Lange Momente vergingen, ehe sich ihre Lippen voneinander lösten, und Zeus war entzückt zu sehen, dass Leto heute schon zum zweiten Mal langsam die Augen zu ihm aufschlug. Ebenso langsam breitete sich ein Lächeln über ihr Gesicht, das ihm direkt ins Herz schnitt. Wenn er das jeden Morgen sehen dürfte!
„Das war nicht das Wort, nach dem ich gesucht hatte.“
Er blickte verwirrt. Wort? Sie lachte leise, als sie sein Gesicht sah, und half ihm auf die Sprünge.
„Großartig. Eigentlich wollte ich das nicht sagen, aber irgendwie hast du wohl doch recht. Ein bisschen großartig bist du vermutlich.“
Er grinste und nahm sie in die Arme.
„Bin ich das, ja? Na, dann ist es wohl gut, dass du auch ein bisschen großartig bist. Vielleicht sogar auch ein bisschen mehr.“
Er küsste ihre Mundwinkel.
Leto betrachtete zärtlich sein Gesicht und strich ihm eine feuchte Locke aus der Stirn. Er fing ihre Hand ein und biss spielerisch in den Daumenballen. Sie lachte und entwand sich ihm, sodass Zeus für einen kurzen Moment die schreckliche Vorstellung hatte, sie könne jetzt einfach verschwinden. „Warte“, rief er, die Hand nach ihr ausstreckend, „magst du bei mir bleiben?“
„Wenn du mich fängst“, gab sie zurück und verschwand im Meer. Zeus hechtete hinter ihr her, und für einige Minuten lieferten sie sich eine wilde, chaotische, planschende Verfolgungsjagd, ehe er einen Richtungswechsel antäuschte, woraufhin sie einen Haken schlug und direkt in seinen Armen landete.
Lachend und keuchend hielten sie sich aneinander fest, und Zeus fragte: „Also, was ist jetzt? Ich hab dich gefangen, darf ich dich jetzt behalten?“ Leto hörte auf zu lachen und schaute in seine blauen Augen. Sie fragte nicht wo oder wie lange, sie sagte nur leise: „Ja.“
Zeus hob sie auf die Arme, drückte liebevoll die Lippen auf ihre und trug sie zum Strand. Er bettete sie auf den warmen Sand, legte sich neben sie und nahm sie in die Arme. Sie kuschelte sich an ihn, sah zum ihm auf, lächelte zufrieden und schloss die Augen. Noch ehe Zeus sie fragen konnte, ob sie jetzt wirklich und wahrhaftig schlafen wollte, hatte Morpheus auch ihn übermannt – er forderte seinen Tribut für das Wandern, Klettern und Herumalbern im Wasser.
Leto hörte als erstes die Brandung. Mit geschlossenen Augen lauschte sie dem Rauschen, schnupperte sie die salzige Luft. Die Sonne wärmte angenehm ihre Haut. Leto fühlte sich großartig und versuchte schlaftrunken festzustellen, wo sie war. Mit ihren Eltern und Asteria am Strand? Dann kehrte die Erinnerung zurück und ließ ihr Herz hüpfen. Nein, sie war älter, und es war nicht ihre Familie, die bei ihr war.
Sie öffnete die Augen und drehte sich behutsam unter Zeus' Arm, bis sie ihm ins Gesicht blicken konnte. Er schlief noch tief und fest, und so betrachtete sie ihn eingehend. Er sah entspannt und zufrieden aus, fast wie ein großer Junge, obwohl seine prägnanten Gesichtszüge und die Bartstoppeln darauf hinwiesen, dass er alles andere war als das. Seine Tunika war verknittert und starr vom getrockneten Salzwasser, und in seinen zerzausten Haaren hingen Unmengen von Sand. Auf eine absurde Weise ließ ihn das noch attraktiver erscheinen, irgendwie wild. Leto lachte im Stillen über ihre eigenen Gedanken und fragte sich gerade, wie sehr das Salzwasser und der Sand ihrem eigenen Aussehen zugesetzt haben mochten, als Zeus die blauen Augen aufschlug, sie schlaftrunken ansah und breit zu lächeln begann.
„Guten Morgen“, murmelte er und zog sie fester in seine Arme. „Du bist wunderschön. Magst du immer noch bei mir bleiben?“ Leto küsste ihn sanft auf die Lippen. Gedankenleser, dachte sie.
„Guten Morgen. Weil du so nett bist und im Schlaf so gut aussiehst, bleibe ich bei dir.“
Zeus schüttelte kurz den Kopf, um die letzte Schläfrigkeit zu vertreiben, und runzelte gespielt entrüstet die Brauen, ehe er sich behände mit Leto in den Armen drehte, sodass sie flach auf dem Rücken lag und er strafend auf sie hinab blicken konnte.
„Ich sehe also im Schlaf gut aus, ja? Und was ist, wenn ich wach bin?“
Leto vergaß für einen Moment das Atmen, als Zeus' Oberkörper ihren berührte, und stellte mit Entzücken fest, dass es ihm nicht anders erging.
„Wenn du wach bist – na, das kommt ganz darauf an“, sagte sie. „So im Gegenlicht, mit der Abendsonne im Rücken, die mir direkt in die Augen schien, warst du schon ganz ansehnlich. Mondlicht hat sich ebenfalls als eindeutig vorteilhaft für dich erwiesen. Und jetzt, also so richtig bei Tageslicht betrachtet...“
Sie ließ den Satz verklingen und tat so, als unterzöge sie Zeus einer genauen Betrachtung. Der biss ihr spielerisch ins Kinn.
„Biest!“
Lachend wehrte sie ihn ab.
„Nicht! Du hast ja keine Ahnung, was ich sagen wollte.“
„Ach ja, und was war das?“
Sie legte nachdenklich den Kopf schief.
„Nein... nein, ich fürchte, jetzt habe ich es vergessen.“
Zeus lachte und küsste sie.
„Vielleicht fällt es dir ja später wieder ein, wenn ich sehr nett zu dir gewesen bin. Du schmeckst übrigens nach Salz.“
„Du auch. Du möchtest sehr nett zu mir sein? Wie das denn?“ Zeus sah ihr einen Moment lang tief in die Augen, und sie spürte, wie sein Herz kurz aussetzte, um dann schneller zu schlagen. Er stützte sich neben ihr auf einen Ellenbogen und zupfte an ihrem zerknitterten Gewand. Seine Stimme klang eine Winzigkeit rau.
„Ich könnte mich sehr fürsorglich geben und dich darauf hinweisen, dass du dir so das hübsche Kleid ruinierst. Vielleicht wäre es besser, wenn du es ausziehst, sonst wird es ganz sandig.“
Leto hörte durch das rauschende Blut in ihren Ohren kaum ihre eigene Stimme, als sie antwortete: „Gut, dass du das sagst; ich hätte es gar nicht bemerkt, und es ist doch mein Lieblingskleid. Würdest du mir helfen?“
Und so half Zeus ihr aus dem zerknitterten Kleid. Stumm, aber mit leuchtenden Augen betrachtete er sie, und ihr ging durch den Kopf, dass es gut war, dass er neben ihr lag, weil sie bestimmt unsicher geworden wäre, hätte er sie ohne diese Nähe so angeschaut. Just diesen Moment wählte Zeus, um aufzustehen. Ehe sich aber die gefürchtete Unsicherheit einstellen konnte, hatte er die Tunika abgestreift, und Leto vergaß schlagartig ihre Sorgen über ihr eigenes Aussehen, um den Anblick seines nackten Körpers zu genießen. Ihm jedenfalls schien sie zu gefallen, so wie er ihr gefiel.
Zeus legte sich wieder neben sie, stützte sich auf, um sie anschauen zu können, und fuhr mit der freien Hand sanft und langsam über ihre Schulter, ihre Taille, ihre Hüfte und ihren Oberschenkel und wieder zurück. Dann zog er sie an sich, lehnte seine Stirn an ihre und flüsterte: „Du bist wunderschön, weißt du das?“ Und er küsste sie, zärtlich und spielerisch erst, doch als sie sich an ihn drängte und er ihre Brüste auf seiner Haut spürte, leidenschaftlich.
Leto ihrerseits vergrub erst ihre Finger in seinen schwarzen Locken, um dann seinen Nacken zu streicheln und sanft mit den Fingernägeln der Linie seines Rückgrats zu folgen. Sie wurde mit einem Schauder belohnt, der durch seinen Körper ging, und mit einer Intensivierung seines Kusses. Als er schließlich von ihren Lippen abließ, drückte er sie in den warmen Sand zurück und küsste und biss sich zärtlich über ihre Kehle hinab zu ihren Brüsten. Das fühlte sich derartig gut an, dass sie auf nichts anderes achtete und überrascht zusammenzuckte, als seine warme Hand plötzlich von ihrem Bauch zwischen ihre Beine hinab glitt. Sofort hielt er inne und blickte zu ihr auf. „Soll ich aufhören?“
Sie griff in seine kräftigen Locken und zog ihn zurück.
„Bist du wahnsinnig?“
Als Letztes sah sie sein zufriedenes Lächeln, ehe sie die Augen schloss und sich ganz seinen Berührungen überließ.
Читать дальше