1 ...7 8 9 11 12 13 ...23 „Niemals“, sagte sie prompt im Brustton der Überzeugung. „Wir könnten ihre Welt besetzen und sie unterdrücken. Doch sie würden fraglos von uns lernen und eines Tages würde ihr Widerstandswillen in einer Revolte münden. Es sei denn, wir rotteten sie vollständig aus, indem wir ihre Welt unbewohnbar machten.“ Joana sah ihren Vater ernst an. „Solche perversen Gedanken gefallen mir nicht. Sky-Trooper sind dazu da, um Leben zu schützen, und nicht, um es zu nehmen.“
„Ich bin froh, dass du so denkst, und ich hoffe, dass Direktorat und Sky-Command auch in ferner Zukunft so denken. Ein interstellarer Konflikt würde nichts als Elend und Hass hervorrufen.“
„Du sprichst gerade so, als würdest du fest mit einem solchen Konflikt rechnen.“
John Redfeather schüttelte den Kopf. „Nein, das tue ich nicht. Aber als Hoch-Admiral der Direktorats-Flotte muss ich mich auch mit solchen Möglichkeiten auseinandersetzen. Gleichgültig, ob in der Zukunft ein Konflikt zwischen uns Menschen oder mit einer nichtmenschlichen Rasse droht, unsere Sky-Navy und die Sky-Cavalry dürfen niemals das Mittel zum Zweck sein. Sie sind das Schild zwischen einem potenziellen Feind und der hilflosen Zivilbevölkerung, und ihr Schwert darf nicht der Vernichtung dienen. Ein Soldat sollte niemals Tod und Vernichtung zur Maxime seines Denkens erheben, er muss vielmehr dem Leben dienen. Wenn er kämpft, dann nur, um die Voraussetzungen, auch nötigenfalls mit Gewalt, zu schaffen, dass sich Feinde an einen Verhandlungstisch setzen. Dass man miteinander redet und eine friedliche Lösung herbeiführt.“
„Als ich meine Kompanie auf der alten Heimat der Hanari in den Kampf führte, war keiner meiner Trooper heiß darauf, jemanden zu töten, obwohl wir es nicht ganz vermeiden konnten. Ich hörte auch nicht, dass sich irgendeiner damit brüstete.“
„Es war eine Rettungsmission. Eine gemeinsame Anstrengung der vereinten Menschheit, um unsere Brüder im All zu retten. Es gab nur wenige Gegenstimmen und natürlich diese verdammte ‚Human Rights‘, die auch vor Terror nicht zurückschreckte, um die Rettung zu sabotieren. Ja, mein Kleines, dieser Einsatz war etwas, auf das wir alle wirklich stolz sein können.“
„Darauf trinke ich“, meinte Joana und hob ihr Glas, auch wenn es nur Wasser enthielt.
John Redfeather schüttelte den Kopf. „Nicht damit. Warte, ich hole uns den Single Malt.“
Sie tranken beide sehr selten Alkohol und wenn, dann nur in Maßen und zu besonderen Gelegenheiten. Die Flasche, welche John Redfeather aus dem kleinen Getränkefach holte, war schon vor etlichen Jahren geöffnet worden. Er schenkte eine Fingerbreite in die Gläser und sie tranken den alten Whiskey mit Genuss.
Der Hoch-Admiral trat mit seinem Glas zu der Panoramascheibe und winkte Joana zu sich. „Vor rund acht Stunden erhielt ich die Meldung, dass die D.S. Lightning aus dem Sturz gekommen ist. Sie ist nun im Anflug auf die Basis.“ Er tippte an das Implant. „Bild Anflugkontrolle, Dock-Pylon Drei, auf Fenster projizieren, Vergrößerung Vier.“ Für einen Augenblick schien eine Unschärfe über den Klarstahl zu ziehen, dann zeigte die Scheibe das Bild aus Sicht der Anflugkontrolle von der gegenüberliegenden Seite der Basis. Ein anfliegendes Raumschiff trat in den Mittelpunkt. „Nun“, meinte Redfeather leise, „was hältst du von deinem neuen Schiff?“
„Mein neues Schiff?“ Joana sah irritiert auf das Bild.
„Die D.S. Lightning ist der Prototyp der neuen Patrouillenkreuzer des Direktorats“, erklärte ihr Vater. „In Zukunft braucht man solche Riesenschiffe wie unsere brave Trafalgar wohl nicht mehr. Es gibt Pläne, sie als Rettungsschiff umzurüsten. Mit dem Nullzeit-Sturzantrieb kann man schnell auf den Notruf einer Kolonie reagieren und Hilfe entsenden. Aus den alten Trägerschlachtschiffen werden Rettungsträger, die vollgestopft sind mit Hilfsgütern für die verschiedensten Katastropheneinsätze. Die Kampftruppen unserer Sky-Cav werden ein paar zusätzliche Fähigkeiten erlernen müssen. Die Rettung verschütteter Personen, Bekämpfung von Großfeuern, Versorgung verletzter oder erkrankter Personen, Aufbau einer Notversorgung und nötigenfalls die Evakuierung einer ganzen Bevölkerung. Natürlich werden sie ihre Fähigkeiten nicht in allen Wissensgebieten vervollkommnen, aber es wird zusätzliches Fachpersonal zu den Besatzungen stoßen.“
Joana lächelte freudlos. „Das ist eher untypisch für Soldaten.“
„Mag sein. Sie sollen die Fähigkeit zum Kämpfen ja auch nicht verlernen.“
„Ich dachte, ich würde den neuen Antrieb an Bord der Trafalgar ausprobieren.“
„Die Ladungsspulen werden gerade justiert und die ersten Umbauten zum Rettungsschiff sollen nächste Woche beginnen. Das Direktorat will jedoch möglichst bald Erkenntnisse, ob und wie sich der neue Kreuzertyp bewährt. Patrouillendienst mit Überlichtfahrt und Notfalleinsätze mithilfe des Nullzeit-Sturzes. Der Testflug soll unter Einsatzbedingungen durchgeführt werden, daher wirst du mit deiner Kompanie Sky-Trooper an Bord gehen.“
„Und wann soll es losgehen?“
„In drei Tagen.“
Elunt, Stadt der Shanyar, Mahnmal des Krieges gegen die Flachgesichter,
in der Bucht von Elunt, an der Westküste des Kontinents Shanyar.
Eigentlich sollte jeder Angehörige des Volkes der Shanyar einmal in seinem Leben Elunt sehen. Elunt, das in doppeltem Sinne ein Mahnmal für das Volk geworden war. Für den Niedergang und die Wiedergeburt einer Stadt, die man durchaus als Symbol für die Shanyar nehmen konnte. Aber nicht jedem Mitglied des Volkes war es vergönnt, die Stadt zu sehen. Zum einen, weil es zu viele Wesen des Volkes gab, und zum anderen, weil es zu gefährlich gewesen wäre, einen solchen Pilgerstrom zuzulassen. Ein Pilgerstrom, der Elunt zum Ziel der Flachgesichter gemacht hätte. So, wie es vor so vielen Jahren schon einmal geschehen war. Damals, als der Krieg begann. Jener Krieg, der nun schon so lange andauerte und schon so viele Leben gekostet hatte. Jener Krieg, der das alte Elunt zerstörte und nun, endlich, bald enden würde.
Nahed-Sha-Elunt konnte diesen Augenblick kaum erwarten. Jeden Tag ersehnte er das Ende des Krieges aufs Neue herbei. Jeden Morgen, an dem er hinaufging in die alte Stadt, um sich vor Augen zu führen, warum die Shanyar kämpfen und siegen mussten.
Das alte Elunt war eine blühende Stadt gewesen. Eine Metropole, die sich um die gewaltige Lagune herum an den Ufern erstreckt hatte, bis in die Ausläufer des Gebirges, welches die Stadt vom Rest des Kontinentes abgeschirmte. Auch jetzt, nachdem sie zerstört war, strahlten ihre Ruinen etwas von der Macht aus, über welche sie einst verfügt hatte. Noch immer war das Bild der alten Ordnung zu erkennen. Die breiten Alleen und Straßen, die Vielzahl der einst hoch aufragenden Gebäude, in denen die Shanyar ihr Leben verbracht und Freuden und Leiden miteinander geteilt hatten. Man konnte das riesige Theater sehen, dessen Kuppel und Mauern nun eingestürzt waren, dessen steinerne Sitzbänke aber noch zu erkennen waren. Den einstigen Palast, von dem aus Nahed-Sha-Elunts Urgroßvater einst das Volk regiert hatte. Mit Weisheit und Güte, wo es möglich war, und mit unnachgiebiger Härte, wo es erforderlich wurde.
Am beeindruckendsten wirkte die Ruine des Ratsgebäudes. Es war ein gewaltiges Gebäude aus weißem Stein gewesen, welches dem Hohen Rat des Volkes als Tagungsort gedient hatte. Groß genug, um einen guten Teil der Bewohner Elunts an den offenen Ratsversammlungen teilhaben zu lassen. So war es auch an jenem Tag gewesen, als die Flachgesichter Elunt angegriffen hatten. Aus diesem Grunde wurde die alte Stadt zum Fanal für den Untergang, den Widerstand und die neu erstarkte Macht der Shanyar.
Читать дальше