Til Erwig - DIE ROLLEN MEINES LEBENS

Annas Vater, den auch wir Stadtkinder ´Opa` nannten, war ein lustiger alter Mann mit weißen Haaren und kräftigem Schnauzbart, der vom Jahre langen Pfeife rauchen eine gelbliche Färbung angenommen hatte. Mit ihm zusammen hinaus auf die um das Dorf herum weit verstreuten Felder zu fahren um frischen Klee für das Vieh im Stall abzuholen, das Josef, der jüngere Bruder von Anna schon in aller Herrgotts Frühe gemäht hatte, war immer ein großes Erlebnis.

Denn Opa hatte stets lehrreiches zu erzählen und praktische Erfahrungen weiterzugeben.

Von ihm habe ich als Fünfjähriger in kurzer Zeit gelernt, wie zum Beispiel die Nase gesäubert wird, ohne ein Taschentuch zu benutzen.

Sehr bald konnte ich Schnäuzen ohne ein ´Sacktuch` genau so gut wie der Opa: vom Wagen herunter in weitem Bogen auf die nicht gepflasterte Dorfstraße und ´Schimmel` und ´Schäg`, die beiden Kühe, die als Zugtiere ausgebildet waren, kümmerten sich so wenig darum wie die anderen alteingesessenen Bewohner von Gamshurst. Niemand beschwerte sich, im Gegensatz zu heute, wenn ein Mitglied meiner Familie zufällig Zeuge wird, wie ich diese scheußliche Tat heimlich bei einem Spaziergang im Park praktiziere. Dabei sind solche frühkindlichen Erfahrungen sowas von prägend für die schauspielerische Palette eines Bühnen- und Fernsehkünstlers, jedenfalls für meine. Denn einen Teil dieser alltäglichen Praktiken, die ich vom Gamshurster Opa gelernt hatte, konnte ich später auch in meine Rollen einbauen. Das weiß aber bis heute keiner.

Das Rauchen hat uns der Großvater aber nicht beigebracht und das hätte auch Anna nie zugelassen, obwohl wir gerne den Erwachsenen halfen, wenn abends in der Scheune die Tabak Ernte Blatt für Blatt auf lange Schnüre gezogen wurde, die dann Wochen im ´Schopf ` zum Austrocknen hingen, eine Stelle, die gerne die Hühner aufsuchten um heimlich still und leise dort Eier abzulegen, die wir suchten und fanden und dabei ein Freudengeschrei ausstießen, als sei Weihnachten und Ostern an einem Tag. Anna war sicher froh, dass sie nach der Währungsreform wieder zurück in die Stadt durfte. Denn in unserer gemeinsamen Zeit auf dem Bauernhof war sie trotz der körperlichen Zartheit von ihrer Familie immer wieder eingespannt worden, wenn Not am Mann war in Haus und Hof oder auf den Wiesen und Feldern.

Und es gab immer viel zu tun, Sommers wie Winters, und es war immer einer zu wenig für die Kartoffelernte, das Rüben rausmachen, die Sensen dengeln, den Kuhmist aufladen, den Mistlach ausbringen, die Maisernte einbringen, von Hand

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