Conny lächelte ihn zuvorkommend, aber mit gemischten Gefühlen an. Hoffentlich ließ er sie direkt in Ruhe. Es käme ihr auch sehr gelegen, wenn Tobi endlich mit seinem Balzgehabe aufhören würde. Der Glatzkopf drehte sich um und Conny atmete erleichtert auf. Puh, zum Glück doch der Vertreter harmloser Trottel. Allerdings hatte sie da zu früh gejubelt. Denn im selben Moment kam der Kerl geradewegs zurück. Aber nicht einfach so. Sondern jetzt tanzte er sie beschwingt mit unrhythmischen Bewegungen an. Conny brachte es nicht fertig, sich ein Grinsen zu verkneifen. Das sah der Tanzbär wohl wie eine Art der Zustimmung.
„Komm Püppi, lass uns eine kesse Sohle aufs Parkett legen“, brabbelte er und versuchte mit schwitzigen Fingern ihre Hand zu fassen. Bei diesem hoffnungslosen Exemplar fiel es ihr absolut nicht schwer Nein zu sagen. Was sie trotz des Zustandes ihres Möchtegerntanzpartners, ihm taktvoll klarmachte. Die Absage prallte allerdings an ihm ab und er probierte erneut Conny am Ärmel zupfend mit sich zu ziehen. Langsam merkte sie, wie sie die Geduld verlor, und schubste ihn sanft von sich.
„Ich habe keine Lust, hast du mich gehört?“, zischte sie ihn an.
Der Kerl blieb ruckartig stehen, kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, was ihn regelrecht fies aussehen ließ. In dem Moment, wie er sich Conny wiederholt näherte, wurde er von zwei kräftigen Händen am Kragen seines zerknautschten Sakkos gepackt, herumgedreht und ausgiebig geschüttelt. Mit der Frage: „Was verstehst du nicht an einem Nein?“, und ohne eine Antwort abzuwarten, in Richtung Ausgang befördert.
Conny sog hörbar die Luft ein. Gespannt beobachtete sie die Szene. Wie ihr Retter sich nach seiner Heldentat umdrehte, sah sie in zwei leuchtende smaragdgrüne Augen, die von dichten Wimpern umgeben waren. Sein Alter schätzte sie auf Mitte Zwanzig. Er war mindestens so hochgewachsen wie Andreas, mit sportlicher Figur und einer schmalen geraden Nase in einem markanten Gesicht. Das volle schwarze Haar trug er locker zurückgekämmt. Allerdings hatte sich eine Strähne gelöst, die ihm nach der kurzen Auseinandersetzung mit Connys Kontrahenten, ungewollt in die Stirn gefallen war. Bei diesem für sie makellosem Gesamtbild blieb ihr schier die Luft weg. Ihr Held lächelte sie fürsorglich an und legte eine Hand auf ihren Unterarm. Die Berührung knisterte merklich und brannte sich, wie der Abdruck eines heißen Bügeleisens in ihre Haut. Gleichzeitig versetzte diese sie in eine Art Schockstarre.
„Alles in Ordnung mit dir? Geht es wieder?“
Conny fiel es schwer, sich von dem Anblick zu lösen, und schaute gebannt in seine grünen Augen, welche sie unheimlich faszinierten. Ihre Sprachlosigkeit verwirrten ihren Gegenüber. Nach kurzer Überlegung schlug dieser sich mit der Handfläche gegen die Stirn.
„Oh entschuldige. Ich hab mich ja überhaupt nicht vorgestellt. Also ich bin Lutz. Lutz Tischer.“
Conny ergriff wie in Trance die entgegengestreckte Hand und murmelte ebenfalls ihren Namen. Mittlerweile war Tobi mit seinen Flirtpartnerinnen fertig. Den restlichen Teil der Auseinandersetzung mit dem Betrunkenen war ihm nicht entgangen und er sah Conny besorgt an.
„Soll ich dir einen Schnaps einschenken? Vielleicht einen Wodka?“
Da sie nicht reagierte, übernahm Lutz kategorisch die Bestellung. Unterkühlt freundlich sah er Tobi an.
„Mach uns beiden doch bitte mal zwei Moulin Rouge.“
Der Barmann zog skeptisch eine Augenbraue nach oben und schielte zu Conny. „Bist du sicher, dass du das Getränk wirklich möchtest? Der knallt richtig rein und der Kater am folgenden Morgen ist vorprogrammiert.“ Conny antwortete noch immer nicht. Mit Ungeduld und einem scharfen Unterton in der Stimme sprach Lutz Tobi erneut an. „Bekomme ich bitte meine Bestellung? Gern auch heute noch.“
Der Barmann schaute kurz auf, bevor er emotionslos, aber professionell antwortete.
„Ja klar. Kommt sofort.“
Nachdem die Getränke auf der Theke standen und er bezahlt hatte, schob Lutz eines der beiden Gläser direkt vor Connys Nase.
„So, der hier wird dir guttun. Jetzt lass uns auf den Schreck anstoßen.“
„Na klar, unbedingt. Danke dir für dein hilfreiches Einschreiten. Der Kerl war absolut lästig.“ Scheu lächelte sie ihren Beschützer an.
„Kein Ding, hab ich gern gemacht. Ist doch Ehrensache einer schönen Frau zu helfen.“
Sie prosteten sich zu und Lutz ließ sie dabei nicht aus den Augen. Bei seinem intensiven Blick fingen ihre Knie an zu zittern, wie Wackelpudding in einer Schüssel. Nach einem kräftigen Schluck fand Conny endlich zu ihrer alten Form zurück. Der enthaltene Rotwein in dem Getränk rann ihr wärmend durch die Kehle und lockerte ihre Zunge.
„Ich muss erst kurz verdauen, dass jemand wie du, sich so selbstlos für mich ins Zeug gelegt hat.“
„Was meinst du mit, so jemand wie ich?“ Lutz zog fragend eine Augenbraue hoch. Ja wie meinte sie das eigentlich? Was redete sie hier für Unsinn? Conny grübelte krampfhaft, wie sie aus dieser Nummer wieder herauskam. Lutz´ Anwesenheit brachte sie völlig durcheinander, dass sie nicht mehr klar im Kopf war und nur Blödsinn schwafelte. In solchen Augenblicken war es von Vorteil Freunde zu haben, denn Hanna rettete sie mit ihrem Auftauchen unbewusst aus dieser peinlichen Lage.
„Hab mir schon gedacht, dass ich dich hier finde. Wie ich sehe, bist du auch in überaus gut aussehender Gesellschaft.“ Voller Neugier schielte sie zu Lutz, der gelassen mit einem Arm auf dem Tresen lehnte. Hanna musterte ihn unbekümmert und er hielt dieser äußerlichen Überprüfung lächelnd stand. Das ungenierte Verhalten ihrer Freundin trieb eine zarte Röte auf Connys Wangen. Flugs knuffte sie ihr in die Seite.
„Hanna benimm dich mal. Das ist Lutz. Er hat mir eben einen überaus aufdringlichen Knaben vom Hals geschafft und darauf trinken wir gerade.“
„Ist es das, was ich denke, was ihr da im Glas habt?“ Conny zuckte unwissend die Achseln und schaute fragend zu Lutz.
„Das ist ein Moulin Rouge“, antwortete er.
Hanna schnappte sich Connys Plastiktrinkröhrchen und trank einen tiefen Zug. Dabei drehte sie vor Verzückung die Augen.
„Eh, lass mir noch was übrig“, sagte Conny lachend, da ihre Freundin beinahe das halbe Glas geleert hatte. Diese gab nur unfreiwillig den Trinkhalm frei.
„Der ist so was von lecker.“
„Hab ich gesehen, allerdings steigt der auch ganz extrem in den Kopf.“
„Ich merk nix. Übrigens hab ich mal in ´ner Westillustrierten gelesen, wie man echten Sangria zubereitet. Der Abklatsch hier ist zwar nicht übel, aber in den Originalen Spanischen kommt richtiger Rum rein, nicht so ein zuckriger Pfirsichlikör. Alle Zutaten hab ich nun nicht behalten, diese schon. Am meisten würde ich von dem frischen Obst futtern, welches man da hineinschneidet.“
„Äpfel kannst du auch hier essen“, meinte Conny trocken.
„Wer spricht denn hier von Äpfeln“, erwiderte Hanna genervt. „Einen Apfel gibt´s jeden Tag in der Schulküche. Das ist langweilig. Ich bin verrückt nach saftigen Pfirsichen, fleischigen Orangen oder anderen ausgereiften tropischen Früchten. Am liebsten würde ich mir diese in einem Land, wo die Sonne scheint schmecken lassen und den echten Sangria genießen. Spanien wäre affengeil dafür. Die Insel, die es da gibt, wie heißt die gleich noch mal?“
Fragend schaute sie Conny an. Diese schüttelte bedauernd den Kopf. „Keine Ahnung worauf du hinaus willst.“
„Ach jetzt fällt es mir wieder ein“, plapperte Hanna weiter. „Mallorca, ja genau die Insel, die würde ich mir gern mal ansehen. Sonne, Palmen, blaues Wasser und ´ne Menge schnuckeliger Jungs.“ Sie kicherte. „Hab gehört, da gibt es so eine Strandbutze, wo man Alkohol aus dem Eimer trinkt, mit überlangen Trinkhalmen. Das stell ich mir gerade komisch vor. Klingt aber abgefahren.“
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