Nach kaum einer halben Stunde war es soweit. Benny schaltete die Geräte an und ließ schon einmal den ersten Song laufen. Für einen Oldie-Fan wie ihn war es wohl klar, dass er einen dieser Evergreens laufen ließ. Die Cover-Version von „Pretty Woman“, im Original von Roy Orbison, zog alles auf die Tanzfläche.
Niki jubelte vor Freude und auch seine Pflanzenfreunde tanzten mit ihm zusammen, selbst das Heilige Kind machte mit, während Sylvia bei Benny blieb und ihn bei der Musik assistierte.
„Willst du denn nicht mitmachen?“ fragte Benny sie. „Ich schaff das schon allein.“
Sylvia hob ihre Augen. „Nein ich...ich möchte lieber bei dir sein.“
Benny horchte auf. Zeigte diese Frau etwa Interesse an ihm? Das war er gar nicht gewöhnt, denn der schlaksige und eher melancholische Mann war sicher nicht der Typ, von dem Frauen schwärmten. Deshalb vermutete der aus Erfahrungen mißtrauische Unternehmer sofort eine Falle, denn viele Frauen hatte ihn schon zu bezirzen versucht, solange Maria noch gelebt hatte. Doch nach ihrem Tod hatte es schlagartig aufgehört.
Oder war Sylvia bereits auf solche umschwärmten Männer hereingefallen und hatte dennoch ihre Hoffnung nicht aufgegeben, einen Mann an ihrer Seite zu haben. Doch was konnte es sein? Benny wollte es herausfinden.
Doch das Seltsamste an ihr war die Tatsache, dass sie Benny an jemanden erinnerte, doch er konnte nicht sagen, an wen.
Die Feier lief im vollen Gange. Alle Kinder waren glücklich und auch die Erwachsenen machten mit. Als ehemaliger DJ wusste Benny genau, welchen Song er auflegen musste. Außerdem gab es noch brandneue CD-s, die von der „CARL SEGEBERG“ nach Übersee transportiert werden sollten. Allerdings war das Techno nicht sonderlich beliebt, so dass Benny bald wieder auf die guten alten Songs zurückgriff.
Etwa eine Stunde später kam Niki zu ihm. An seine Händen führte er die Pflanzenkinder Karina und Jolish. Benny wandte sich zu ihnen und fragte sie:
„Na, amüsiert ihr euch gut?“
„Klasse, Papa!“ strahlte sein Sohn. „Soll ich dich ablösen? Ich glaube, dass du auch zu den anderen gehen solltest.“
„Bleib auf dem Teppich, mein Junge.“ lachte Benny. „Für die Musik bin ich zuständig. Außerdem fehlt dir noch die Erfahrung.“
Etwa noch vier Stunden wurde durchgefeiert, bis Niki darauf bestand, die Disco zu übernehmen.
„Okay, du hast mich überredet.“ lachte Benny.
KAPITEL 4: Der Schwimmwettbewerb
Etwas später gab es zwischen Benny und dem Herrscher Mikel ein Gespräch, nachdem Niki und Sylvia die Plattenteller übernommen hatte.
„Wie ist diese Welt eigentlich entstanden?“ fragte Benny.
„Ich war damals noch ein Kind, als ich es von meinem Großvater erfuhr.“ berichtete Mikel. „Die Pflanzenwesen, die sich in Millionen von Jahren weiterentwickelt hatten, bauten sich eine unterirdische Stadt. Doch immer wieder zwischendurch wurden Menschen durch versunkene Schiffe zu ihnen hinuntergezogen. Diese fügten sich in ihr Schicksal und halfen den Pflanzenwesen beim Bau der neuen Stadt. Das hatte viele Jahrzehnte gedauert. Inzwischen sind viele von uns in dieser Welt und auch die Pflanzen haben sich schnell entwickelt, so dass sie auch mit Luft atmen konnten. Es ist meinen Vorfahren sogar gelungen, ein Gerät zu entwickeln, das die Luft reinigt. Durch die Pflanzen und uns wird sie produziert. Wir achten streng darauf, dass das Verhältnis zwischen Menschen und Pflanzen gleich bleibt. Deshalb befindet sich in jedem Raum ein Messgerät, das uns immer zeigt, ob Sauerstoff und Stickstoff immer in der Waage bleiben. Jeder Bewohner hält sich daran, damit es so ist.“
„Wie ist das mit Geburten und Sterberaten?“ erkundigte sich der Unternehmer.
„Wir haben einen Computer.“ erklärte Mikel. „Es ist zwar schon ein altes Modell, aber sehr zuverlässig. Dort wird alles festgehalten, auch, wer wie viele Kinder bekommen darf, denn unsere Anzahl steigt weiter, aber das Gleichgewicht scheint immer zu stimmen. Aber auch räumlich erweitert sich unsere Welt, denn viele arbeiten daran, sie zu vergrößern.“
„Warum hat die Welt oben nie etwas erfahren?“ bohrte Benny weiter.
„Ich wollte es nicht.“ sagte der Herrscher.
„Aber so ein Wunderwerk sollte man doch mit der übrigen Welt teilen.“ meinte Benny.
Der Herrscher blickte auf und fragte:
„Sind Sie sich dessen so sicher? Ich zeige Ihnen etwas. Kommen Sie mit.“
Benny folgte dem Herrscher in einen Raum, in dem eine überdimensionale Leinwand eine Seite prägte.
„Wir haben ein paar Räume davon.“ berichtete Mikel. „Bei euch wird so etwas Kino genannt. Unsere Kinder sind oft verrückt danach, doch dieser Raum ist kleiner und nur für meine Gemahlin und mich.“
„Nicht, dass ich neugierig sein möchte!“ sagte Benny. „Haben Sie Kinder?“
„Ja, zwei.“ grinste der Herrscher. „Aber die befinden sich auf einen Meeresausflug mit unserer großen Fähre. Allerdings sind sie schon erwachsen und haben sich ein eigenes Heim bezogen. Bei uns läuft das in diesem Punkt fast genauso ab, wie bei euch.“
„Sie wollten mir doch etwas zeigen.“ erinnerte ihn Benny.
Mikel schaltete den Monitor an. Ein Film der oberen Welt wurde gezeigt. Es war der erste Weltkrieg. Ein Szenenwechsel zeigte den Vietnamkrieg, ein anderer den Zweiten Weltkrieg. Benny begriff, was Mikel damit bezwecken wollte.
„Soll ich etwa die Verantwortung tragen, wenn ich meine Welt, die unsere Vorfahren geschaffen haben, in die Hände dieser militanten Verbrecher ausliefere?“ fragte er im strengen Ton. „Auch jetzt tobt im Osten bei euch ein furchtbarer Krieg. Der Bruder tötet den Bruder. Die Menschen werden niemals einsichtig sein, und wenn unsere Welt in ihre Hände fällt, werden sie es sogar noch beschleunigen, bis sie sich vernichtet haben.“
Benny blieb ein Weilchen nachdenklich, dann blickte er auf und meinte:
„Vielleicht haben Sie recht. Dieses Paradies darf niemals zerstört werden. Bei uns oben ist es wirklich nicht zum Besten bestellt. Wissen Sie, ich habe niemanden auf der Welt, nur mein Kind.“
Der Herrscher horchte auf, als Benny fortfuhr:
„Von meinen Angehörigen lebt keiner mehr und ich habe eigentlich nur Jobs gehabt, bei denen ich keinen Kontakt zu anderen Menschen hatte.“
„Was ist mit Ihrem Sohn?“ erkundigte sich Mikel. „Er ist doch sehr beliebt hier. Hatte er keine Freunde in der alten Welt?“
„Ich weiß es nicht.“ antwortete Benny. „Ich muss ihn selbst fragen.“
Gleich darauf hatte er seinen Sohn ins Verhör genommen. Doch Niki konnte sich auch nicht erinnern, oben in seinem alten Leben Freunde gehabt zu haben. Der Herrscher zeigte ein triumphiertes Grinsen, als er es erfuhr. Das Serum des Vergessens hatte perfekt gewirkt.
Etwas später befanden sich Niki und seine Pflanzenfreunde im Hof, in dem auch viele andere Kinder zusammen spielten. Benny verfolgte diese Szene, als er angesprochen wurde.
„Morgen ist das große Fest.“ begann Kolak. „Jedes Jahr feiern wir zusammen einige große Wettspiele, bei dem alle Kinder und Erwachsenen teilnehmen dürfen. Es gilt zu erfahren, wer unter den Kindern und unter den Erwachsenen jeweils der beste Schwimmer ist. In der großen Arena können alle zuschauen, auch mit Kameras wird alles verfolgt. Wir besitzen auch Geräte, die unser Schwimmfest aufzeichnen. Wollen Sie dabei sein?“
Benny strahlte.
„Das lasse ich mir nicht entgehen.“ lachte er. „Und wo soll ich meinen Sohn anmelden? Ich kann mir schon denken, dass er mitmachen will.“
„Anmeldungen dieser Art wie bei euch gibt es bei uns nicht.“ erklärte Kolak. „Es wird vor dem Turnier ermittelt, wer alles mitmacht. Bei den Kindern ist das wesentlich einfacher, da sie nicht solchen Regeln unterliegen. Um neun Uhr geht es los. Ich zeige Ihnen noch, wo sie stattfinden wird.“
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