Corinne Lehfeldt
Algarve ist ja fast Karibik
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Inhaltsverzeichnis
Titel Corinne Lehfeldt Algarve ist ja fast Karibik Dieses ebook wurde erstellt bei
Algarve ist ja fast Karibik Algarve ist ja fast Karibik Die Handlung des vorliegenden Romans sowie die darin vorkommenden Personen sind frei erfunden; eventuelle Ähnlichkeiten mit realen Begebenheiten und/oder tatsächlich lebenden oder bereits verstorbenen Personen wären rein zufällig.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Impressum neobooks
Algarve ist ja fast Karibik
Die Handlung des vorliegenden Romans sowie die darin vorkommenden Personen sind frei erfunden; eventuelle Ähnlichkeiten mit realen Begebenheiten und/oder tatsächlich lebenden oder bereits verstorbenen Personen wären rein zufällig.
Das Boot wiegte sich auf den Wellen. Das Meer, am Horizont tiefblau und in der Sonne funkelnd, wandelte sich zum Strand hin zu Aquamarin und strich schließlich glasklar über den weichen, weißen Sand.
Die Bucht war einladend, friedlich und verschwenderisch mit Palmen und blühenden Sträuchern ausgestattet. Auf einem kleinen Hügel thronte eine Ansammlung kleiner, in Tutti-Frutti-Farben gestrichener Häuser. Unten am Strand standen fröhlich winkende Gestalten in farbenfrohen Gewändern.
Das Boot näherte sich dem Ufer. Von weit her mischten sich rhythmische Klänge in die Symphonie aus Wind und Wellen. Ella nahm einen tiefen Atemzug und sog die warme, süße Luft mit all den Düften der Südsee ein. Sie war angekommen. Nur eins kam ihr seltsam vor. Sie fragte sich, woher das hohe, schrille Piepsen kam. Noch bevor sie die Augen aufschlug, erkannte sie das Geräusch als ihren Wecker.
Alles löste sich auf.
Sie hatte geträumt.
Der Tag kann jetzt nur noch schlechter werden, dachte Ella, als sie aus dem Bett stieg.
An diesem grauen, verregneten Septembermorgen, mit dem der Tag sich fortsetzte, saß Ella in der S-Bahn. Zu allem Überfluss war es ein Montag. In dem Bewusstsein, dass dies die letzten Minuten des Tages sein würden, die sie für sich hatte, kramte sie in ihrer Handtasche nach ihrem Buch. Auf dem Cover prangte ein halbversunkener Tempel im tiefsten Dschungel.
Bücher, deren Einband den Betrachter auf Phantasiereisen in ferne Länder einstimmten, füllten bei Ella zuhause ganze Regale. Einsame Inseln in der Südsee standen dort Schulter an Schulter mit wilden, unberührten Naturlandschaften aus Kanadas Pionierzeit. Chinesische Gärten mit Kirschblüten lehnten an indischen Palästen und venezianischen Kanälen.
Sie hatte die ersten 60 Seiten des Buches hinter sich gebracht und es gefiel ihr nur bedingt. Der weit entfernte, exotische Ort diente hier nur als Bühne für eine endlose Parade der Schrecken auf der Südhalbkugel. Schilderungen von Tropenkrankheiten, giftigen Schlangen und Insekten, Raubtieren und Naturgewalten reihten sich nahtlos aneinander. Das heldenhafte Expeditionsteam, das sich aufgemacht hatte um die Zeugnisse einer versunkenen Kultur zu finden, bereute diese Entscheidung nun schon seit Seite 19. Diese ganze Welt, die sich vor dem Leser entfaltete, war eine vollkommen lebensfeindliche Umgebung, die Ella an ihren Job erinnerte. Es fehlten bloß noch Kannibalen.
Ella war durchaus klar, dass der Realismus literarisch von hohem Wert war. Wahrscheinlich hatte es den Autor viel Arbeit, Hingabe und zahllose schlaflose Nächte gekostet, bis die Atmosphäre des Buches so scheußlich geworden war. Die grüne Hölle war bestimmt sein ganzer Stolz. Mit Sicherheit würde er lachen über Ellas Lieblingsromane mit ihren normalen, harmlosen Konflikten vor exotischer, oft schlecht recherchierter Kulisse, und über die klischeehaften Liebespaare, die sich am Ende ja sowieso kriegen würden. Der absolute Gipfel der Spannung war da vielleicht die junge, hübsche Erbin, die ihre geerbte pazifische Insel vorhersehbar auf der vorletzten Seite retten würde – je nach zeitlicher Ansiedlung entweder vor Piraten oder vor der Zerstörung durch schlipstragende Immobilienhaie. Aber wenn Ella ehrlich war gab sie in der Buchhandlung ihr Geld nicht für Überraschungen aus, sondern um aufgeheitert zu werden. Für die paar flüchtigen Minuten auf dem Weg zur Arbeit wünschte sie sich Lesestoff, aus dem sie so viel Sonne, Freude, Trost und Zuversicht wie nur möglich schöpfen konnte. Sie griff nach jedem Strohhalm, der sich bot, um sich schon vorauseilend von dem bevorstehenden Arbeitstag zu erholen. Das alles brauchte sie dringend, wenn sie nicht schon vor zehn Uhr in eine weinerliche Stimmung abrutschen wollte.
Mit etwas Glück war die Beschreibung einer Karibikinsel, auf der das Schicksal eine neue Wendung nahm, so lebhaft, so farbenprächtig und so zum Greifen nah, dass Ella glaubte die Sonne auf ihrem Gesicht zu spüren. Wenn sie dann später im Büro war, mit einer langen To-Do-Liste von nicht machbaren Dingen, nicht haltbaren Deadlines und einem Herzschlag jenseits der Intensivstation, schaffte sie es manchmal, sich auf der Toilette zu verstecken und sich ganz fest auf das Bild vor ihrem inneren Auge zu konzentrieren. Das stetige, ruhige Kommen und Gehen der imaginären Wellen am imaginären Strand schlichen sich in ihr Unterbewusstsein und ließen sie glauben, dass es da draußen eine normale Welt gab, der sich ihr Puls langsam wieder anglich.
Manchmal traf sie auch Kollegen in der Bahn. Sie hasste es, wenn das passierte. Es war nicht so, dass sie ihre Kollegen nicht mochte. Die meisten fand sie sogar ganz nett. Das Problem war nur, dass sie alle kein anderes Gesprächsthema hatten als den Job, und Ella verdrängte dieses Thema gern so lange wie möglich. Erfahrungsgemäß gab es bei ihren Kollegen zwei Sorten. Die einen lebten ausschließlich für ihre Karriere (egal, ob sie schon eine hatten oder nur davon ausgingen, dass sie schon noch zu einer kommen würden). Sie genossen es in vollen Zügen sich darüber auszulassen, was in letzter Zeit aufregendes im Büro, auf einer Messe, auf einer Geschäftsreise passiert war. Ella fand das erschreckend und geradezu wider die Natur. Die anderen waren, Ella nicht unähnlich, mit ihren Nerven am Ende und jeden Morgen auf dem Weg ins Büro den Tränen nah. Sie wollten loswerden, dass sie nicht mehr aus noch ein wussten, spätestens seit neulich im Büro, auf der Messe, auf der Geschäftsreise dies und jenes passiert war. Das war fast noch schlimmer, denn ehe Ella sich versah, erlag sie der Versuchung und steuerte ihre persönlichen Geschichten bei. Für den Moment war das befreiend, aber meistens ließ ihr Gesprächspartner sie an der letzten Haltestelle oder spätestens am Büroeingang mit dem Gefühl zurück, dass es eben nicht zu ändern sei. Auch die anderen hatten solche Probleme. Auch die anderen taten nichts dagegen, weil es nämlich nichts gab, was man dagegen tun konnte.
Zwar gab es nicht wenige, die durchaus etwas unternahmen. Kaum hatten sie realisiert, was sie sich eingebrockt hatten, verschickten sie Bewerbungen und verabschiedeten sich nach einem lächerlich kurzen Gastspiel wieder. Deren Gesichter kannte Ella vom Sehen und falls sie sich in der Bahn trafen, grüßten sie sie kurz und wandten sich dann wieder ihren eigenen Angelegenheiten zu, als hätten sie Angst sich mit der Pechsträhne des Stammteams anzustecken. Ella war es recht. Sie hasste es, sich auch nur eine Minute früher als nötig mit ihrem Job zu beschäftigen.
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