Sylvi S.
Welche Rolle spielst du?
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Inhaltsverzeichnis
Titel Sylvi S. Welche Rolle spielst du? Dieses ebook wurde erstellt bei
WELCHE ROLLE SPIELST DU? Sylvi S. Welche Rolle spielst du? Dieses ebook wurde erstellt bei
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
Impressum neobooks
Die junge Schauspielerin Janine Reimer wusste, dass sie sich freuen sollte, so eine einmalige Rolle ergattert zu haben. Trotzdem war sie dermaßen nervös, dass sich dieses Gefühl beinahe in Angst umänderte, als sie das Filmset betrat. Heute sollte sie zum ersten Mal ihre neuen Kollegen kennen lernen, mit denen sie in den nächsten Monaten wesentlich mehr Zeit als mit ihrer Familie verbringen würde. Hoffentlich würde sie sich gut mit ihnen verstehen. Vor allem auf ihren Serienpartner war sie sehr gespannt.
Sie hatte schon Teile des Manuskriptes gelesen und war sich bewusst, dass recht freizügige Szenen auf sie zukamen. Da war es wichtig, dass zumindest eine gewisse Sympathie zwischen ihnen bestand. Ansonsten konnte der Traumjob schnell ins Gegenteil umschlagen. Vielleicht klopfte der Blondine deswegen das Herz bis zum Hals, als sie die kleine Empfangshalle betrat.
Einige ihrer Schauspielkollegen waren bereits anwesend und hatten es sich an der Original-Set-Bar der Stammkneipe „Zum Hirsch“ gemütlich gemacht, wo selbstverständlich nur alkoholfreie Getränke ausgeschenkt wurden. Trotzdem schien die Atmosphäre zu stimmen, wenn das herzhafte Lachen ein Indiz dafür war.
Eigentlich war Janine sonst nicht so schüchtern, aber sie hatte auch noch nie die Hauptrolle in so einer freizügigen Serie gespielt. Obwohl sie sich für ihren Körper nicht schämte, war sie nicht sicher, ob es ihre Familie schätzen würde, dass sie mehrmals ihren nackten Hintern halb Deutschland präsentieren würde. Dass ihr ausgerechnet jetzt Bedenken kamen, wo es praktisch zu spät war, machte die Situation auch nicht leichter. Ihre Serienkollegen, von denen sie keinen einzigen kannte, schienen dieses „Zur Schau stellen” lockerer zu nehmen. Von Schüchternheit oder gar Hemmungen, die Hüllen fallen zu lassen, war hier nichts zu spüren. Außerdem benahmen sie sich bereits wie eine eingeschworene Gemeinschaft, was das Gefühl, fehl am Platze zu sein, nur noch verstärkte.
Plötzlich von Lampenfieber gepackt, hätte Janine am liebsten klammheimlich einen Rückzieher gemacht. Doch es war schon zu spät. Eine junge rothaarige Frau hatte sie entdeckt und winkte sie zu sich heran.
Es wäre unhöflich gewesen, diese Einladung zu ignorieren. Also atmete sie tief durch und trat an die Theke.
„So ein hübscher blonder Engel! Das kann nur unsere Sofia sein”, schnatterte sie viel zu laut drauflos und schaffte es, dass sich alle Köpfe nach ihr umdrehten.
Na toll! Genau das hatte Janine vermeiden wollen. Nun war sie mit einem Schlag in den Mittelpunkt geraten und musste Rede und Antwort stehen.
„Ja, ich spiele die Sofia Doll”, murmelte sie, während sie auf einen der Barhocker Platz nahm.
„Schön. Ich bin Natascha. Na ja, eigentlich Birte. Aber in der Serie bin ich die beste Freundin deines Liebhabers Roman. Das heißt, wir werden mehrere Szenen zusammen drehen....” Die Rothaarige begann, die halbe erste Staffel der Serie zu erzählen und bewies, was für eine große Plaudertasche sie war. Aber Janine war das ganz recht so. So musste sie selbst nichts sagen und konnte ruhig und verstohlen die restlichen Personen der Gruppe beobachten. Wer wohl welche Rolle spielte? Offensichtlich traute sich niemand, die Schnattertante zu unterbrechen und sich vorzustellen. Also, musste sie es selbst herausfinden. Seltsamerweise übte diese Raterei einen gewissen Reiz auf Janine aus, und sie versuchte sich als erstes auszumalen, wer den Roman verkörperte.
Ihr Blick blieb an einem attraktiven dunkelhaarigen Mann haften. Ob er es war, mit dem sie die nächsten Monate „intim” werden würde? Hm, sie musste zugeben, dass er wirklich schöne Rehaugen hatte, aber für einen Kerl, den jede haben wollte, hätte man auch jemanden mit mehr Ausstrahlung finden können. Denn ein Erfolgsgarant für die neue Serie sollte ein besonders attraktiver Hauptdarsteller sein, der die Frauen reihenweise zum Schwärmen brachte.
Janine schaute sich weiter um. Nein, einen anderen „Schönling” konnte sie in der Runde nicht entdecken. Okay, der große Braunhaarige sah auch nicht schlecht aus. Doch dieser trug viel zu schräge Klamotten am Leib, die in so knalligen und unpassenden Farben kombiniert waren, dass einem die Schmerztränen in die Augen traten. Der ganze Anputz schrie nach der schwulen Serienfigur Tommy.
Die einzigen beiden Männer in Schlips und Kragen – wohl die Standartkleidung dieses Romans, sofern er überhaupt welche anhatte – waren ein bieder aussehender Mittdreißiger und eben Rehauge. Letzteres war wohl tatsächlich der Einzige, der mit der richtigen Maskenbildnerin als Frauenheld durchgehen konnte. Der Dunkelhaarige musste also „ihr” Roman sein.
Stolz, alles allein ausgetüftelt zu haben, geriet Janines Ego ein wenig in Angeberlaune. Als sich Birte die Zeit zum Luftholen nahm, nutzte sie die Gelegenheit, das Rehauge anzusprechen, um die anderen mit ihrem schlauen Köpfchen zu beeindrucken. Wenn sie sich etwas mehr in die Gemeinschaft einbrachte, würde sie sich vielleicht auch mehr dazugehörend fühlen.
„Du bist also mein Liebhaber Roman. Ich freue mich schon auf unsere Zusammenarbeit. Ich bin sicher, dass wir bei unserer gemeinsamen Bettakrobatik gut harmonisieren werden.” Janine versuchte es mit einem Scherz, der bei dem Dunkelhaarigen gut ankam. Erst als diesem vor Lachen die Tränen in die Augen traten, wurde die junge Frau stutzig. So witzig war ihr Spruch nun auch wieder nicht gewesen.
„Ich fühle mich ja echt geschmeichelt, dass du mich für so schön hältst, dass ich den Roman spielen könnte. Aber ich bin nur Andreas, Romans bester Freund.”
Noch während Janine versuchte, sich von dem Schock zu erholen, erklang plötzlich eine sexy, aber etwas schüchterne Stimme hinter ihr.
„Der Roman bin ich.”
Wie von der Tarantel gestochen, fuhr sie herum und hielt erstarrt inne. Ihr blieb buchstäblich die Spucke weg, und schon auf dem ersten Blick wusste sie: Nein, mit diesem Kerl konnte sie unmöglich drehen!
Leon Schneiders ganzer Körper vibrierte. Er spürte seinen Herzschlag von den Zehen bis zum Hals. Am liebsten hätte er sich vorher ein paar Tropfen Mut angetrunken. Aber dann hätte er seine Chance schon vermasselt, bevor er sie überhaupt richtig nutzen konnte. Immerhin hatte er die Rolle erst im letzten Moment ergattert, und wieso, war er sich auch nicht ganz sicher. Jeden Hauptcharakter der Serie hatte man bereits mit dem geeigneten Schauspieler besetzt gehabt. Der Drehbeginn für die erste Szene hatte schon festgestanden – nur den Frauenheld Roman hatte man noch nicht gefunden. Daran drohte letztendlich sogar alles zu scheitern.
Da er praktisch 5 vor 12 beim Casting aufgetaucht war, konnte er nicht mit Sicherheit ausschließen, dass er nur aus purer Verzweiflung genommen worden war. Okay, er wusste, dass er ganz passabel aussah. Das hatten ihm einige Frauen bestätigt. Aber das waren Bekannte gewesen. Wie würde er bei einem breiten Publikum ankommen, dass große Erwartungen an ihn hatte? Er wollte schließlich nicht als Fehlbesetzung gelten oder gar für miserable Einschaltquoten verantwortlich sein, weil man ihn nicht attraktiv genug fand. Soweit er es gelesen hatte, mussten sich die Frauen regelrecht nach ihm verzehren. Aber so überzeugt von sich war Leon lange nicht. Was, wenn seine neuen Kollegen die Köpfe über ihn schütteln würden und heimlich dachten, dass sie einen besseren „Roman“ hätten finden können?
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