Mia Neumann.
Mia … Neu … mann.
Neumann Mia.
Passte das überhaupt?
Also, da bestand auf jeden Fall noch Klärungsbedarf.
Ben musterte mich eindringlich und wartete immer noch gespannt auf meine Geschichte.
„Ähm ja …“, raunte ich und verzog mein Gesicht dabei. „Es war … naja … was soll ich sagen? … Es war schön …“
„Jetzt erzähl schon!“, forderte mich Ben erneut auf, dann ging plötzlich die Tür auf und Mike betrat schwungvoll mit seinem Aktenkoffer den Raum. Meine Rettung.
Kapitel 2
Die wahre Liebe ... oder steuerliche Gründe ...
Unser Team war komplett. Schnell versteckte ich die ausgebreiteten Einladungskarten unter meiner Handtasche. Mit meinem Chef wollte ich absolut nicht über meine bevorstehende Hochzeit diskutieren.
„Morgen ihr zwei.“
„Morgen“, kam es gleichzeitig aus uns beiden geschossen.
„Ben, bringst du mir bitte einen doppelten Espresso in mein Büro?“ Er war kurz angebunden, das hieß, er war im Stress und brauchte absolute Ruhe. Mit einem Blick checkte Ben Mikes bevorstehende Termine auf seinem Tischkalender. Volles Programm.
„Selbstverständlich!“ Da sprang Gummizwerg, wie ich ihn oft liebevoll nannte, in die Teeküche und brühte den weltbesten Espresso für unseren Boss.
Erleichtert kramte ich meine Sachen zusammen und übersiedelte damit in mein Büro, das sich direkt gegenüber von Bens Schreibtisch befand. Mein kleines aber feines Reich bestand im Wesentlichen aus einem Glaskasten. Wollte ich nicht gestört werden, ließ ich die Rollos runter und machte meine Tür zu. Die stand an den meisten Tagen jedoch weit offen. Ich mochte es, Ben hören zu können und ihn um mich zu haben. Mikes Büro war ein Stück weiter weg. So hatte er Ruhe vor uns und wir die benötigte Ruhe vor ihm. Unser Boss war keine wandernde Heuschrecke, nein, er war ein guter Chef. Mike war schon ziemlich lange im Geschäft und mittlerweile auch schon ein sehr bekannter und äußerst erfolgreicher Fotograf in der Szene. Glücklicherweise war er dabei bodenständig geblieben, behandelte uns fair und bezahlte uns nebenbei auch noch anständig.
Wir hatten von Anfang an einen guten Draht zueinander, denn seine hübsche Frau Isabel kam genau wie ich aus Mondsee, so gingen uns die Gesprächsthemen nie aus. Er sah attraktiv aus, war Mitte vierzig und hat schwarze, kurze Haare, die an den Schläfen schon ein wenig grau zu werden begannen. Außerdem hatte er zwei Söhne, die beide studieren. Alles in allem wirkte er sehr zufrieden mit seinem Leben. Mike war einer der wenigen Menschen, die ich kannte, bei denen ich mir immer dachte: „Der hat es echt geschafft!“
So beeindruckend Mike als Mensch auch war, so war es ebenso auch seine Arbeit und besonders sein Atelier! ‚Altes trifft auf Neues‘ lautete das Motto. Dieses abgewohnte und doch hochmodern eingerichtete Gebäude war voller spannender Eindrücke. Immer wieder entdeckte ich neue Winkel, neue Perspektiven. Früher diente das aus Backsteinen gemauerte Gebäude als Lederfabrik. Teilweise waren auch im Inneren die orangeroten Ziegel sichtbar. Ein paar alte Maschinen erinnerten noch daran, dass hier auch tatsächlich mal hart gearbeitet wurde. Manchmal kamen sie noch zum Einsatz, wenn wir Aktaufnahmen machten. An den kahlen Wänden hingen Mikes Bilder – tolle Kunstwerke, bunt eingerahmt. Seine ausdrucksvollen Fotografien zeigten Szenen zwischen Wirklichkeit und Imagination und schafften es, mich jedes Mal in den Bann zu ziehen. Mittlerweile waren auch schon einige von meinen Fotos mit dabei, was mich schon ein bisschen stolz machte. In der Zeit, in der mein Rechner hochfuhr, ordnete ich meinen Schreibtisch, entfernte ein paar Krümel und warf bekritzelte Notizzettel in den Papiereimer. Kaum erstrahlte mein Bildschirm, öffnete ich auch schon seufzend sämtliche Programme und begann Fotos von einem neuen Bio-Restaurant zu bearbeiten, das Ben und ich vorige Woche abfotografiert hatten. Der Laden sah ganz gut aus, die Einrichtung war hauptsächlich in warmen Cremetönen gehalten und wurde mit apfelgrünen Eyecatchern aufgefrischt. In ein paar Wochen würde der neue Laden in München öffnen. Sie boten Köstlichkeiten aus der Region sowie Exotisches an, führten zusätzlich noch ein kleines Restaurant, und für die, die nicht so viel Zeit zum Essen übrig hatten, gab es auch Bio-Fast-Food. Ich nahm mir fest vor, mit Ben einmal dorthin zu gehen. Ein kurzer Blick aus dem Fenster ließ mich frösteln. Sogleich zupfte ich meine bunt geringelte Strumpfhose zurecht und kuschelte mich etwas fester in meinen Pulli. Dicke Regentropfen fielen schwer vom Himmel und trommelten laut gegen die Fensterbänke. Das Wetter war trübe und es regnete immer noch. Geknickt starrte ich aus dem Fenster. Viele kleine Fensterteile mit schwarzen Rahmen bildeten zusammen ein riesiges Fenster, was das Tropfenschauspiel faszinierend wirken ließ. Trotzdem – ich sehnte mich nach Wärme, nach Sonne. Heute fiel es mir besonders schwer, die nötige Konzentration aufzubringen. Daran trug nur Niklas Schuld. Meine Augen schweiften abermals von meinem Bildschirm nach draußen, aber dieses Mal zu Ben. Gemütlich saß er in seinem Bürosessel, den Telefonhörer zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt, und wie so oft schaukelte er gefährlich hin und her. Bis er sein Gleichgewicht verlor und tollpatschig nach vorne plumpste. Er würde es wohl nie lernen! Gerade noch rechtzeitig konnte er sich mit seinen kurzen Beinen abstützen. Suchend blickte er um sich, ob vielleicht jemand, sprich meine Wenigkeit, sein Missgeschick gesehen hatte. Vorausahnend duckte ich mich hinter meinen Bildschirm und kicherte in mich hinein. Unser Gummizwerg war eben urkomisch.
Es vergingen geschlagene zwei Stunden, was eine gefühlte Ewigkeit für Ben sein musste, bis er endlich Zeit hatte, um mir einen kurzen Besuch abzustatten.
Wie ein Pfau stolzierte er vor mir auf und ab und beobachtete mich mit zusammengekniffenen Augen. Dann duckte er sich unter meinen Schreibtisch. Geduldig schaute ich mir seine komische Darbietung eine Zeitlang an, bis es mir aber dann doch zu bunt wurde. Ich rückte mit meinem Sessel ein Stück nach hinten, und schaute ebenfalls unter meinen Schreibtisch. Schließlich wollte ich wissen, was es da Interessantes zu sehen gab.
„Na Ben, hast du etwas verloren?“
„Äh … nein.“
„Was ist los mit dir?“
„Genau dieselbe Frage stelle ich mir über dich.“ Ben und ich führten eine für Außenstehende sehr verhaltensauffällige Freundschaft, hatten so manches komische Ritual, aber Frage-und-Antwort-Spiele unter einem Schreibtisch zu spielen, das war neu.
„Bitte?! … Könntest du vielleicht etwas deutlicher werden …“
„Ähm … bist du vielleicht schwanger?“
„ SCHWANGER?! “ Bei dem Wort alleine zuckte ich zusammen und stieß mir heftig den Kopf an der Tischplatte. Beide richteten wir uns wieder auf und starrten uns gegenseitig perplex an. Ben wollte meinen Bauch auf eine eventuelle ungewöhnliche Wölbung inspizieren. Er war bekannt für seine blühenden Phantasien, aber das ging zu weit. Ich fand als Erste das Wort wieder. „Wie kommst du denn darauf? Habe ich etwa zugenommen?“ „Nein, das ist es ja! Du bist gertenschlank wie immer! Ich würde behaupten kein Gramm.“ „Ja, und kannst du mir vielleicht erklären, wie du dann darauf kommst?“ „Wegen eurer plötzlichen Hochzeit, vielleicht ist ja ein Braten in der Röhre …!“ „Es ist k-e-i-n Braten in der Röhre. Wir heiraten einfach so, weil … naja …“ „Doch nicht etwa aus steuerlichen Gründen?“ „Ben! Du musst das Ganze jetzt nicht emotionalisieren. Wir heiraten weil … wir uns … na, weil wir eben schon lange zusammen sind.“ Genervt widmete ich mich wieder meiner Arbeit, und hämmerte etwas zu energisch in die Tasten. Für Niklas war ein kleiner Schreihals kein Thema und würde es auch nie werden. Er mochte Kinder nicht besonders, Kinder ihn auch nicht. Keine Ahnung, ob ich jemals Kinder wollte; ehrlich gesagt habe ich daran das letzte Mal gedacht, als ich noch mit Puppen spielte. Zuerst war da kein richtiger Partner und dann … hmm … höchstwahrscheinlich zu wenig Zeit. Überhaupt hatte ich schon Schwierigkeiten damit, meine Haustiere am Leben zu erhalten. „Ganz ehrlich Mia, Hand aufs Herz, glaubst du wirklich, dass Niklas d-e-i-n Mann fürs Leben ist?“ „Ja?“, gab ich fragend von mir, und war äußerst irritiert über seine Andeutung. Er schüttelte seinen Kopf, als wüsste er mehr als ich. „Nein?“, sagte ich dann verwirrt. „Ach Ben … ich weiß es doch auch nicht. Das weiß man doch nie! … Oder? Sonst würde es ja auch keine Scheidungen geben.“ „Aber hör dich doch mal selbst reden, dann würdest du dir auch nicht glauben.“
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