1 ...7 8 9 11 12 13 ...16 »Warte es doch ab, Kocke. Die beiden heirateten kurz vor der erwarteten Geburt des Kindes. Aber Ellen starb im Wochenbett. Und mit ihr das Ungeborene. Und dieser Henrik Thomsen macht den Sohn der von Wallbaums hierfür verantwortlich. Er behauptet, dass Oliver das Mädchen absichtlich geschwängert hat, nur damit Ellen es sich nicht im letzten Moment anders überlegt. Der Gastwirtssohn ist davon überzeugt, dass Oliver seine Frau nie geliebt hat. Der war nur darauf versessen, dass Henrik sie nicht heiratete.«
»Glaubst du das ernsthaft, Bernd?«
»Möglich. Im Übrigen tratschen die Leute das im Dorf herum. Für Thomsen jedenfalls, ist Oliver der Mörder seiner Geliebten. Ellen war die Nichte, der bei den von Wallbaums beschäftigten Hausangestellten, Lisa Baerwald. Ellens Eltern sind bei einem Versuch, in ihrem Chemie-Labor, ums Leben gekommen. So spricht man zumindest. Seit deren Tod passieren in kurzen Abständen immer wieder seltsame Sachen. Im und um das Landhaus herum.«
»Seltsame Sachen?«
»Im vergangenen Monat wäre die Bude fast abgebrannt. In der Küche brach ein Feuer aus. Im letzten Moment wurde der Brand unter Kontrolle gebracht. Es hat nicht viel gefehlt und das ganze Haus hätte sich in Asche aufgelöst.«
»Brandstiftung?«
»Die Polizei fand keinen Beleg hierfür. Der Schaden ist wieder behoben. Kurz zuvor verschwand ein Teil des Vorrats an Ungeziefervernichtungsmittel. Kennst du ja, Zyankali. Hochgiftig. Offiziell hat sich ein Landstreicher diese giftige Flüssigkeit unter den Nagel gerissen und ist damit spurlos verschwunden. Angezeigt hatte man den Vorfall wohl nur, weil die Polizei im Haus war. An allen drei Autos, der von Wallbaums, waren die Reifen zerstochen. Wochen vorher lag ein Reh mit durchschnittener Kehle direkt in der Toreinfahrt. Alexander von Wallbaum scheint die Sache sehr ernst zu nehmen. Aus diesem Grund verlegt er den Hauptwohnsitz in die Stadt. Das wäre also der zweite verständliche Anlass. Er vermutet hinter diesen ganzen Vorkommnissen bestimmt den Thomsen. Sicherlich hat die Polizei ebenfalls in diese Richtung ermittelt. Wenn es überhaupt wegen, beispielsweise eines toten Rehs, etwas zu ermitteln gibt.«
»Woher weißt du das alles?«
»Ich bin mir sicher, soweit du in Kramnitz zwei- oder dreimal Einkaufen warst, wirst du noch mehr wissen, als ich. Solltet ihr da einziehen, wird der Spuk wahrscheinlich aufhören. – Ich habe bereits mit Cindy gesprochen, wie das abläuft, wenn ihr dort euren Wohnsitz einrichtet. Es wäre Blödsinn, jeden Tag diese weite Strecke zurücklegen würde. Die Kommunikationstechnik macht heute vieles möglich, nicht wahr?!«
»Woher hast du diese ganzen Informationen, von den Wallbaums? Doch nicht allein aus Gesprächen und Vermutungen?«
»Unter Bikern, mein lieber Kocke, gibt es so gut wie keine Geheimnisse. Auch, wenn man die einschlägigen Treffpunkte meidet.« Auf Bernds Gesicht breitete sich ein genüssliches Lächeln aus.
Moritz atmete hörbar tief durch. »Danke für deine Tipps. Ich habe vor, mir nur kurz das Haus anzusehen. Wahrscheinlich werden wir da gar nicht übernachten. Und ob ich diesen Oliver überhaupt sehe, wird sich zeigen. Ansonsten interessieren mich deren Familienprobleme nicht. Ich habe ebenso die Absicht, mich da nicht einzumischen.« Dann bemerkte Moritz das flüchtige Hinschauen seines Freundes zur Armbanduhr. »Verflixt!«, sprang er verärgert auf. »Mein Gerichtstermin! Wieder mal verplappert. Kurz noch etwas über die Gedichte, Bernd.«
»Kocke, ich sage dir fest zu, heute keine Wetten mehr abzuschließen. Dich verpflichte ich dafür, mir zu versprechen, heute nicht mehr das Wort Gedicht in den Mund zu nehmen.«
Moritz nickte wenig einsichtig. Mit raschen Schritten bewegte er sich in Richtung Tür. Bevor er das Zimmer verließ, drehte er sich nochmals um. »Wir sollten mal wieder morgens gemeinsam joggen, findest du nicht auch?« Bei diesen Worten sah er vielsagend auf die pralle Füllung des Hemdes von seinem Freund. Ohne die Antwort abzuwarten, riss er die Tür auf. Es fehlte nicht viel, dann hätte er die beiden Personen überrannt, die davor standen.
Sekundenlang sahen sich die drei überrascht an.
Moritz bemerkte das teilnahmslose, versteinerte Gesicht des einen Uniformierten, den er fast umgerannt hätte. Kein erkennbares Muskelzucken in dessen Miene. Nichts. Der zweite, merklich kleiner, dafür korpulenter. Moritz nahm an, dass die beiden, auf Grund ihrer fehlenden Reaktion, Zwillinge sind.
»Büro Meitoschat?«, fragte der Lange monoton.
Ah, sie sind in der Lage zu sprechen, stellte Moritz fest.
»Ja!«, ertönte es lautstark aus dem Arbeitszimmer. Wenige Augenblicke später stand Bernd im Türrahmen. »Ja!?«, klang die Stimme nun etwas leiser.
»Wir sind vom Ordnungsamt«, sprach der Längere der beiden. »Liegt bei Ihnen ein Notfall vor? In diesem Fall würde das Falschparken des Kriminalbeamten von uns nicht weiter verfolgt werden. Haben Sie ein Gewaltdelikt gemeldet?«
»Ich, äh …«
Moritz ergriff das Wort. »Herr Meitoschat«, sprach er in dienstlichem Ton, »Sie haben mir Ihre Vermutungen ausführlich geschildert. Weiter brauchen Sie sich jetzt nicht zu äußern. Erst, wenn der Anwalt anwesend ist.«
»Ich, äh …«
Der steinerne Gesichtsausdruck der beiden Mitarbeiter vom Ordnungsamt, verriet ihren Verdruss über die Äußerung des Kriminalbeamten. Nach einer kurzen Pause nahm der Längere das Gespräch wieder auf. Trotz Zurechtzupfen seiner Dienstkleidung, sprach er zu Moritz: »Wir haben die Personalien des Besitzers über das Kennzeichen ermittelt. Wenn Ihr Vorgesetzter uns telefonisch erklärt, dass dieser Einsatz notwendig war, werden wir das Fahrzeug nicht umsetzen. Sie müssten es allerdings sofort woanders platzieren. Ist Ihr Dienstherr Herr Richter?«
Im Hausflur war das Knacken von Handknöcheln zu vernehmen. Ohne das es möglich war, genau zu bestimmen, woher das Geräusch kam.
»Wissen Sie was«, sprach Moritz schließlich zu den beiden, »ich fahre Soundso weg. Schreiben Sie einen Bußgeldbescheid. Ich überweise das Geld.«
»Es ist auch möglich, sofort bar zu zahlen, wenn Ihnen das lieber ist.« Jetzt kam der Hinweis von dem kleinen Korpulenten.
»Ach so, dann werde ich natürlich meinen Chef nicht mit dieser Lappalie belästigen. Was kostet der Spaß? – Wie viel?! Diesen Betrag bekomme ich nicht einmal, wenn ich den Wagen verkaufe.«
Beide Mitarbeiter des Ordnungsamtes zuckten mit den Achseln.
Mürrisch zahlte der Falschparker das Geld. Sein Freund kopierte das Achselzucken der zwei Bediensteten vom Amt.
Mit einem künstlichen Lächeln auf den Lippen eilte Moritz zum Treppenhaus. Jetzt bloß nicht mit den beiden im Aufzug herunterfahren, schoss es ihm durch den Kopf. »Sind Sie immer zu zweit im Einsatz?«, fragte er wissbegierig, bevor er im Treppenflur verschwand.
»Ich wette«, rief Bernd provozierend hinterher, »der Aufzug ist schneller unten.«
Im Treppenhaus hallte Moritz’ Antwort mehrfach nach. »Und ich schreibe mein erstes Drehbuch, Mord im Hochhaus …«
»Ist heute Dienstag?« Schlaftrunken stand Moritz in Cindys Küche. Halblaut rief er die Frage Richtung Schlafzimmer. Gleich drauf kratzte er sich behäbig am Kopf, um sich sofort selber die Antwort zu geben. »Ach, richtig. Gestern war ich bei Bernd.« Dann füllte er das braune Kaffeepulver umständlich in die Filtertüte der Kaffeemaschine. Ohne hochzuschauen, rief er nochmals fragend in Richtung Schlafzimmer: »Ist es wirklich dein Wunsch, heute zum Dachsbau zu fahren? Oder hast du es dir vielleicht anders überlegt? Da ich Spätdienst habe, könnten wir den halben Tag im Bett verbringen. Mittags lassen wir uns was vom Griechen liefern.«
»Auf das Angebot komme ich später noch mal zurück.« Cindy stand direkt hinter Moritz, der deutlich erschrak, weil er nicht damit gerechnet hatte. Danach sprach sie gelassen weiter. »Ich fahre ebenso gern bei dir im Wagen mit. Deswegen habe ich ihn gestern Abend extra abgeholt.«
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