»Bis wann brauchst du das erste Drehbuch? Reicht morgen früh?«
Bernd Meitoschat schmunzelte. Hierbei wurden seine Hemdknöpfe wieder einer gefährlichen Belastungsprobe unterzogen. »Natürlich hat das ebenso was mit Sachverstand und Talent zu tun. Ist doch klar, oder?! Aber du hast das drauf, Kocke. Dein Problem ist, erst mal den Anfang zu finden.«
»Wenn das so problemlos ist, warum schließt du nicht das Büro und wirst Drehbuchautor? Ist scheinbar alles mühelos.«
»Auf Dauer wäre das nichts für mich.« Dann wiegte er den Kopf leicht zur Seite. »Obwohl, ein bisschen Spaß war an der Sache schon dran. Aber bei dem einen Skript soll’s erst mal bleiben …«
»Was hast du?«, unterbrach ihn Moritz.
»Ich habe aus deinem Kurzkrimi ein Drehbuch erstellt und das an Canal Doppel-Plus geschickt …«
»Das Manuskript, das ich dir seinerzeit gegeben habe?« Moritz sah ihn überrascht an. – »Aus diesem Krimi hast du ein Drehbuch zusammengeschustert? Umgewandelt oder wie immer man so was nennt. Das habe ich damals nur aus Spaß geschrieben, um dir einen Gefallen zu erfüllen. Ich hatte die Absicht dich wegen meiner Gedichte bei Laune halten.«
»Aus deinem Spaß-Manuskript habe ich ein Drehbuch erarbeitet. Natürlich im Auftrag eines Autors habe ich denen gesagt. Die fanden das fesselnd. Eine einzelne Geschichte allerdings war für die nicht akzeptabel. Das Ganze hätte nur als Serie eine Chance. Fünfzig Stories im Jahr, zu je fünfundvierzig Minuten. Idealerweise parallel mit einer gleichzeitig gestarteten Buchausgabe. Nachdem ich zugesagt hatte, entschlossen sie sich das Projekt in einer der nächsten Redaktionskonferenzen nochmals durchsprechen. Sie hatten mir aber schon eine vorsichtige Zustimmung signalisiert. Was sagst du nun?«
»Gratuliere, Bernd.« Moritz lehnte sich leise lächelnd im Sessel zurück. »Während du Kurzkrimis und Drehbücher schreibst, schmeiße ich hier solange mit Cindy deinen Laden.«
»Mensch Kocke, sei nicht albern, so eine Möglichkeit bekommst du nicht wieder.«
»Lieber Bernd, ich verdiene mein Geld damit, dass ich im Morddezernat den größten Teil der Zeit verbringe. Wann, glaubst du, ist es mir vergönnt die Schreiberei zu erledigen?«
»Den Job hängst du an den Nagel, wenn das mit Doppel-Plus klappt.«
»Und nach den fünfzig Serien? Gehe ich dann in Pension?«
»Quatsch! Danach schreibst du eine neue Staffel mit ebenso vielen Krimiserien. Außerdem hat Cindy ihren Job bei mir. Und du hättest die Möglichkeit, dieses oder jenes Gedicht in die Stories einzubauen. Beispielsweise ist eine deiner Stammfiguren ein Gedichteschreiber. Wäre doch was, wetten?«
»Keine Wetten, Bernd. Die Sache hat nur einen kleinen Haken.«
»Und wo liegt der?«
»Ich liebe den Beruf, als Kriminaloberkommissar. Und für nichts auf der Welt würde ich diesen Job hergeben. Auch nicht für viel Geld von Doppel-Plus . Ist das klar, mein Freund?«
»Es dauert sicher noch ein wenig, bis sich Doppel-Plus meldet. Bis dahin hast du Zeit, die Sache zu überschlafen. Tu mir den Gefallen und spreche mal mit Cindy darüber. Apropos Cindy. Du suchst doch schon seit einer Weile ein Wochenendhaus. Ich glaube, sie hat da etwas Passendes für dich gefunden. Vielmehr für euch. Denn ihr werdet sicherlich zusammen einziehen. Vielleicht bekommst du das dann auch einmal auf die Reihe, deine langjährige Freundin zu heiraten. Zeit wird es.«
Moritz überhörte die Stichelei. »Wo liegt dieses prächtige Wochenendhaus?«
»In Kramnitz. Zumindest kurz davor.«
»Ich beabsichtige, nicht auszuwandern, sondern nur ein Ferienhaus zu kaufen oder zu mieten. Vielleicht ergibt sich die Möglichkeit dort hinzuziehen, wer weiß?!«
»Die Wochenendhäuser in der City sind schon alle verkauft, Kocke.«
»Kramnitz, Kramnitz.« Seine Stirn legte sich in Falten. »Habe ich nie gehört«, knurrte er missmutig.
»Sei froh, denn dort wirst du bestimmt keine überdrehten Städter finden. Ich war übrigens schon mal da. Möglich, dass es dir da gefällt. Bei Cindy sehe ich das ähnlich. Es handelt sich um ein parkähnliches Gelände. Ungefähr einen Kilometer vor Kramnitz. Nah an der Straße. Eine kaum befahrene Landstraße. Gleichzeitig ragt es ein Stück in den Wald hinein. Und ein Teich hinter dem Haus.« Bernd Meitoschat geriet ins Schwärmen. »Allerdings wohnen in dem Herrschaftshaus die Besitzer. Das Wochenendhaus liegt direkt neben dem Landhaus. Ein, zwei Steinwürfe vom Haupthaus entfernt. Je nachdem, wie weit man in der Lage ist zu werfen«, schmunzelte er. »Es ähnelt ein wenig an Goethes Gartenhaus. Von der Art und Größe her.«
»Von unserem Schul-Ausflug, damals nach Frankfurt, habe ich es als eine Art Schuhkarton mit Spitzdach in Erinnerung.«
»Die Architektur ist heute auch nicht viel anders. Nur die Technik hat sich geändert. Vielleicht hast du das noch nicht mitbekommen. Aber es ist so. Schaut es euch zumindest an.« Die Worte des Literatur-Agenten klangen eher ein wenig bittend. »Und übrigens, den Schul-Ausflug damals, habt ihr nach Weimar unternommen.«
Mit dem rechten Daumen rieb Moritz am Zeigefinger. Die Stirn legte sich dabei in Falten. Seine Augen sahen scheinbar gedankenverloren durch alles hindurch.
»Sicher, preiswert wird es nicht«, zuckte der Literatur-Agent mit den Achseln. »Aber mit dem Geld von Doppel-Plus … «
»Ach so! Aus dieser Richtung weht der Wind. Da hat mein Freund Bernd bereits mit Cindy über meinen Kopf hinweg entschieden, dass ich den Job bei der Polizei hinschmeißen soll. Ich werde euch was husten.«
»Mensch Kocke, was denkst du, wie Cindy aus dem Häuschen war, nachdem sie gehört hat, wie prima deine Chancen als zukünftiger Drehbuchautor stehen. Natürlich helfe ich dir bei den ersten Drehbüchern. Ist doch klar. Sie ist förmlich ausgeflippt vor Freude.«
»Warum hast du Schwierigkeiten, mich zu verstehen? Ich bleibe bei der Kripo. Und in meiner geringen Freizeit werde ich nicht nebenbei Stories schreiben. Das klappt nicht. Und das beabsichtige ich auch nicht. Punkt, basta, aus!«
»Das Haus anzusehen ist eine Pflicht, Kocke. Da führt kein Weg dran vorbei.«
»Warum ist das eine Pflicht?«
»Ich habe für das übernächste Wochenende einen Termin zur Besichtigung für euch ausgemacht. Mit einer Übernachtung dort. Cindy hat in deinen Rufbereitschaftsplan gesehen, damit es keine Schwierigkeiten gibt. Und Kocke, anschauen ist auf jeden Fall Pflicht. Es ist nicht möglich, Cindy vor den Kopf stoßen und von vornherein den Besuch abzulehnen. Gib ihr das Gefühl, dass du dich mit der Sache beschäftigt hast. Sie braucht es, glaube mir. Gerade jetzt, wo ihre Mutter gestorben ist und wo sie erfahren hat, dass es nur ihre Adoptivmutter war. Sie hat es mir am Sonntag gesagt, nachdem sie mich wegen des Urlaubs anrief. Mach es ihr und mir zuliebe, Kocke. Bitte!« Die letzten Worte drangen leise bittend aus Bernd heraus.
Etwas umständlich stand Moritz aus dem Sessel auf. Dann begab er sich nachdenklich zum Fenster.
»Niemand fordert, dass du dich für was entscheidest, was dir nicht passt. Was nicht dein Wille ist. Nur das Haus ansehen, mehr nicht. Das ist doch nicht Zuviel verlangt, oder?«
»Ich glaube ich spinne«, ereiferte sich Moritz urplötzlich. Nachdem er wie zufällig, aus dem fünfzehnten Stockwerk, nach unten zu dem karminroten Fahrzeug sah, das fast vor der Tür parkte. »Die haben vor meinen Wagen abzuschleppen.« Mit einer hastigen Handbewegung holte er das Handy aus der abgegriffenen Lederjacke. Kurz darauf tippte er aufgeregt eine Nummer in das Gerät.
»Polizeileitstelle. Leiter vom Dienst. Krießling.«
Moritz verdrehte die Augen. Wieder eine Neubesetzung. Den Namen kannte er nicht. Dann sprach er mit hastigen Worten ins Gerät. »Das glaube ich nicht, Jungs! Während ich mich anstrenge, hier einem Gewaltverbrechen auf die Schliche zu kommen, habt ihr nichts Besseres vor, als meine Kiste ins Abseits zu stellen.« Obwohl Moritz die Person am anderen Ende nicht kannte, schlug er einen vertraulichen Ton an. Er hoffte damit, das Abschleppen so zu verhindern.
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