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Mail from: gerald-benn@intermail.com – Mail to: ikarus1@mundo.es – 12.05.11 17:56:43 Subject: Hoppla, die Zweite, Klappe Eins bis Sechs!
Hoppla, liebe Frau Ketelsen, das war wirklich mein erster Gedanke, als ich Ihr unverhofftes Päckchen von der Ihnen bereits bekannten Agnes in die Hand gedrückt bekam. Es kam mit der rest- und üblichen Post, wie immer von Agnes nach Wichtigem und Unwichtigem bestens sortiert und getrennt. Und damit Sie es wissen: Was sie mir in die Hände gibt, hat von der Wertig- und Wichtigkeit allerhöchste Priorität. Der Rest wird meist kommentarlos auf den Schreibtisch gelegt.
Agnes überreichte mir Ihre Post mit einem schelmischen Grinsen. Vielleicht lesen Sie die folgende Worte auch mit Erstaunen: Auf dem Umschlag hatte sie ein grünes Klebenotizblatt befestigt, auf dem ein großes rotes Fragezeichen malerisch angeordnet war. Ja, so kann sie dann auch wieder sein, die Gute!
Übrigens, das Hoppla am Anfang meiner letzten und auch dieser E-Mail hätte sie allerdings nie und nimmer durchgehen lassen, so ich ihr diese Korrespondenz zur Versandreife gegeben hätte bzw. geben würde. Damit wird sich mein Hoppla hier konsequent durchziehen, es sollte nach meinem ersten Erstaunen nicht das einzige bleiben. Als Anhang zum ersten Hoppla oben darf ich noch vermerken:
Nicht nur eine unerwartete Post ganz allgemein, sondern eine von Ihnen höchstpersönlich, mit handschriftlichem Brief begleitet, für mich, der gar nicht weiß, dass er so etwas überhaupt verdient hätte. Das alleine ist schon denk-würdig genug. Beim zwangsläufig neugierigen Blick auf den Absender, kurz nachdem sich Hoppla Eins wieder etwas eingependelt hatte, reihte sich bei mir Hoppla Zwei nahtlos ein: Ihre Adresse, bzw. die Ihrer archäologischen Heimat. Calle Almodóvar. Wer in einer solchen Straße wie Sie leben oder arbeiten darf, kann ja nur ein begnadeter Mensch sein. Pedro Almodóvar ist der Regisseur überhaupt für mich, einer der genialsten Zeitgenossen in diesem Genre überhaupt. Ich bin zwar kein großer Kinogänger, weil mir in Filmen immer ein Regisseur mein eigenes Bild, das ich mir in Romanen machen kann, bereits vorwegnimmt. Bei seinen Filmen ist es mir jedoch in den meisten Fällen gelungen, dass ich in seinen Bildern noch den Raum für meine eigenen finden konnte. “Womit hab ich das verdient“ lässt grüßen – eine schönere Xenie konnten Sie sich irgendwie gegenseitig gar nicht aussuchen.
Hoppla Drei ? Natürlich das Buch. Da muss ich nun erst einmal einsteigen. Sowohl Titel als auch Autor – obwohl ich mir anmaße, einigermaßen belesen zu sein – waren mir bis dato vollkommen unbekannt. Gut, ein Freund der amerikanischen Literatur bin ich nicht – Ausnahme vielleicht T. C. Boyle –, und ich schätze auch mehr die zeitgenössische Literatur oder dann sehr viel früher die Ära von Goethe, Schiller, Lessing, Hölderlin et al. Doch fremdsprachliche Autoren des 19. Jahrhunderts waren und sind mir fremd.
Also wird das Buch eine Premiere für mich: Zum einen mich näher mit Prentice Mulford zu beschäftigen, zum anderen natürlich seinen “Unfug des Lebens und des Sterbens“ zu lesen. Und damit auch dann zu verstehen, warum Sie mir ausgerechnet dieses Buch geschenkt haben. (Ich könnte ja jetzt sarkastisch schreiben, dass ich nicht davon ausgehe, dass Sie es mir geschickt haben, um meinen Bücherschrank zu füllen. Außerdem habe ich ja bereits 1 Buch, doch ich verstehe, dass der Trend zum Zweitbuch immer mehr um sich greift – und wenn ich “in“ sein will, müsste ich meine Sammlung jetzt unbedingt erweitern.)
Blödsinn beiseite! Dass Ihr Brief – ah ja, Hoppla Vier, dazu gleich mehr – zwischen den Seiten lag, die links mit dem Kapitel “Gott in den Bäumen“ beginnt, dürfte kein Zufall gewesen sein. Sie erwähnten dies ja auch in selbigem Brief in Form eines “Geplänkels mit einem Baum“. Ja, ja, auch habe ich Ihr Draufstupsen in Bezug auf die “alte Eiche“ verstanden. Dass ich das Kapitel natürlich gleich gelesen habe, versteht sich von selbst. Bei allem, was Mulford darin an Weisem zu sagen weiß, bin ich allerdings an diesem Satz hängen geblieben: “...Ersetzt die wilden Bäume durch künstliche Spielarten, und diese Kräfte verkümmern, wie ja auch ein Obstbaum vom Standpunkt des Baumes verkümmert ist, der “veredelte“ Früchte trägt...“ Hm, ich möchte Sie nur an die süßen Kirschen erinnern :-).
Ein kleiner Streifzug von mir. Sie müssen mir gestatten, dass ich Ihr Buch nun wirklich erst in Ruhe und Muße gelesen haben muss, um mich mit dem Inhalt auch Ihnen gegenüber zu stellen. Denn davon gehe ich aus, dass Sie dies von mir erwarten: Meine Antwort, was es mit dem Buch auf sich hat. Und ich denke, ich kann auch erst dann verstehen, warum Sie mir ausgerechnet dieses Buch haben zukommen lassen – zur Zeit bin ich dazu überfordert. Sie schreiben zwar, dass Sie diese Geschichte lieben. Doch das muss nicht zwangsläufig heißen, dass mir dies auch passiert. Allein vom Titel her habe ich da meine Bedenken. Mal sehen, ob ich nach der Seite 228 am Ende meinen Lebens-(und möglicherweise auch Sterbens-)Entwurf ändern muss.
Dann nun zu Hoppla Vier : Ihr Brief. Und dazu müsste ich das Hoppla sogar in Vier A bis Vier C aufteilen.
Vier A: Wie das Buch nun wirklich an meine – von Ihnen als “richtige“ beschriebene – Adresse gelangen konnte, wird mir ein Rätsel bleiben, sofern Sie an einer Auflösung nicht beitragen wollen. Wie schon erwähnt, sind Sie ganz gewiss im Aufspüren von Funden eine Autorität, doch dass Sie dies auch im Ergründen meines Lebensraumes geschafft haben, gibt mir zu denken. Einerseits bewundernswert – Ihre Gabe. Andererseits nachdenkenswert – die Tatsache als solche.
Vier B: Ich werde jetzt Ihren Brief keinem Graphologen zur Bewertung vorlegen, um daraus ableiten zu können, was Sie für ein Mensch sind. Albern ist das! Doch Ihre “i“, besser Ihre i-Punkte, sind schon bemerkenswert. Dazu habe ich irgendwann mal gelesen, dass Menschen, die kreisförmige i-Punkte linksläufig – also entgegengesetzt dem Uhrzeigersinn – schreiben, gerne in der Vergangenheit leben. Nun darf ich nicht unterstellen, dass Sie in der Vergangenheit leben, doch mit ihr, das müssen Sie mir zugestehen, stimmt.
Vier C: Wenn Sie schon Ihr Grinsen nicht einstellen, erlaube ich mir auch einen Schmunzler, den ich Ihnen gerne aufs Butterbrot schmieren möchte :-))): Ziemlich am Ende Ihres Briefes, genau im letzten Wort in der neunten Zeile hat mal wieder Ihr Druckfehlerteufel einen Buchstaben unterschlagen. Nur weiter so – in diesem Falle kann ich allerdings bei einem fehlenden “n“ keine geheime Botschaft herauslesen.
Mein Hoppla Fünf kam mir während des Schreibens der jetzigen E-Mail an Sie. Dabei gehe ich nochmals auf unsere Vergangenheit, die jüngere, in unserem Wortwechsel ein: Ihre 2.723 Fragen oder meine 2.723 Antworten. Sie haben Recht – wenn ich jetzt dieses Format vorgebe: Statt Ping-Pong-Briefe in Zukunft Ping-Pong-Bücher, komme ich bei 2.723 Fragen und Antworten inkl. Lesezeit, Fragen-Entdeckungs- und Antworten-Entdeckungs-Zeit, Vor- und Nachlesezeit, Versandzeit und sonstiger denkbarer Imponderabilien gut und gerne auf Ihr Zehnfaches an Austauschzeit. Vielleicht auch mehr, ich will da auch 460 Jahre nicht ausschließen. Soll dies jetzt eine “posthistorische“ Dissertation werden, die im Vorgriff auf eine archäologisch derzeit noch unbedeutende Entdeckung der Menschheit im 4. Jahrtausend Rückschlüsse auf unsere heutige Zeit zulässt? :-)))
Komme ich abschließend für heute zu Hoppla Sechs (ich denke, es reicht dann auch – vor allem, wenn ich daran denke, dass Sie das im Zweifelsfalle auch noch alles lesen sollten). Dieses Hoppla hat wiederum mit Agnes zu tun, obwohl sie – wie schon geschrieben – dies nie genehmigen würde. Ich habe jetzt lange hin- und herüberlegt, ob ich mich für Ihr Buch in irgendeiner Weise anders als mit dem Schreiben eines herzlichen Dankeschön erkenntlich zeigen kann. Gleiches umgehend mit Gleichem gleichzusetzen, finde ich zu simpel. Allerdings hatte ich Ihnen ja versprochen, mein “November-Paradies“ nicht auf immer vorzuenthalten. Andererseits tue ich mich jetzt schwer, Ihnen nochmals in etwa eine gleiche Textmenge wie in dieser E-Mail aufzubürden. Nach längerem Hin und Her: Ich tu’s jetzt einfach – Sie können ja immer noch jederzeit aussteigen oder gar diese Datei löschen, wenn’s Ihnen zu viel meiner Worte sind.
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