1 ...7 8 9 11 12 13 ...24 Gianni war sprachlos, in welchem Zimmer wir einquartiert waren. Von der braun-gelben Brühe im Pool ganz zu schweigen. Er schlug uns vor unsere Sachen zu packen, und in ein Hotel, das seiner Tante gehörte bei der er aufgewachsen war, umzusiedeln. Wegen der Bezahlung müssten wir uns keinen Kopf machen und weil es eigentlich nicht mehr schlimmer kommen konnte, siedelten wir tatsächlich um. Das war sehr großzügig von ihm. Gianni hatte uns wirklich nicht zu viel versprochen. Das Hotel Paradiso seiner Tante war ein echtes Schmuckstück, und obwohl hier und da schon etwas Renovierungsbedarf bestand, war es sehr liebevoll eingerichtet. Man konnte fast sagen, das Hotel strahlte irgendwie eine romantische Atmosphäre aus. Das Essen schmeckte lecker, das Zimmer war sehr sauber und äußerst gemütlich eingerichtet. Nachmittags trafen wir Gianni am Pool wieder, bedauerlicherweise auch den Rest seiner Freunde. Natürlich auch Olli, der Einzige, bei dem ich mich freute, ihn wieder zu sehen. Er arbeitete als Koch im Hotel und in seiner Pause gesellte er sich gerne zu uns. Es wäre ja zu gemütlich gewesen, wäre da nicht auch noch dieser arrogante Tänzer aufgekreuzt. Natürlich mit einem Motorrad, wie es sich für einen richtigen Macho gehörte. Obwohl ich zugeben muss; nach den ersten Tagen in unserer neuen Übernachtungsstätte schob ich meine Vorurteile gegen ihn für ein paar Stunden beiseite und wir führten sogar, abseits von den anderen, umgeben von einer gegenseitigen Schüchternheit, ein paar interessante Gespräche. Daran kann ich mich allerdings nur mehr vage erinnern. Er erzählte mir, dass Olli sein fünf Jahre älterer Bruder war und seine Mutter aus Wien stammte. Sein Vater, ein angesehener Architekt, war Italiener. Außerdem erfuhr ich, dass Oliver, so Ollis richtiger Name, nach seinem Wiener Großvater benannt wurde, deshalb der deutsche Name. Was allerdings als offenes Geheimnis bezeichnet wurde, war, dass er als einziges von seinen Geschwistern in Österreich geboren wurde. Und er, El-Macho, hieß Tom, weil er es zu eilig hatte, auf die Welt zu kommen. Noch auf dem Weg ins Krankenhaus hatte ihn seine Mutter in einem Rettungsauto entbunden. Der Notarzt verhielt sich so bildlich, dass sie ihm seinen Namen gab – nur in verkürzter Form, denn der Name des Arztes war Tommaso, und das gefiel ihr nicht wirklich. Für ein paar Tage ließ er mich tatsächlich in dem Glauben, er wäre gar nicht so eingebildet, wie ich anfangs dachte. Kaum zu fassen, ich fand ihn sogar mal richtig nett und sogar witzig. Die Einzige, die sich nie blicken ließ, war seine hübsche Freundin, worüber eigentlich keiner beleidigt war. Auch das Geheimnis Giannis blonder Haarpracht wurde gelüftet. Giannis Mutter und seine Tante mussten während der Sommerferien in jenem Hotel aushelfen, in dem wir unseren Urlaub zu Ende brachten. Der Sommer war lang und ziemlich heiß, und seine Mom lernte einen Briten kennen, der auf der Durchreise war, ein bisschen Geld benötigte und deshalb vorübergehend im Hotel mitarbeitete. Aus Spaß wurde Ernst, oder besser gesagt Gianni. Dieser kleine, blonde Unfall passte nicht ganz in die Lebensplanung seiner Mom; also zog ihn seine Tante, die ebenfalls schon einen Sohn hatte, auf. Später verschlug es seine Mom nach Indien, wo sie sich dem Hinduismus zuwandte und wo sie bis heute lebt. Ich habe sie nur einmal gesehen, als sie mit ein paar Gleichgesinnten in orangefarbigen Kutten zu Malous und Giannis Hochzeit erschien. Ich sag´s euch, wirklich spirituell diese Frau. So gesehen hatte er ziemlich Glück, dass er von seiner Tante großgezogen wurde.
Ich muss wohl nicht erwähnen, dass sich Malou Hals über Kopf in Gianni verliebte. Die Heimreise rückte beharrlich näher und als wir wieder heimflogen, gab es dicke Kullertränen. Natürlich stand ich, ihr so gut es nur ging bei, aber ich war ja nicht Gianni und nachvollziehen konnte ich es auch nicht so recht. Im Gegensatz zu ihr war ich heilfroh, endlich wieder nach Hause zu kommen und alles Erlebte schnellstmöglich zu verdrängen. Wieder zurück im vertrauten Mondsee, erwartete uns eine saftige Standpauke von unseren Eltern, die in der Zwischenzeit mitbekommen hatten, dass wir die Fliege gemacht hatten. Das war das erste und bis heute das letzte Mal, dass ich in Italien war.
Mmh …, ich denke, das waren jetzt genug Details von diesem Urlaub. Mehr möchte ich eigentlich gar nicht darüber erzählen, denn alles andere habe ich in meinem Kopf in einer Box verstaut!
Streng versiegelt mit einem Aufkleber:
AUF KEINEN FALL ÖFFNEN!!!!
Nach den Ferien begann unser Studium. Die gemeinsame Wohnung in Linz sorgte für erneute Diskussionen bei unseren Eltern. Sie gaben aber dann doch nach, denn jeden Tag von Linz nach Mondsee mit dem Zug zu pendeln, wäre zu aufwändig gewesen. Der Kontakt zwischen Malou und Gianni brach aber keineswegs ab. Nach unzähligen Liebesbriefen und überhöhten Handyrechnungen, kam Blondi zu uns, da er sowieso vorhatte, im Ausland sein Studium zu beenden. Er bewarb sich kurzerhand an unserer Uni und studierte Betriebswirtschaft. So hatte Malou ihren Gianni stets um sich, und alle waren glücklich und zufrieden. Nein, jetzt im Ernst, auch ich mochte Gianni immer mehr. Der Dank gebührt wohl allein seiner Tante, denn er war wirklich ein anständiger junger Mann, und wir freundeten uns mit der Zeit an. Er las ihr so ziemlich jeden Wunsch von den Augen ab. Zwischen uns veränderte sich vieles, denn ich hatte ja die Beste nicht mehr für mich alleine, aber sie waren wirklich süß miteinander. Ihre Ferien verbrachten sie meistens gemeinsam in Italien, reisten auch Mal nach Indien, ein anders Mal kamen seine Kumpels zu Besuch nach Österreich. Wenn ein bestimmter Kumpel mit von der Partie war, ich meine El-Macho Tom, hatte ich urplötzlich viel zu tun. Die anderen, also Olli, seine Frau Nora und sogar Marco, wurden mit der Zeit auch meine Freunde. Zugegeben, manchmal war es schon sehr deprimierend, neben einem verliebten Pärchen herzulaufen. Aber c‘est la vie – so war das Leben eben. Was blieb, waren unsere gemeinsamen Erinnerungen, die uns keiner nehmen konnte. Tja, und nach nur zwei Jahren wurde aus Gianni der Super-Ehemann!
Als ich mit meinem Studium fertig war, begann ich bei Mikes Fotoatelier zu arbeiten, zog nach München und lernte nach einem Jahr Niklas auf einer Party kennen. Ganz unspektakulär – ganz normal verliebten wir uns, ohne ernstere Zwischenfälle. Seit einiger Zeit wohnten wir nun gemeinsam in derselben Wohnung. Im Großen und Ganzen war ich ganz zufrieden mit meinem Leben. Es war okay, ich hatte eine tolle Arbeit, die ich liebte, Franzl meinen Goldfisch, eine Topfpalme und hatte auch eine Menge Zeit für meine Hobbys, da Niklas aus beruflichen Gründen häufig nicht da war.
Eines konnte ich aber Gianni Salvatore nie wirklich verzeihen. Dass er Malou heiratete, verkraftete ich ja noch, aber dass er dann mit ihr nach Italien ging um das Hotel seiner Tante weiterzuführen, war für mich schon ein hartes Stück. Aber auch für Malous Familie.
Der einzige Sohn seiner Tante, sprich sein Cousin, war damals ums Leben gekommen. Deshalb bekam Gianni das Hotel am Gardasee und noch einige Grundstücke. Sie mussten ziemlich viel renovieren, neu planen. Aus dem Hotel Paradiso wurde Grand Hotel Paradiso . Zu dieser Zeit passierte bei uns beiden so viel, dass unser Kontakt etwas abbrach, was sich aber dann auch wieder änderte. Seit ein paar Jahren herrschte reger Hotelbetrieb. Bis heute konnte ich mich dennoch nicht dazu überwinden, die Beste und ihren Super-Ehemann zu besuchen, obwohl anhand der Fotos, die mir Malou immer mailte, das Hotel und ihr neu gebautes Haus atemberaubend schön geworden waren. Zeitweilig tat es schon sehr weh, sie nicht mehr, um mich zu haben, und manchmal erwischte ich mich bei dem Gedanken, was passiert wäre, wenn unser Finger auf der Landkarte uns nicht nach Italien geführt hätte. Nicht, dass ich ihr das Glück nicht gegönnt hätte, aber Russland wäre ja vielleicht auch ganz amüsant gewesen.
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