REINHOLD STECHER
BOTSCHAFT
DER BERGE
Mit Aquarellen
des Autors
Mitglied der Verlagsgruppe „engagement“
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
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16., neu gestaltete Auflage 2014
© Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck
Umschlaggestaltung und Layout Tyrolia-Verlag, Innsbruck
Lithografie: Artilitho, Lavis (I)
Druck und Bindung: Theiss, St. Stefan im Lavanttal
ISBN 978-3-7022-3385-3 (gedrucktes Buch) ISBN 978-3-7022-2286-0 (E-Book) E-Mail: buchverlag@tyrolia.atInternet: www.tyrolia-verlag.at
Viele Wege führen zu Gott,
einer geht über die Berge.
Vorwort Vorwort Dieses Buch möchte etwas versuchen, das heute eher einen beklemmenden Beigeschmack hat. Es möchte helfen, die Berge zu erschließen. Aber nicht mit neuen Liften, die über stille Bergwiesen klappern, oder mit neuen Parkplätzen, die in Talgründe hineingewüstet werden, und auch nicht mit neuen Pisten, die über das sanfte Gesetz der Bergblumen die harte Herrschaft der Planierraupe bringen. Von dieser Art Erschließung, die auch ihre Notwendigkeit hatte, gibt es nunmehr genug. Die Bilder und Gedanken dieses Buches möchten ein wenig den inneren Reichtum der Berge erschließen. Sie wenden sich an jenen Bergwanderer und Bergsteiger, der auf den Höhen doch noch mehr sucht als Fitness, Leistung, Sauerstoff, Sonnenbräune und einen Drink an der Bar des Berghotels. Aus der Begegnung mit vielen Menschen auf Klettersteigen und in Eisbrüchen, auf Wanderwegen und auf der Bank vor der Hütte habe ich die Überzeugung gewonnen, dass heute viele auf der Suche nach diesem inneren Reichtum der Berge sind. Mit besonderer Dankbarkeit erinnere ich mich an jene Menschen, die mich auf den vielen Bergfahrten begleitet haben: Dr. Paul Ladurner, Ossi Wörle, Anton und Georg Hechl, Ali Steinberger und viele andere. Wenn die Gedanken dieses Buches da und dort beim Leser verwandte Saiten und Sehnsüchte zum Klingen bringen, haben sie ihren einzigen Zweck erfüllt. Reinhold Stecher
Die schweigenden Berge
Die ruhenden Berge
Die widerhallenden Berge
Die berauschenden Berge
Die wärmenden Berge
Die fordernden Berge
Die gefährlichen Berge
Die Dohle
Die gefährdeten Berge
Die strahlenden Berge
Der Wegweiser
Der Fels
Die mahnenden Berge
Der Helm
Der kleine Mensch
Die Quelle
Der Bannwald
Das Geschenk
Das Seil
Die Bergwiese
Das Schauen
Der Föhn
Die heiligen Höhen
Das Gipfelkreuz
Die Bergmesse
Der Herbstabend
Die Weite
Die Erinnerung
Dieses Buch möchte etwas versuchen, das heute eher einen beklemmenden Beigeschmack hat. Es möchte helfen, die Berge zu erschließen. Aber nicht mit neuen Liften, die über stille Bergwiesen klappern, oder mit neuen Parkplätzen, die in Talgründe hineingewüstet werden, und auch nicht mit neuen Pisten, die über das sanfte Gesetz der Bergblumen die harte Herrschaft der Planierraupe bringen. Von dieser Art Erschließung, die auch ihre Notwendigkeit hatte, gibt es nunmehr genug. Die Bilder und Gedanken dieses Buches möchten ein wenig den inneren Reichtum der Berge erschließen. Sie wenden sich an jenen Bergwanderer und Bergsteiger, der auf den Höhen doch noch mehr sucht als Fitness, Leistung, Sauerstoff, Sonnenbräune und einen Drink an der Bar des Berghotels.
Aus der Begegnung mit vielen Menschen auf Klettersteigen und in Eisbrüchen, auf Wanderwegen und auf der Bank vor der Hütte habe ich die Überzeugung gewonnen, dass heute viele auf der Suche nach diesem inneren Reichtum der Berge sind.
Mit besonderer Dankbarkeit erinnere ich mich an jene Menschen, die mich auf den vielen Bergfahrten begleitet haben: Dr. Paul Ladurner, Ossi Wörle, Anton und Georg Hechl, Ali Steinberger und viele andere. Wenn die Gedanken dieses Buches da und dort beim Leser verwandte Saiten und Sehnsüchte zum Klingen bringen, haben sie ihren einzigen Zweck erfüllt.
Reinhold Stecher
Es ist eine der liebenswertesten Eigenschaften meiner Heimatstadt, dass sie viele, schnelle Fluchtwege in die Stille hat. Wenn ich für ein paar Stunden dem Lärm entrinne und von irgendeinem Zacken der Nordkette ins Häusermeer von Innsbruck hinunterschaue, dann kommt mir zum Bewusstsein, wie laut die Welt ist, die wir uns gebaut haben. Alles ist laut: Motoren, Maschinen, Sirenen, Autobahnen, Flugzeuge. Wir strapazieren dauernd unsere Organe und Sinne, die ja eigentlich für verhaltenere Töne gebaut wären. Wir machen das Dasein zur Diskothek. Unser Feldzeichen ist der Verstärker. Dabei betrifft das Lautsein nicht nur die Welt des Akustischen. Auch Farben können laut sein, Scheinwerfer, Neonröhren, Schlagzeilen, ja sogar der vermarktete Sex unserer Tage ist zu laut.
Selbst wenn man zweitausend Meter darüber ist, dröhnt dumpf der Lärm der Stadt herauf. Aber wenn ich dann nur ein paar Meter auf die Nordseite hinüberwechsle und in die Ketten und Kare, die Wannen und Wände des Karwendels horche, weht mich die Stille an. Geräusche werden zur seltenen Kostbarkeit: ein rollender Stein, den eine querende Gämse losgetreten hat, der Schrei einer Dohle, das Bähen eines Bergschafes am Steilhang.
Man könnte sich vorstellen, dass diese gewaltige, stille Welt für manche Menschen heute im ersten Augenblick belastend ist. Wir sind zu sehr die Flucht in den Lärm gewohnt, damit wir nicht zu uns kommen und ja nichts aufbrechen kann, was da verdrängt und ungelöst sich tief in der Seele duckt. Aber dieses majestätische Schweigen ist doch die erste Therapie, die die Berge für uns gehetzte, verwirrte, abgelenkte und oberflächliche Menschen bereit halten. Wer die Botschaft der Berge hören will, muss sich auf diese Therapie einlassen.
Wahrscheinlich ist das erzieherische Tun der Menschheit noch nie so wortreich gewesen wie heute. Aber alle unsere Reflexionen und Verbalisierungskünste, unser Reden und Schreiben, Vervielfältigen und Ausstrahlen über die Medien – der ganze lärmende Aufwand kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das eigentliche Ziel aller Pädagogik sehr oft nicht getroffen wird: das Herz. Große Erzieher können sehr stille Menschen sein.
Die Berge sind schweigende Lehrer. Sie diskutieren, argumentieren und überreden nicht. Sie drängen sich nicht mit penetranter Rhetorik in unser Bewusstsein. Sie wahren – auch heute noch – weite Räume der Stille. Ich habe schon sehr fröhliche, junge Menschen erlebt, die beim Mondnacht-Aufstieg über einen weiten Gletscher so still geworden sind, wie man vielleicht verstummt, wenn man von einer lauten Straße her plötzlich in die Gewölbe eines alten Kreuzgangs tritt. Und darum ist die erste Botschaft der Berge ihre Stille. Der Teppich des Schweigens muss ausgerollt werden, damit die Ehrfurcht Einzug halten kann.
Innsbruck mit Blick zur Nordkette
Wir leben schnell. Unser tägliches Spiel heißt „dalli, dalli“. Wir haben unzählige Maschinen erfunden, die schneller laufen, arbeiten, kombinieren, speichern, bauen, bewegen und kontrollieren, als wir es je könnten.
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