Nein – natürlich nicht!
Ich war eine gute Freundin und ich gönnte ihr das Glück von Herzen.
Es dauerte nicht lange und der Wackeldackel, ich meine den nickenden Kumpel mit dem er noch zuvor geredet hatte, näherte sich auch mir – tänzerisch. Oh Mann – zu unserem Bedauern konnten die beiden das auch noch richtig gut! Jedenfalls viel besser als wir. Langsam, aber doch bestimmt, tastete sich Blondi an Malou heran. Mit einem Blick bat er um Erlaubnis seine Hand auf ihre Hüften zu legen, dann verkeilte er sein Bein mit ihrem und beide folgten den Klängen der Musik. Hallo?! War das wirklich noch Malou?
Erstaunlicherweise haben im Gegensatz zu unseren österreichischen Männern italienische Jungs keine Angst vorm Tanzen und auch fast keine vor Berührungen.
Es machte wirklich Spaß, sich ganz leicht und unbekümmert zur Musik zu bewegen. Mittlerweile befanden sich immer mehr Leute auf der Tanzfläche, dabei auch ein Pärchen aus dem Freundeskreis von unseren beiden Tanzlöwen. Das Paar stach aus allen anderen hervor. Der dunkelhaarige Tänzer gab dem DJ ein Zeichen, der ihm kumpelhaft zunickte. Macho! Es dauerte nicht lange, und der DJ machte eine Ansage, die wir natürlich nicht verstanden. Aber irgendwie schaffte er damit einen gekonnten musikalischen Übergang zur lateinamerikanischen Musik. Tja.
Neugierig darauf was uns bevorstand, starrten wir ein wenig blöd vor uns hin. Malou und ich hatten ja absolut keine Ahnung, wie man zu so einer Musik tanzte. Natürlich absolvierten wir einen Grundkurs bei Dirty Dancing, aber halt auch nur, wenn es um Filme gucken ging. Da wurde außer auf Play und im richtigen Augenblick auf Pause drücken, beziehungsweise wieder retour spielen, nicht viel verlangt. Nebenbei bemerkt fraß auch dieses Video unser Recorder. Echt ein verfressenes Ding! Also, dieser dunkelhaarige Macho zog mit seiner Freundin eine Show ab, da ging echt die Post ab! Mit verführerischen Blicken zog er sie immer wieder an sich, sie verkeilten ihre Beine ineinander und mit kreisenden Bewegungen drehten sie sich fließend im Rhythmus der Musik. Rundherum machten die tobenden Leute ihnen Platz, bildeten einen Kreis und schauten ihrer Darbietung amüsiert zu. Auch wir stellten uns in den Kreis und klatschten ebenfalls mit. Locker und sexy schüttelte sie ihre schwarzen Haare nach hinten, er beugte sie direkt vor mir nach unten, dabei warf er mir für eine Sekunde einen funkelnden Blick zu, was mir unvermittelt die Galle hochtrieb. Im nächsten Augenblick zog er sie aber auch schon wieder hoch. Zärtlich legte sie ihre Arme um seinen Nacken. Die beiden zogen mit ihrer Tanzeinlage die ganze Aufmerksamkeit auf sich. Fast niemand in dem Lokal kreischte ihnen nicht zu, begleitet von Pfiffen. Immer noch klatschend, wippten wir von einem Bein zum anderen und mein Blick schien an diesem Tänzer festzukleben. Dieser Kerl sah nicht wirklich gut aus, um genau zu sein, überhaupt nicht. Außerdem bildete er sich für meinen Geschmack viel zu viel ein.
Okay ist ja schon gut – ich fand ihn hübsch.
Blöderweise.
Aber auch seine Freundin war hübsch. Er strotzte nur so vor Lässigkeit und Coolness wie ein Cowboy, aber am meisten imponierten mir seine dunkelbraunen Augen und die Art, wie elegant er sich bewegte.
Die Leidenschaft, die sie beide versprühten, war beeindruckend, die Show war einfach heiß und wahnsinnig sexy. Verblüfft, fast schon neiderfüllt, starrte ich die beiden immer noch an, war quasi festgefroren. Mein Tanzpartner, dem meine Unaufmerksamkeit ihm gegenüber nicht entging, überrumpelte mich, packte mich an der Hand und fing mit mir wieder zu tanzen an. Persönlich bevorzuge ich eigentlich offene Tänze, diese Jungs hier anscheinend nicht. Der nächste Song erklang, die Menge beruhigte sich und es herrschte wieder normaler Trubel auf der Tanzfläche. Auch das beeindruckende Tanzpaar mischte sich unter die Leute. Selbst Malou wagte einen weiteren Tanz mit ihrem Blondi. Höflich versuchte ich mich wieder auf meinen Partner zu konzentrieren, aber als er mir dann doch etwas zu aufdringlich wurde, versuchte ich mich, aus seinem Klammergriff zu lösen, wobei ich tollpatschig nach hinten stolperte. Fast wäre ich auf dem Boden gelandet, hätte mich da nicht ein starker Oberkörper abgebremst.
Irritiert blickte ich mich um, meine Gesichtsfarbe wechselte zu Tomatenrot, das Gefühl – seltsam.
Betreten gab ich nur ein „Sorry“, von mir. Zu mehr kam ich auch gar nicht, denn mein Tanzpartner schnappte meine Hand und wirbelte mich auch schon in die entgegengesetzte Richtung der Tanzfläche. Ehrlich gesagt kam ich mir vor, als würde ich im Ring stehen und einen Boxkampf bestreiten, und nicht tanzen. Es gefiel mir absolut nicht, unangekündigt von einer Ecke zur anderen geschleudert zu werden, und ich hatte wirklich Angst, ich würde mit diesem Schwung, den ich drauf hatte, erneut irgendwo landen. Zum Glück blieb mir ein weiteres Mal erspart.
Der Song wurde ruhiger und er zog mich abermals an sich. So fing ich mich einigermaßen wieder und nutzte die Gelegenheit, mich suchend nach demjenigen umzuschauen, mit dem ich kurz davor zusammengestoßen war. Oh nein, wie peinlich! Es war der Macho, der leidenschaftliche Tänzer. Mit schmerzverzerrtem Gesicht stand er nun am Rand, angelehnt an einem Geländer, hielt sich seine rechte Seite fest und warf mir boshafte Blicke zu. Seine Freundin stand mitfühlend neben ihm und redete auf ihn ein. Es schien, als hätte er beim Atmen Probleme, aber nach einer kurzen Pause raffte er sich wieder auf.
So ein Weichei aber auch! Da streifte man ihn nur ein kleines bisschen, und dann machte der gleich einen auf Schlaffi!
Seine Freundin nahm ihn bekümmert bei der Hand, und wollte mit ihm runter von der Tanzfläche. Er aber wollte das anscheinend nicht. Gekonnt und mit nur einer Handbewegung, drehte er sie wieder zu sich. Mit zusammengebissenen Lippen legten die beiden erneut eine Tanzshow hin, bei der uns allen die Spucke ein weiteres Mal wegblieb. Beide wirkten hochkonzentriert, aber manchmal schien er doch Schmerzen zu haben, da er dabei mitunter sein Gesicht verzerrte, dennoch tanzte er weiter. Mir war, als würden wir Dirty Dancing live erleben. Mit unseren krampfhaften Bewegungen kamen sich Malou und ich gleich zweimal doof vor. Unsere Tanzschritte wurden immer langsamer, wir blickten suchend in der Gegend herum und Blondi, der Malou nicht mehr aus den Augen ließ, nutze die Gelegenheit, und deutete zur Bar hin. Wir verließen die tanzende Menge mit unseren männlichen Begleitern, die uns nun auf ein Getränk einluden. Giovanni stellte sich und seinen Freund Marco vor. Erstaunlicherweise sprachen beide sehr gut unsere Sprache. Wir unterhielten uns, darüber woher wir kamen, welche Pläne wir nach der Schule hätten und was wir eigentlich hier machten. Wobei ich ehrlich gesagt auf Letzteres auch selbst keine Antwort hatte. Andauernd schielte ich zu Malou rüber und je länger sich die beiden unterhielten, umso mehr strahlten ihre Augen. Man könnte fast schon sagen, beide vergaßen alles um sich herum. Gianni ließ sich auch nicht von seinem Kumpel, dem tollen Tänzer von vorhin, ablenken. Ständig versuchte er, ihn immer wieder in ein Gespräch zu verwickeln, schielte dann auch noch blöd zu mir rüber, was mir erneut die Röte ins Gesicht trieb. Doch es nützte alles nichts; Gianni hatte nur mehr Augen für Malou, bedauerlicherweise sie auch nur mehr für ihn. Als beide ausgetrunken hatten, meinten sie, sie würden schnell mal an die frische Luft gehen. Bevor sie gingen, drückte mich die Beste noch und flüsterte mir ins Ohr: „Mach dir keine Sorgen, ich weiß schon was ich tue.“ Im Gegensatz zu ihr war ich mir da weniger sicher. Tja, und das schnell mal ganze drei Stunden bedeuten würde, wusste ich zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht. Mir war nicht ganz wohl dabei, wir kannten diese Jungs ja gar nicht, und jetzt wollte sie allen Ernstes auch noch mit ihm alleine sein, wohlgemerkt in einem fremden Land. Ich schaute auf meine Uhr. Es war schon zwei Uhr morgens; in anderthalb Stunden würde der Club schließen. Aus Angst, alleine dazusitzen, verwickelte ich Marco, der auch nicht von schlechten Eltern war, in ein Gespräch. Er sah nicht gerade aus, als hätte er in seinem Leben schon mal jemanden abgemurkst, also begann ich auf ihn richtig einzureden, redete quasi um mein Leben. Der Arme machte nicht den glücklichsten Eindruck, und als ich dann auch noch über Kunst und Fotografie zu sprechen anfing, meinte er trocken, wir sollten vielleicht doch noch mal tanzen gehen. Langsam wurde ich nervös und blickte immer besorgter auf die Uhr. Die Beste war jetzt schon beinahe eine Stunde weg. Die Zeit verging wie im Flug, doch Malou kam nicht. Hoffentlich machte sie keinen Scheiß – hoffentlich machte er keinen Scheiß mit ihr. Das leichte Unbehagen von vorhin wurde immer stärker, stieg in mir hoch und mittlerweile machte ich mir schon ernsthafte Sorgen. Mein Gegenüber versicherte mir, dass Gianni anständig wäre und ich keine Angst zu haben brauchte. Aber konnte ich ihm trauen? Ich wusste es nicht so recht. Außerdem verging mir die Lust am Tanzen. Meine Bewegungen wurden nur noch dämlicher, und die Angst in meinem Bauch stieg von Minute zu Minute. Es machte keinen Sinn mehr, länger auf der Tanzfläche wie ein steifgewordenes Känguru herum zu hopsen, deshalb verlagerten wir unsere Position an einen freien Tisch. Genervt und gelangweilt drehte ich meine Heineken-Flasche hin und her. Ständig schweiften unsere Blicke suchend durch den Club, wir wussten schon längst nicht mehr, was wir uns noch hätten erzählen sollen. Der tolle Tänzer kam mit seiner Freundin händchenhaltend zu Marco, und sie unterhielten sich angestrengt auf Italienisch. Immer wieder warfen sie einen Blick auf die Uhr und dann auch wieder auf mich. Ich verstand kein Wort; sie ließen mich nur vermuten, dass sie sich ebenfalls um ihren Freund Gedanken machten. Der tolle Tänzer war eigentlich gar nicht so toll. Ständig glotzte er mich mit seinem durchdringenden, arroganten Blick an.
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