvor die DDR und besonders schwere Güter konnten weiterhin mit dem Schiff in den Westen gelangen. Wer genug Geld hatte, konnte natürlich auch das Flugzeug wählen. Die Piloten der Pan Am, British Airways und Air France flogen durch drei Flugkorridore in einer Höhe von nur 3.000 Meter. Natürlich durfte die DDR-Bevölkerung nicht mehr nach West-Deutschland und West-Berlin ausreisen. Eine Ausnahme gab es bei Rentnern, weil sie der klammen DDR Geld kosteten. Deswegen hatte die sozialistische Einheitspartei (SED) nichts dagegen, wenn sie im Westen blieben. Nachts hörten wir in West-Berlin an der Mauer häufig Schüsse, die mich sofort wieder an den Krieg erinnerten.
Die West-Berliner arrangierten sich schnell mit der neuen Situation. Sie waren es gewohnt immer am Rande des Abgrundes zu leben. Man denke nur an die jahrelange Bombardierung durch die Alliierten, die Schlacht um Berlin 1945, an die Luftbrücke 1948 und jetzt 1961 der Mauerbau. Für die Westalliierten war West-Berlin ihr Bollwerk gegen den Sozialismus. Durch West-Deutschland wurden die Stadt, Arbeitnehmer und Industrie maßgeblich mit Geld unterstützt, damit ungefähr 2 Millionen Menschen und die Unternehmen in diesem riesigen Gefängnis blieben. In den nachfolgenden Jahren gelang es tatsächlich West-Berlin, trotz der Mauer, am Leben zu halten. Dank fehlender Polizeistunde entwickelte sich sogar eine deutsche Amüsiermeile für Andersdenkende, Spinner, Homosexuelle und Künstler. Viele westdeutsche, junge Männer kamen nach Berlin, um der Wehrpflicht zu entgehen.
Auch die Berliner AEG und ihre Arbeitnehmer wurden vom Staat subventioniert. Somit blieb meine Firma mit ihren Niederlassungen in West-Berlin, während die Zentrale weiterhin in Frankfurt am Main war. Schnell gewöhnte sich die Belegschaft an die neue Situation. Wie alle West-Berliner waren sie auch hoch motiviert das Beste aus der schwierigen Lage zu machen. Die Produktion meiner Quecksilberdampfgleichrichter lief ungestört weiter. Der Transport nach West-Deutschland fand weiterhin per Schiff statt.
1962 fuhren wir im Sommer nach Sielen, um dort bei meiner Mutter im Pfarrhaus Urlaub zu machen. Zuvor hatte ich in Berlin ein Segelfliegermodell gebastelt, damit die beiden Jungen ihren Spaß haben. Während ich mit Elisabeth auf einer Decke auf dem Berghang „Magere Kuh“ lag, waren die Kinder permanent unterwegs, um den Flieger mit Zeitschaltuhr zu suchen und zurückzubringen. So waren sie wunderbar beschäftigt und bewegten ihre Glieder. Einmal landete der Flieger einige Kilometer entfernt kurz vorm Fluss „Diemel“, sodass sie lange unterwegs waren. Eine Woche später verschwand der Flieger in einem dichten Fichtenwald. Zunächst suchten nur die Jungs alleine, allerdings erfolglos. Schließlich beteiligten auch Elisabeth und ich mich an der Suche, aber der Flieger blieb tatsächlich verschwunden. Natürlich waren die Jungs darüber über alle Maßen frustriert.
Elisabeth war im Urlaub ganz zufrieden und ausgeglichen. Wahrscheinlich war sie froh über meine Anwesenheit, denn in Berlin war ich ein viel arbeitender Mensch, der kaum seiner Vaterrolle gerecht wurde. Da ich auf der Arbeit eine neue Geliebte hatte, die ich unbedingt sehen musste, erzählte ich ihr, dass ich wegen einer wichtigen Sitzung zurück nach Berlin müsste. Sie war darüber zutiefst enttäuscht, weil ich sie mit den Kindern alleine ließ. Nachdem wir uns vor den Kindern gestritten hatten, bekam sie prompt wie immer ihre Migräne, weil sie sich über mich aufgeregt hatte. Trotzdem fuhr ich am nächsten Tag zurück nach Berlin und traf mich in unserer Wohnung im Wolffring mit meiner neuen Geliebten, die eine wollüstige Sekretärin war. Wir vögelten die ganze Nacht im Ehebett bis es fast auseinanderfiel. Ich kam voll auf meine Kosten und dachte kein einziges Mal an Elisabeth. Damals war ich felsenfest davon überzeugt, dass ein Mann mehrere Frauen braucht, um glücklich zu sein. Nur eine Ehefrau zu haben, war mir nicht genug. Als meine Besucherin am nächsten Morgen ging, räumte ich gründlich die Wohnung auf, damit Elisabeth später nichts Verdächtiges finden konnte. Schließlich fuhr ich zurück nach Sielen und erzählte Elisabeth und meiner Mutter von der angeblich anstrengenden Sitzung in Berlin. Die beiden Frauen glaubten mir die Geschichte und stellten keine weiteren dummen Fragen.
Als der Urlaub zu Ende war, fuhren wir zurück nach Berlin. Wir passierten den Grenzkontrollpunkt Helmstedt und wurden von den Grenzern lange aufgehalten. Nachdem wir die 200 Kilometer Transitstrecke Richtung Osten gefahren waren, warteten wir in Dreilinden nochmals. An jeder Grenze stiegen Elisabeth und ich wegen der Passkontrolle aus. Die Kinder warteten immer brav im Auto und langweilten sich maßlos. Ich hasste diese Schikanen der DDR-Grenzer, aber was sollte man dagegen tun. Wir waren der Willkür dieser Banditen hilflos ausgeliefert. Jedes mal, wenn wir wieder in West-Berlin waren, atmeten wir erleichtert auf. So erging es in dieser Zeit den meisten West-Berlinern und West-Deutschen. Gutgelaunt, es mal wieder geschafft zu haben, fuhren wir weiter nach Tempelhof in den Wolffring. Nachdem ich den Wagen geparkt hatte, trugen wir das Gepäck in unsere Wohnung.
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