Nach einigen Champagnergläsern war ich locker, vielleicht auch sarkastischer als sonst, aber ich scherzte gerne mit älteren Damen und Herren. Das waren mir sowieso die Liebsten auf solchen Partys. Niklas stellte mich immer sehr gerne als s-e-i-n-e Zukünftige vor, denn das Wort Lebensgefährtin konnte er partout nicht ausstehen, weil er sich auch ständig dafür rechtfertigen musste, warum er mir immer noch keinen Antrag gemacht hatte. Das Wort Zukünftige passte da wesentlich besser, denn das hieß ja, dass wir bald heiraten würden und dass es, wie so vieles, nur an terminlichen Gründen scheiterte. Hatte ich zu viel von dem leckeren, prickelnden Zeugs abbekommen, fuhren wir auch schon wieder zu seiner Wohnung zurück, bevor ich richtig loslegen konnte und es peinlich für ihn werden würde. Insgeheim schmunzelte ich, denn die Leute dachten bestimmt, ich hätte ein Alkoholproblem. Dabei wollte ich nur so schnell wie möglich wieder weg von der High Society. Niklas war sportlich – naja, zumindest vorm Fernseher. Er liebte Amerikanisches Football, war vier Jahre älter und etwas größer als ich. Besonders wenn es um seine blonden Haare ging, konnte er sehr eitel sein. Die Länge und auch der Style mussten immer passen, bei jeder Wetterlage. Ein Dreitagebart kam für ihn nicht in Frage, auch nicht im Urlaub. Wenn er wollte und er es für angebracht hielt, konnte er richtig charmant sein, besonders wenn es ihm einen Vorteil verschaffte. Obwohl er penibel auf sein Gewicht achtete, liebte er Pommes abgöttisch. Ehrlich gesagt wundere ich mich bis heute, dass er noch nie auf die Idee gekommen war, mir eine Fritteuse zum Geburtstag zu schenken.
Außerdem war er auch noch hübsch, was bestimmt auch noch ein paar andere Frauen bemerkten. Aber meine Oma meinte einmal, er würde mit dem Haufen mitrennen. Sie mochte ihn nicht so gern.
Eigentlich machte es mir nicht mehr so viel aus, ihn nicht ständig um mich zu haben. Man gewöhnt sich daran, schneller als einem lieb ist; und an den Tagen, an denen wir uns nicht sahen, konnte ich viele Dinge nur für mich tun – wie beispielsweise Bilder malen. Ich liebte die Kunst und die Malerei, ging wahnsinnig gerne auf Kunstausstellungen. Meine Leidenschaft galt besonders der abstrakten Kunst. Diese Bilder packten mich einfach bei der Hand und entführten mich in eine andere Welt. Für Niklas war Kunst einfach nur unnötiges Zeugs; er sah keinen Sinn darin. Er mochte zwar meine Fotografien, nicht aber meine Bilder, oder Bilder generell nicht. Bis zum heutigen Tag hängt noch kein einziges meiner Bilder in seiner Wohnung . Und das wird sich auch in absehbarer Zeit nicht ändern. Ich betonte immer ganz bewusst SEINE Wohnung, denn bis auf Klamotten, eine Topfpalme, ein paar Badeutensilien und Franzl, meinem mittlerweile vereinsamten Goldfisch, befand sich in dieser Wohnung nichts von mir.
„Juhu, Mia, ich habe da etwas für dich!“, jodelte Ben vor sich hin. Wenn Gummizwerg zu mir ins Büro kam, sah man als erstes seinen großen Bauch, dann lange nichts und irgendwann kam dann sein rundliches Gesicht zum Vorschein. Prompt stellte er mir eine Tasse Kaffee auf den Schreibtisch und setzte sich ebenfalls auf einen weiteren Bürosessel, der mitten im Raum stand.
Appetitlos kaute ich auf meinem Salamibrot herum, murmelte ein „Danke, das ist lieb von dir“, und packte dann die Einladungen wieder zurück ins Kuvert.
„Mensch Mia-Schatz, jetzt lass den Kopf nicht so hängen! Es wird bestimmt schon alles gut werden!“
„Wenn du es sagst“, ich schluckte einen Bissen Brot hinunter. „Weißt du … vielleicht hast du ja recht und wir überstürzen das Ganze.“ Etwas Hoffnungsvolles lag in seinem Ausdruck. Nachdenklich schlürfte ich an meiner Tasse. „Kann ich dich was fragen?“
„Alles was du willst, Süße.“ Ben schlug die Füße übereinander und nippte ebenfalls an seinem Kaffee.
„Findest du, dass wir gut zusammenpassen, ich meine … Niklas und ich?“ Da riss er seine hellblauen Augen auf und musste husten, weil ihm der Kaffee in die falsche Richtung schoss.
„Also, das ist absolut … zu direkt … sowas darf ich und kann ich nicht beurteilen!“
„Ach komm schon … wir sind Freunde, wir können uns doch alles sagen!“, mein Blick war leicht verzweifelt auf ihn gerichtet.
„NEIN“, platzte es auch schon aus ihm heraus und gleichzeitig hielt er sich die Hand vor den Mund.
„Nein … du willst es mir nicht sagen, oder nein, wir passen nicht zusammen?“, fragte ich nochmals vorsichtig nach.
Tief durchatmend erklärte er es mir. „Nein, ich denke, ihr passt nicht zusammen.“
Jetzt war ich zutiefst geschockt.
Mit NEIN hatte ich beim besten Willen nicht gerechnet.
Wie konnte er mir das einfach so ins Gesicht sagen, spinnt er?
„Tut mir leid Mia, aber es ist die Wahrheit, und die Wahrheit ist manchmal unschön … aber ich möchte auf keinen Fall, dass meine beste Freundin einen falschen Typen heiratet und den schlimmsten Fehler ihres Lebens begeht …“ Dabei tätschelte er liebevoll meine Oberschenkel.
„Warum sollte ich?“, stammelte ich vor mich hin.
„Ich weiß auch nicht, bei euch fehlt mir irgendwie die Liebe. Ich denke ihr beide seid zusammen, weil keiner so richtig alleine sein will.“
Das hatte echt gesessen.
Emotionslos trank ich meinen Kaffee aus.
„Danke … für deine Ehrlichkeit.“
Kapitel 3
Die dümmste Idee von allen
„Jetzt ruckle doch nicht so herum, mir wird schon ganz schwindelig!“, schimpfte ich mit einem Lächeln im Gesicht.
„Ja, ja, warte, ich hab´s gleich … ist die Verbindung noch gut?“
„Bestens.“
„So, und jetzt mach deine Augen zu. Und nicht blinzeln – okay?“
Ich hörte nichts, wartete auf ein Zeichen und wurde langsam ungeduldig.
„Ich dachte du wolltest …“, sagte ich, konnte aber meinen Satz nicht beenden, da sie mich schon unterbrach.
„Ist das Franzl da hinten?“, fragte sie erstaunt. Vorsichtshalber drehte ich mich um, um sicher zu gehen, aber er schwamm immer noch traurig in seinem runden Goldfischglas herum.
„Ja, das ist Franzl“, bestätigte ich.
„Was hast du mit ihm gemacht?“
Franzl war mein Goldfisch. Vor zwei Wochen hatte er seine einzige wahre Liebe, seine Sissi verloren. Ihre Reste schwammen jetzt in der Münchner Kanalisation herum. Ich weiß es ist hart, und es gibt bestimmt etwas Schöneres, als in einer Klomuschel beerdigt zu werden, aber ich wusste im ersten Moment nicht, wohin mit Sissi …
„Nichts, er trauert eben immer noch, frisst deshalb nicht so viel. Ich habe ihm ein Foto mit einem weiblichen Goldfisch aufs Glas geklebt, damit er Trauerarbeit leisten kann.“
„Du hast echt einen Vogel Mia!“
„Nein – ich habe einen Fisch!“
„Geh und kauf IHM einen echten Fisch! … Der Arme tut mir ja richtig leid!“ „Er trauert Malou!“ „Fische können nicht trauern!“ „Ach komm schon, du wolltest mir ja etwas zeigen – oder nicht?“ „Na gut, dann nochmals von vorne, mach die Augen zu! … Mia, mach sie zu!“ „Okay, ich habe sie jaaa schon zu!“ „Eins, zwei und drei – taratata!“ Und da sah ich auf dem Display meines Laptops einen kleinen Ausschnitt von einem Kamin, über dem mein Bild hing. Ich war echt gerührt. „Du kannst deine Augen aufmachen … Mia? … Was sagst du?“ „Weiß nicht, ich sehe nichts, die Verbindung ist weeeeg … ich kann dich nuuuur mehr hööören “, scherzte ich. „Was wirklich?“ Jetzt sah ich wirklich nur mehr grob verschwommen ihr Auge und ihre Nase, weil sie irgendetwas an ihrem Laptop herumdrückte. Oh Mann, waren das etwa Nasenhaare? „Das war ja nur ein Witz! … Geh mir aus der Sicht Malou!“
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