Tim Steiger - Valegazien - Der Brief des Onkels
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Vorwort
Im Sommer 2015 entdeckte ich für mich die Leidenschaft für das Schreiben von Geschichten. In der Zeit von 2015 – 2018 entstanden dadurch meine ersten drei Kurzgeschichten. „ Elpiseira – Die Flucht vor Pandora “ (2015), „ Das Leben des Samuel Braaf “ (2016) und „ Das Segelboot im Datenmeer “ (2018). Ich trug seither den Wunsch in mir eine etwas längere Geschichte zu verfassen. Durch meine Faszination am Fantasy-Genre liess ich mich nun zu diesem neuen Werk inspirieren. Das Ausdenken einer eigenen Welt in „ Valegazien: Der Brief des Onkels “ hat mir eine kindliche Freude bereitet. Wenn ich durch das Teilen meiner neuen Geschichte diese Freude auf meine Leserinnen oder meiner Leser übertragen kann, dann ist jedes in diesem Buch geschriebene Wort gleich doppelt wert. Grund zum Feiern habe ich allemal, denn mit meiner neuen Geschichte erreiche ich mein persönliches 5-Jahre-Jubiläum als Hobby-Schriftsteller. In dem Sinne wünsche ich jetzt viel Vergnügen beim Lesen meiner vierten (etwas längeren) Geschichte.
Landkarte
Teil I
Teil I
Abseits des Pfades
Kapitel 1
Die kühle Morgenluft riecht nach frischen, saftigen Weiden. Die Tiere auf den umliegenden Höfen geben sich zu erkennen und begrüssen unter Grunzen, Gackern, Zirpen, Zwitschern, Tirilieren und ein leises verschlafenes Muhen den neuen Tag.
Toivo begibt sich mit der Mistgabel zur Scheune und stapelt das Heu zur Fütterung der Kühe in den Schubkarren. Nach ein paar gekonnten und routinierten Handgriffen füllt sich der Schubkarren rasch auf. Toivo transportiert die volle Ladung zu den Stallungen, worin die Kühe sehnlichst ihr Frühstück erwarten. Da diese bekanntlich nicht nur über einen Magen, sondern über deren vier verfügen, müssen immer mehrere Schubkarrentransporte absolviert werden. Als Toivo ausreichend Heu zu den Stallungen gebracht hat, ruft er seinen jüngeren Bruder herbei. „Veikko, das Heu steht bereit. Kannst jetzt mit der Fütterung der Kühe beginnen. Wenn du beim Melken der Kühe wieder Hilfe benötigst, dann rufe doch rasch nach Mutter. Ich muss mich jetzt um die Salatfelder kümmern.“
Mit der grossen Giesskanne begibt sich Toivo zum Brunnen und füllt sie mit Wasser auf. Die Salatfelder müssen heute reichlich gegossen werden, da Daeira das Land mit der gütigen Sonne bestrahlt. Bis zum Rand gefüllt, wiegt die Giesskanne gefühlt fast so schwer, wie ein junges Kalb. Doch Toivo ist sich dieser schweren körperlichen Arbeit auf dem Hof gewohnt. Besonders nach der Erkrankung seines Vaters, wurden ihm die schweren Lasten aufgetragen. Er musste zunehmend die Verantwortung des gesamten Betriebes übernehmen, da seine Mutter dies alles nicht alleine zu bewältigen vermag.
Die Wasserperlen tropfen sanft auf den Salatblättern ab. Der Boden scheint heute sonderlich durstig zu sein. „Hey Toivo!“. Er dreht sich um und erblickt Maditha vom Nachbarshof. Toivo winkt ihr zu. Maditha begibt sich zu ihm. „Schöner Tag heute, was?“. „Ja, Daeira meint es gut mit uns heute“, antwortet Toivo. „Wie geht es dir denn so? Und wie steht es um deine Hühner?“, erkundigt sich Toivo. „Mir geht es bestens, danke. Meinen Hühnern auch, sie sind alle vollzählig zum Futternapf angetreten“, sagt Maditha mit einem Lachen. „Hat es bei euch denn nun geklappt mit der Anschaffung eines Pferdes für die schweren Feldarbeiten?“, fragt Maditha nach. „Leider nicht“, entgegnet ihr Toivo etwas traurig. „Wir können uns dies derzeit nicht leisten. Nicht nach der schweren Erkrankung meines Vaters.“ „Wie geht es ihm denn jetzt?“, fragt Maditha besorgt. „Den Umständen entsprechend schlägt er sich wacker.“ „Maditha!“, schallt es vom Nachbarshof. „Ich muss dann mal weiter“, meint Maditha. „Sehen wir uns später wieder bei der alten Mühle, wie immer?“, fragt sie nach. „Ja, bis später“, antwortet Toivo.
Der Boden hat getrunken und nun steht das Pflügen der Felder für den Kartoffelanbau an. Wie froh Toivo doch um dieses eine Pferd wäre. Es würde die schwere körperliche Arbeit beim Pflügen merklich erleichtern. Nur Jammern hilft nicht, damit lässt sich nichts ernten. Somit bleibt ihm nichts weiter übrig, als wie gewohnt die Felder von Hand zu pflügen. Bei der Hitze wäre er auch froh, um ein bisschen Einsicht von Daeira. Es dauert nicht lange und schon sieht sich Toivo schweissgebadet vor. Er kommt gut voran, rund etwas mehr als die Hälfte hat er hinter sich. „Toivo!“, hört er hinter sich Rufen. Veikko läuft ihm humpelnd entgegen. „Toivo!“. Es schmerzt ihn immer wieder, seinen jüngeren Bruder so zu sehen. Seine angeborene Fussdeformität. Ein Leben lang zu humpeln. Dies, ohne einmal richtig gehen gelernt zu haben. Kein schmerzfreies Gehen. Veikko hält dadurch weniger Belastungen stand und benötigt immer wieder Pausen zur Einbalsamierung seines lädierten Fusses. Dies macht das Arbeiten auf dem Hof erheblich schwieriger. Die schwere Arbeit auf dem Feld nahezu unmöglich. Deswegen teilt Toivo ihm einfachere Aufgaben zu, wie etwa das Füttern der Kühe. Deren Dankbarkeit Veikko aufsaugt wie ein Schwamm. „Vater verlangt nach dir“, sagt Veikko schweren Atems. „Komme sofort“, antwortet Toivo mit ruhiger Stimme. Innerlich ist ihm alles andere als ruhig zumute. Hat sich der Gesundheitszustand weiter verschlechtert? Warum diese Dringlichkeit, dass seine Eltern Veikko übers Feld eilen lassen? Toivo unterbricht seine Arbeit auf dem Feld. Ein Pause täte mir ohnehin gut , beruhigt er sich selbst.
Im Wohnhaus seiner Familie angekommen, sucht Toivo das Schlafzimmer seiner Eltern auf. Sein Vater liegt hustend und nicht weniger schweissgebadet als er selbst auf dem Bett. Seine Mutter sitzt auf einem Hocker neben dem Bett und hält Vaters Hand. „Was ist passiert?“, fragt Toivo besorgt, da sein Vater auch schon bessere Tage gesehen hatte. „Alles in Ordnung“, antwortet sein Vater und verfällt in einen stärkeren Hustenanfall. „Keine Sorge mein Kind“, springt die Mutter ein, „die Hitze macht ihm nur etwas zu schaffen.“ „Lennja“, beginnt sein Vater wieder nachdem sich der Husten etwas gelegt hat, „zeige Toivo den Brief.“ Seine Mutter greift zu einem Umschlag auf dem Nachttisch. „Toivo, dein Vater hat einen Brief von seinem Bruder bekommen. Du weisst schon, Leevi. Du solltest den Brief lesen.“ Sie überreicht ihm den Brief. „Ich bete jeden Tag zu Daeira, meine Wünsche könnten nun endlich Gehör gefunden haben“, meint die Mutter. „Ach Lennja, das hat doch nichts damit zu tun“, entgegnet ihr sein Vater. „Toivo, bitte lies den Brief.“ Auf Wunsch seiner Eltern liest Toivo leise für sich den Brief seines Onkels:
Lieber Taavi
Mögest du dem Schutze und der Güte Daeira‘s wohlgesinnt sein. Hoffe mit ihrem Segen und unendlicher Weisheit, obsiegst du deiner schweren Krankheit.
Mir geht es gut in der Hafenstadt Trazhor. Die alltäglichen Vorkommnisse halten mich auf Trab. Ich weiss, dass ich lange nicht mehr bei dir zu Besuch war. Diesen Umstand bedaure ich zutiefst. Leider war es mir in den vergangenen Monden verunmöglicht, eine solche Reise nach Maiizala anzutreten. In meinen Gedanken bin ich stets bei dir.
Ich schreibe dir auch aufgrund eines mir sehr wichtigen Anliegens und hoffe daher, dass dieser Brief dich alsbald erreichen wird.
Es geht um mein altes Landgut in Roggast. Wie du weisst, hatte ich nie das Glück mit meiner Frau Apoya, eigene Kinder zu zeugen. Daher ist es mir ein grosser Wunsch, mein Landgut an deinen Sohn Toivo weiterzuvererben. Ich bitte dich hierbei um dein Einverständnis, und dass du Toivo zu mir sendest, um die benötigten vertraglichen Abklärungen formell abzuschliessen.
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