Philipp war, wie er sich eingestehen musste, geschmeichelt. Um ihr ebenfalls ein Kompliment zu machen, sagte er: „Eure wunderbare Stimme lässt meine bescheidenen Fähigkeiten heller strahlen, als ihnen zukommt.“ Ana errötete leicht, doch bevor sie etwas erwidern konnte, deutete Philipp auf den Stuhl vor sich. „Setzt Euch!“
Sie nahm Platz, und als sie ihn ansah, erwiderte er ihren Blick so intensiv, dass sie irritiert zu Boden sah. Mit leiser Stimme sagte sie: „Es tut mir leid, dass Ihr Euch das Gerede meiner Mutter anhören musstet. Sie...“
„Entschuldigt Euch nicht für etwas, wofür Ihr nichts könnt“, unterbrach Philipp sie, da er spürte, dass ihr diese Angelegenheit sehr peinlich war. „Schade ist nur“, sagte er und lächelte, „dass wir uns nicht länger unterhalten konnten.“
Ana hob wieder ihren Blick und erwiderte sein Lächeln. „Das finde ich auch, denn ich hätte Euch gerne etwas gefragt...“
„Nun?“
Philipps aufmunternder Blick nahm ihr die letzte Scheu, und mutig fuhr sie fort: „Mein Vater sagte, Ihr werdet nach England fahren und dort die Königin heiraten. Stimmt das?“
Philipp wunderte sich ein wenig über diese Frage, antwortete aber: „Ja, das ist richtig.“
„Und... er hat auch gesagt, dass Euer Vater diese Heirat aus politischen Gründen ausgehandelt hat; stimmt das auch?“
Philipps Gesicht verdüsterte sich, als er erwiderte: „Auch das ist wahr. Warum fragt ihr?“
Ana schwieg einen Moment, bevor sie fragte: „Weil ich... Ich meine... Ihr heiratet nicht aus Liebe?“
Philipp hätte beinahe laut aufgelacht, doch als er Anas ernstes Gesicht sah, versuchte er ebenfalls ernst zu bleiben. Trotzdem klang seine Stimme leicht ironisch, als er sagte: „Nein. Ich kenne Königin Mary nicht einmal, nur ihr Porträt, und das… Nun ja, ich werde ihr ein guter Gemahl sein und meine Ehepflichten erfüllen, aber lieben werde ich sie wohl nie.“
„Warum lasst Ihr Euch zwingen, jemanden zu heiraten, den Ihr nicht liebt? Würde mein Vater das mit mir tun, ich würde mich dagegen wehren!“ Ana hatte voller Inbrunst gesprochen, und Philipp spürte, wie ernst es ihr damit war.
„Das glaube ich Euch aufs Wort, Doña Ana“, sagte er mit schwachem Lächeln. „Aber der Sohn des mächtigsten Mannes der Welt hat keine Wahl – seine Heirat dient dazu, Erben zu zeugen und Bündnisse zu besiegeln. Auch meine erste Frau habe ich nicht wirklich geliebt; aber sie hat mir einen Sohn geboren, und damit war unsere Ehe erfolgreich.“ Ana fühlte sich von dieser nüchternen Betrachtungsweise etwas abgestoßen, aber zugleich war in seine Augen wieder dieser seltsam melancholische Ausdruck getreten, und Ana konnte spüren, dass ihn sein Handeln in dieser Angelegenheit mehr bewegt hatte, als er zugab. „Darf ich Euch noch etwas – Persönliches fragen, Hoheit?“
„Nur, wenn Ihr mir die Frage gestattet, warum Ihr diese furchtbare Haube tragt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr so etwas freiwillig aufsetzt.“
„Ich trage sie, weil... meine Mutter es möchte“, sagte Ana.
„Aber Eure Mutter ist nicht hier. Warum setzt Ihr sie also nicht ab?“
Ana zögerte einen Moment. „Weil ich mir nicht vorstellen kann, dass Euch das, was unter der Haube ist, besser gefallen würde.“
„Habt Ihr etwa eine Glatze?“ fragte Philipp lachend und ahnte nicht, wie nahe er damit der Wahrheit kam.
Ana erwiderte nichts, sondern löste langsam das Band der Haube. Einen Augenblick hielt sie inne, doch dann riss sie sie sich mit einer raschen Bewegung vom Kopf.
Für einige Sekunden herrschte betretenes Schweigen. Dann sagte Philipp, der sich mit Mühe das Lachen verbiss: „Nun ja, sie wachsen ja wieder...“ Ihre Blicke trafen sich, und wie auf ein Zeichen prusteten sie gleichzeitig los.
Als Philipp sich wieder beruhigt hatte, sagte er: „Ihr wolltet mich vorhin noch etwas fragen. Etwas Persönliches.“
Ana errötete, als ihr wieder einfiel, was sie hatte sagen wollen. „Ich hoffe, meine Frage ist nicht zu anmaßend, Hoheit.“
„Sagt nicht ‚Hoheit’ zu mir. Nennt mich Philipp.“
Ana blickte ihn erstaunt an, und der Infant nickte ihr aufmunternd zu. „Philipp – ist Euer Herz bereits vergeben?“
Erstaunt zog er seine linke Augenbraue hoch; so eine persönliche Frage hatte er nicht erwartet. „Warum fragt Ihr?“
„Frauen interessiert so etwas...“
Anas koketter Ton ließ ihn leise auflachen. „Nun, ich war einige Male verliebt, aber ernst war es mir nur einmal. Sie hieß Isabel. Meine große Liebe... Aber ich werde zu dramatisch.“
Ana hatte ihm hingerissen gelauscht. „Nein, keineswegs! Erzählt weiter, Philipp!“
Sollte er ihr die Wahrheit sagen? Vielleicht die halbe. „Uns… war eine kurze gemeinsame Zeit vergönnt, aber die Umstände haben uns getrennt.“ Seine Stimme war jetzt ernst, und Ana spürte den Schmerz, der in seinen Worten mitschwang, fast körperlich.
Nach einer kurzen Pause sagte sie mitfühlend: „Ich wollte diesen Schmerz nicht erneuern. Verzeiht mir.“
Philipp nahm ihre Hand. „Ihr habt Euch nichts vorzuwerfen, Ana. Aber bitte verlasst mich jetzt, ich bin sehr müde.“ Er sah die Angst in ihren Augen und wusste, dass sie dachte, einen Fehler begangen zu haben, als sie ihm diese Fragen gestellt hatte. Er lächelte: „Wirklich, ich trage Euch nichts nach, ich brauche einfach nur Schlaf. Wollen wir morgen zusammen ausreiten?“ Er war aufgestanden und hielt dabei immer noch ihre Hand fest.
Ana erhob sich ebenfalls. Sie war froh, dass er nicht verärgert zu sein schien. „Sehr gern“, erwiderte sie und sah ihn mit funkelnden Augen an.
Philipp küsste ihre Hand, nachdem er für einen Moment völlig in ihrem Anblick versunken war. „Gute Nacht, Ana.“
Er ließ ihre Hand los, und sie ging zur Tür. Dann drehte sie sich noch einmal um. „Gute Nacht - Philipp.“
Als sich die Tür hinter ihr schloss, verharrte Philipp noch eine Weile nachdenklich an seinem Platz, dann ließ er sich kopfschüttelnd auf sein Bett fallen.
Früh am nächsten Morgen traf er das Fürstenpaar zum Frühstück und stellte mit Verwunderung fest, dass Ana nicht anwesend war. Die aufreizenden Blicke Doña Doroteas geflissentlich ignorierend, wandte er sich an Diego. „Warum speist Eure Tochter nicht mit uns, Don Diego?“
„Sie ist schon in den Ställen, Hoheit. Sie sagte, dass Ihr heute Morgen mit Ihr ausreiten wolltet.“
Philipp lächelte über Anas Enthusiasmus. Im Aufstehen sagte er: „Das ist richtig. Dann werde ich sie nicht länger warten lassen.“ Unter dem verwunderten Blick Diegos und dem leicht verärgerten Blick Doroteas verließ er schnellen Schrittes das Zimmer und begab sich zu den Ställen.
Als er dort ankam, sah er Ana bei zwei Pferden stehen, die bereits gesattelt waren. Verwundert glitt sein Blick an ihr herab, denn statt eines Reitkleides trug sie eine schwarze enge Hose und ein helles Hemd mit schwarzer Weste. Dadurch wurde ihre Figur betont, die doch schon fraulicher war, als er angenommen hatte, und Philipp musste sich eingestehen, dass ihm das, was er da sah, mehr als gefiel.
Ana hatte ihn jetzt bemerkt und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln: „Guten Morgen, Philipp.“
Philipp küsste ihre Hand. „Wartet Ihr schon lange auf mich?“
„Ja, und das voller Ungeduld, weil ich mich so sehr darauf freue, Euch die Gegend zu zeigen.“
„Dann wollen wir uns nicht länger aufhalten. Welches Pferd reite ich?“
Ana reichte ihm die Zügel eines braunen Hengstes mit prachtvollem schwarzem Behang. „Das ist mein Lieblingspferd. Es heißt Maranyo.“
Philipp wunderte sich ein wenig. „Ihr gebt mir Euer Lieblingspferd. Das ist sehr großzügig.“
„Ich wollte Euch eine Freude machen. Er ist das beste Pferd in dieser Gegend, und Ihr macht mich sehr glücklich, wenn Ihr ihn reitet.“
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